Nachruf auf Eddi Stapel: Der Erfinder der „Ehe für alle“ ist tot
Eddi Stapel war Schwulenaktivist der ersten Stunde in der DDR. Dann gründete er den gesamtdeutschen Schwulenverband, den heutigen LSVD.
Vor zwanzig Jahren war Stapel heimgekehrt nach Bismark im Norden Sachsen-Anhalts, wo er 1953 geboren wurde. Für den Sohn eines Fleischers, der, wie er erzählte, auf dem Schulhof merkte, dass er „anders“ war, schloss sich ein Kreis. Zuerst Journalistikstudium in Leipzig, danach Theologie an einer kirchlichen Hochschule. Nicht Redakteur, Pfarrer wollte er werden, schnell wurde er Teil der kirchlichen Opposition.
Stapel brachte ab 1982 schwule Männer in der ganzen DDR in „Arbeitskreisen“ zusammen. Die Anliegen lesbischer Frauen waren damals noch nicht Teil seiner Arbeit. Stapel gründete landauf, landab Schwulengruppen, besuchte sie immer wieder. Die Gruppen, selbstbewusst geworden, erhoben politische Forderungen: heiraten, Kinder adoptieren, kurzum Gleichberechtigung. Ohne die Hoffnung, dass sich das je verwirklichen würde.
In der DDR war 1968 zwar der „Homosexuellen-Paragraf“ 175 gestrichen worden, doch für die SED galten Schwule als konspirativ und als Überträger von Geschlechtskrankheiten. 200 Mitarbeiter setzte die Stasi auf Stapel an, ihr Ziel: Zersetzung. Stapel hat gegen den Druck angeraucht. Die Kirche stellte ihn als Mitarbeiter mit Schwerpunkt Schwulenseelsorge ein, eine Pfarrstelle blieb ihm verwehrt. Der Bischof bot ihm eine „Einzelfalllösung“ an. Er könne ja Pfarrer werden, nur bitte kein Präzendenzfall. Nein, sagte Stapel, entweder alle oder keiner. Stapel war in den achtziger Jahren politischer Kopf und Stratege geworden.
Das merkte 1990 auch die vielfach unpolitische westdeutschen Schwulenbewegung. Stapel gründete den DDR-Schwulenverband, zog die Forderungen seiner Gruppen aus der Tasche und holte Talente wie Volker Beck und Günter Dworek in den Vorstand. „Vereinigung andersrum“ nannte das Stapel. 2001 kommt die eingetragene Lebenspartnerschaft, Anfang Juli die „Ehe für alle“.
Stapel selbst war seit 2010 mit seinem Freund, der aus Westafrika stammt, verpartnert. Da war er grüner Bürgermeister von Bismark. Sein Bruder fuhr ihn die wenigen Meter zu den Sitzungen mit dem Auto. Am 3. September ist Eddi Stapel mit 64 Jahren nach langer Krankheit gestorben.
🏳️⚧️ SHANTAY. YOU PAY. 🏳️🌈
Auf taz.de finden Sie eine unabhängige, progressive Stimme. Frei zugänglich, ermöglicht von unserer Community. Alle Informationen auf unserer Webseite sind kostenlos verfügbar. Wer es sich aber leisten kann, darf einen kleinen Beitrag leisten. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Robert Habeck tritt ab
„Ich will nicht wie ein Gespenst über die Flure laufen“
Kritik am Selbstbestimmungsgesetz
Kalkulierter Angriff
Krise Polen-Ukraine
Wer soll Polen dann noch helfen?
Habeck gibt Bundestagsmandat ab
Her mit der neuen Idee
Bürgermeisterwahl in Ludwigshafen
Eine demokratische Farce
Tricksereien in der Navigationssoftware
Anti-Auto-Aktion auf Google Maps