Nachruf auf Schauspielerin Anita Ekberg: Eine Wassergöttin der Leinwand
Immer wieder „La dolce vita“: Anita Ekberg war eine Filmikone. Die Szene im Trevi-Brunnen brannte sich ein. Jetzt ist der Kinostar gestorben.
Filmikonen sind im Grunde unsterblich. Mit ihrem Gesicht, mit ihrem Körper haben sie Momente geschaffen, die ihren festen Platz im kollektiven Gedächtnis einnehmen, heutzutage gern mit freundlicher Unterstützung von Youtube, wo diese Bilder als großer Zitatenschatz der Filmgeschichte versammelt sind. Allerdings können bei Filmikonen diese Szenen auch so stark sein, dass sie vergessen lassen, was die Person sonst noch im Leben getan hat. Im schlimmsten Fall schnurrt die Erinnerung auf einen einzigen Augenblick zusammen, der sich als starres Bild über alles andere legt und den Rest damit praktisch auslöscht.
Anita Ekberg war eine solche Filmikone. Der eine Moment im Leben der schwedischen Schauspielerin war die berühmte Szene in Federico Fellinis „La dolce vita“ von 1960, in der Ekberg und Marcello Mastroianni nacheinander in der Fontana di Trevi in Rom landen, Ekberg euphorisch und nicht ganz von dieser Welt, Mastroianni zögerlich und eher wider Willen. Alles um sie herum strömt und fließt und scheint sich aufzulösen, doch kurz bevor sie sich allzu nahekommen können, wird das Wasser im Springbrunnen abgestellt und die beiden Durchnässten waten mehr oder minder ernüchtert zurück aufs Trockene.
Diese Szene ist es, mit der sich der Name Anita Ekberg untrennbar verbunden hat und auf die sie selbst immer wieder zurückgekommen ist. Da diese nächtliche Taufe zugleich den Höhepunkt im Filmschaffen Fellinis bildete, beanspruchte Ekberg den Hauptanteil an diesem Erfolg für sich selbst mit dem Satz: „Ich war es, die Fellini berühmt gemacht hat, nicht umgekehrt.“ Die Wahrheit ist dabei vermutlich dialektischer.
Ekberg, die am 29. September 1931 in Malmö geboren wurde und mit 19 Jahren zur „Miss Schweden“ gewählt wurde, hatte dabei schon eine Karriere in Hollywood begonnen, als sie zum ersten Mal mit Fellini zusammenarbeitete. Im Jahr 1954 war sie als Ersatz für Marilyn Monroe mit dem Entertainer Bob Hope in Grönland zur US-Truppenbetreuung. Kurz darauf bot ihr die Firma Batjac Productions einen Filmvertrag an, und Ekberg wurde als „schwedischer Eisberg“ gegen Sophia Loren, Brigitte Bardot oder Marilyn Monroe in Stellung gebracht.
Ihre erste Filmrolle hatte Ekberg 1955 in William Wellmans Kalter-Krieg-Abenteuer „Blood Alley“ („Der gelbe Strom“) an der Seite von John Wayne und Lauren Bacall. In King Vidors Tolstoi-Verfilmung „Krieg und Frieden“ von 1956 war sie zudem mit Audrey Hepburn und Henry Fonda auf der Leinwand zu sehen.
Beinahe-Bond-Girl
Nach dem Erfolg von „La dolce vita“ ließ sich Ekberg in Italien nieder. Um ein Haar wäre sie dann 1962 das erste Bond-Girl in „James Bond – 007 jagt Dr. No“ geworden, stattdessen wurde die Rolle mit Ursula Andress besetzt. In „Liebesgrüße aus Moskau“ spielte ein Jahr später dafür ein Plakat zum Anita-Ekberg-Film „Bob auf Safari“ mit Ekbergs Konterfei eine nicht unwichtige Rolle: Hinter dem Mund der Schauspielerin liegt ein verstecktes Fluchtfenster. Zu diesem Zeitpunkt war die Ikonisierung Ekbergs damit schon längst nicht mehr Alltag, sondern schlug sich im Filmschaffen selbst nieder.
Auch Fellini hat auf seine Weise zu dieser Ikonisierung zweiter Ordnung beigetragen. Schon vor dem James-Bond-Film hatte er in der Episode „Die Versuchungen des Dr. Antonio“ aus „Boccaccio 70“ von 1961 eine recht ähnliche Idee inszeniert. Ekberg ist dort als Werbeträgerin für Milch auf einem Plakat zu sehen, dem sie irgendwann entsteigt – als King-Kong-große Riesin, wohlgemerkt, die den titelgebenden Dr. Antonio locker ins Dekolletee steckt. Von Fellini ganz bewusst inszeniert: „Diese unglaublichen Brüste der Ekberg beschwören auch das Bild der Mutter herauf“, merkte dieser einmal zu seiner Wahl Ekbergs für „La dolce vita“ an. „Ich brauchte eine Frau, die fast eine Karikatur der Venus war, die auch den humorvollen Aspekt in der Beziehung zwischen den Geschlechtern aufzeigen konnte.“
Ihren eigenen Weg ins Leben vom Filmplakat herab fand Ekberg weniger leicht zurück. Als die großen Erfolge im Anschluss an „La dolce vita“ ausblieben, zog sie sich mehr und mehr aus dem Filmgeschäft zurück. Für Fellini war sie 1986 noch einmal in „Intervista“ zu sehen, ihr letzter Spielfilm war Yvan le Moines „Le nain rouge“ („Der rote Zwerg“) von 1998.
Verheiratet war Ekberg mit dem britischem Schauspieler Anthony Steel und dem deutsch-amerikanischen Schauspieler Rik von Nutter und war längere Zeit mit dem italienischem Schauspieler Franco Silva zusammen. Zuletzt lebte sie, nachdem ihr Haus bei einem Einbruch abgebrannt war, verarmt in einem Altersheim in der Nähe von Rom. Am Sonntag ist Anita Ekberg im Alter von 83 Jahren in einem Krankenhaus bei Rom gestorben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus
Mangelnde Wirtschaftlichkeit
Pumpspeicher kommt doch nicht