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Nachruf auf Christian LüderUnermüdlicher Helfer und Netzwerker

Der Mitbegründer von „Berlin hilft“ ist tot. Christian Lüder war eine wichtige Stimme der flüchtlingspolitischen Szene, die nun um ihn trauert.

2017 sprach Christian Lüder vor der italienischen Botschaft anlässlich der Verhaftung der Seenotrettungskapitän Carola Rackete Foto: Clemens Bilan/epa

Berlin taz | Christian Lüder, Mitbegründer und Leiter der Initiative „Berlin hilft“, ist tot. Der 57-Jährige wurde am vergangenen Freitag in seiner Wohnung gefunden, Näheres ist bislang nicht bekannt. Die Nachricht hat die flüchtlingspolitische Szene Berlins erschüttert. „Wir werden ihn vermissen als Mensch mit Haltung und einem klaren Votum für Demokratie und Menschenrechte“, sagten Anne-Marie Braun von Schöneberg hilft, Diana Henniges von Moabit hilft, Amei von Hülsen-Pönsken von Willkommen im Westend und weitere Mitstreiter am Montag der taz.

Lüder baute zu Beginn der sogenannten Flüchtlingskrise 2015 das Netzwerk „Berlin hilft“ mit auf. Ursprung war eine Facebook-Gruppe von Menschen, die zunächst vor allem syrischen Bürgerkriegsflüchtlingen helfen wollten, die unter dem Behördenchaos des damals zuständigen Landesamts für Gesundheit und Soziales zu leiden hatten. Auf der Webseite berlin-hilft.com bündelten er und seine Mitstreiter Informationen und Angebote für Unterstützer und Flüchtlinge, über die Jahre entstand so ein breites Angebot von nützlichen Adressen bis zur Darstellung komplizierter Gesetzeslagen.

Seit 2022 produzierte Lüder zudem mit der freien Journalistin und Fotografin Lena Reiner den Podcast „Ausführlich“ zu Migrations- und Menschenrechtsthemen. Nebenher arbeitete der gebürtige Tempelhofer als Dozent an der Volkshochschule Tempelhof-Schöneberg.

Lüder verstand sich als Netzwerker, der Flüchtlinge und Unterstützer miteinander sowie mit staatlichen Strukturen zusammenbringen und so die Flüchtlingshilfe konkret verbessern wollte. Zugleich bezog er immer wieder engagiert Stellung zu Gesetzesverschärfungen und dem zunehmenden Rechtsruck im migrationspolitischen Diskurs.

Wohl auch deshalb kochten einige Medien 2020/21 einen verwaltungsinternen Streit zur politischen Affäre hoch. Dabei ging es um Zahlungen der Sozialverwaltung an Berlin hilft beziehungsweise das Stadtteilzentrum Steglitz als Projektträger. Die BZ insinuierte etwas von „Tricksereien“, mit denen die damalige Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linkspartei) die „linke Asyl- und Flüchtlingspolitik“ von Berlin hilft belohne, ein AfD-Politiker zeigte Breitenbach an. Die Ermittlungen gegen sie sind inzwischen eingestellt, die gegen ihren damaligen Staatssekretär laufen aber wohl noch. Lüder und das Stadtteilzentrum wiesen die Vorwürfe von unrechtmäßigen Zahlungen damals strikt zurück.

Die Lücke, die Lüders Tod in die Berliner Flüchtlingshilfe reißt, wird schwer zu füllen sein. „Er hat sich seit vielen Jahren mit großem Engagement um die Anliegen geflüchteter Menschen in Berlin gekümmert“, erklärte Sozialsenatorin Cancel Kiziltepe (SPD). Das Kollegium des Berliner Flüchtlingsrats zeigte sich ob der Todesnachricht „zutiefst betroffen und traurig“. Lüder sei „eine wichtige Stimme innerhalb der zivilgesellschaftlichen Strukturen Berlins“ gewesen. „Er wird uns nachhaltig fehlen.“

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