Nachruf auf Kurt Jotter: Humor als Waffe
Kurt Jotter bereicherte die MieterInnenbewegung, weil es ihm gelang, aktuelle Proteste mit Aktionsformen der 1980er Jahre zu verbinden.
Für den Berliner Aktionskünstler spielte Humor in der politischen Arbeit schon in den 1970er Jahren eine wichtige Rolle. Zusammen mit der 2014 verstorbenen Kulturwissenschaftlerin Barbara Petersen gründete er 1977 die Künstlergruppe „Foto, Design, Grafik, Öffentlichkeit“ (FDGÖ). Der Name und das Logo spielten auf die viel zitierte freiheitlich-demokratische Grundordnung an.
Die Aktionen des 1987 von Jotter und Petersen gegründeten „Büros für ungewöhnliche Maßnahmen“ wurden sogar im Spiegel und der „Tagesschau“ erwähnt. Am 11. Juni 1987 inszenierte es den Mauerbau auf der Kottbusser Brücke als „Anti-Kreuzberger-Schutzwall“ gegen die Abriegelung Kreuzbergs während des Berlin-Besuchs von Ronald Reagan. Auch die vom Büro für Ungewöhnliche Maßnahmen organisierte Jubelparade als Abgesang auf die Berliner 750-Jahr-Feiern 1987 sorgte für Aufsehen. Hier traten Linke auf, die Humor zur Waffe machten.
Inszenierung mit Biss
„Ich sehe die Aktionen als Realmontage im öffentlichen Raum – als theatralische Inszenierung mit Biss und oft auch mit Satire“, beschrieb Jotter seine Arbeitsweise. Dabei traten für ihn die politischen Inhalte aber nie in den Hintergrund. „Das Lachen soll im Halse stecken bleiben, und dadurch entsteht der Anreiz, sich mit der Sache zu befassen“, so Jotters Hoffnung. „Das Lachen im Halse“ war auch der Titel einer Ausstellung im Jahr 2014 im Friedrichshain-Kreuzberg-Museum, bei der zahlreiche Arbeiten Jotters aus den letzten 40 Jahren präsentiert wurden.
Zu dieser Zeit hatte sich Jotter nach einer mehrjährigen Pause wieder der Aktionskunst gewidmet. Bei Aktionen gegen die AfD war er ebenso mit seinen Installationen anzutreffen wie bei vielen Sozialprotesten. Den Schwerpunkt seines Engagements legte Jotter aber auf die Berliner MieterInnenbewegung. Dabei war es ihm wichtig, Performances und Installationen gemeinsam mit von Verdrängung betroffenen MieterInnen zu gestalten.
So inszenierte Jotter zusammen mit MieterInnen aus Schmargendorf 2017 vor dem Reichstag die Performance DÄMMokratie. Damit protestierten sie gegen energiepolitisch fragwürdige Dämmmethoden, mit denen Eigentümer die Mieten erhöhen können. Auch mit von Zwangsräumung bedrohten MieterInnen inszenierte Jotter Kunst als Widerstand.
Letztes Jahr wurde Jotter als Radfahrer in Berlin von einem Auto erfasst und schwer verletzt. Davon erholte er sich nicht mehr. Am für die Westberliner Apo so wichtigen 2. Juni ist Jotter im Alter von 72 Jahren verstorben, wie erst kürzlich bekannt wurde.
„Kurt Jotter bereicherte die MieterInnenbewegung, weil es ihm gelang, aktuelle Proteste mit Aktionsformen der 1980er Jahre zu verbinden“, beschreibt der Regisseur Matthias Coers die wichtige Rolle seines Freunds bei den Protesten der letzten Jahre. Er organisiert am 22. September einen Gedenkabend für Jotter im Kunsthaus KuLe in der Auguststraße 10 im Rahmen der „artweek“.
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