Nachruf auf Musiker Kristof Schreuf: Der Text war seine Party
Der Musiker und taz-Autor Kristof Schreuf ist gestorben. Seine Band Kolossale Jugend schrieb deutsche Popgeschichte. Er wurde nur 59 Jahre alt.
Kristof Schreufs Gesang hatte unendlich Spaß am Lärm, war fast ein Sirren, ein sirenenhaftes Insistieren und durchaus zorniges Zurechtrücken. Er war, wie alle, angloamerikanisch sozialisiert, und versuchte, das Befreiende von Rock’n’Roll – allen Lügen und Mythen zum Trotz – für sich zu klären, darum sang er auf Deutsch: „Morgenstunde/Lautlos kreischen“; „Mein, mein/Noch einmal sagen/Nicht genau und Ende klar“, „Der Text ist meine Party“.
Er klopfte die Sprache nach Resten von Brauchbarem ab und gab dem Lärm mit seinem hellen Organ wichtigen und richtig enervierenden Drive. Das musste so. Als lang-anhaltende Rückkoppelung auf den kommerziellen Erfolg von Punk und Neuer Deutscher Welle, welcher ab 1982 in Westdeutschland zu ästhetischer Verheerung und sprachlicher Banalisierung führte. Aus dem tiefen Schlund von Profimuckertum und Provinzialisierung gelang es Schreuf und seiner Band Kolossale Jugend mit ihren beiden Alben „Heile Heile Boches“ und „Leopard II“ (1989 und 1990 veröffentlicht), das Kaputte von Pop in Deutschland als Trümmer einzusammeln, umzudrehen und wie einen heile heile Ziegelstein wieder rauszuhauen.
Schreuf sang an gegen Selbstzufriedenheit und eherne Machtverhältnisse. Sein Vater war ein Konstrukteur des titelgebenden Panzers. Bereits vor, aber besonders nach der deutschen Wiedervereinigung 1989 belastete die Vereinnahmung von Rockposen auch für nationalistische Zwecke das Unbeschwertsein der Kolossalen Jugend und nicht nur der.
Kolossale Jugend stehen auch am Anfang dessen, was dann als Hamburger Schule zur Bezeichnung einer Künstlergeneration wurde. Um die Band gründete sich das Indie-Label L’age D’or. Zugleich entstanden weitere unabhängige Strukturen in der hanseatischen Subkultur, Clubs und Kneipen, Orte, um Kontakte zu knüpfen.
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Kolossale Jugend
Das hat rein gar nix mit dem „Genre“ Indierock zu tun. Künstler:Innen wie Blumfeld, die Sterne, Tocotronic, Die Braut haut ins Auge half das etwas später in ihrer Logistik und in ihrem Selbstverständnis als deutsch-singende, unabhängig agierende Rockbands. Nur Kolossale Jugend, die die unmittelbar wichtige Vorarbeit geleistet hatten, lösten sich auf. Das war fast ein Running Gag in der Karriere von Kristof Schreuf, der immer dann abgetaucht war, wenn man seine Songs, seine Wortmeldungen, sein Querkopfsein am dringendsten gebraucht hätte.
Sein Roman erschien nie
Es dauerte bis 1997, als Schreuf mit dem Trio Brüllen (und den Musiker:Innen Luka Rothmann und Martin Buck) sein Meisterwerk veröffentlichte: „Schatzitude“ hieß das Album, eine irrlichternde, strohig-krachige Operation am offenen Herzen des Noisepop. Songtexte als Psychogramme und atemberaubende Bulletins der eigenen Kompliziertheit, launige Losungen, um den Löwen innendrin zu bändigen.
In den frühen Nullerjahren sollte ein Roman erscheinen, „Anfänger beim Rocken“, er kam nie. Stattdessen veröffentlichte Kristof, der seit den 1990ern und bis zuletzt für die taz als Autor schrieb, 2010 ein Soloalbum, „Bourgeois with Guitar“. Wie eine Ziehharmonika stülpte er darin in freien eigenen Fassungen berühmte Songs der Pop- und Rockgeschichte zusammen zum semi-eigenen Dekonstruktions-Blasebalg.
Im August stand Schreuf zuletzt in Hamburg bei einem Festival auf der Bühne, spielte den Discoklassiker „Stayin' Alive“ der Bee Gees. Am Mittwoch ist Kristof Schreuf völlig überraschend im Alter von 59 in Berlin gestorben. Er bleibt ein großer, ein eckiger Unvollendeter.
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