Nachruf Walter Haubrich: Ein Sauerstoffträger
Walter Haubrich war mehr als 30 Jahre lang Spanienkorrespondent der „FAZ“. Er hat zur Öffnung des Landes beigetragen.
Bei vielen Zeitungen, die sich durch ein eng gewobenes Korrespondentennetz auszeichnen, gilt die Regel, dass Auslandsposten nie zu lange von einer Person besetzt werden sollen. Objektivität gehe dann verloren, zu sehr drohe der Journalist eins zu werden mit seinem Berichtsgebiet.
Das alles mag seine Berechtigung haben; dass es aber auch ein fundamentaler Vorteil sein kann, über alteingesessene Berichterstatter zu verfügen, dafür stand – und steht auch jetzt noch – Walter Haubrich. Er war seit Ende der sechziger Jahre zunächst Mitarbeiter und dann Spanienkorrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung in Madrid. Er blieb es bis zu seinem Ausscheiden 2002, als er 67 Jahre alt wurde – war dem Blatt und seiner Sonntagszeitung aber zum Glück weiterhin als Autor verbunden.
Er konnte nicht lassen vom Beruf des Journalisten, auch weil ihn das Land nicht losließ, das so lange unter der Franco-Diktatur gelitten hatte und sich mühsam aus seiner Isolation, verfangen in einem rückständigen politischen System, befreite.
Behend durch die Luke des Lifts
Walter Haubrichs Drang zu schreiben wurde auch nicht aufgehalten, wenn – was leicht passieren konnte – der Aufzug des Hauses stecken blieb, das sein Büro beherbergte und seine Wohnung. Er kletterte dann, obgleich von beeindruckender Statur, behend durch eine manuell zu öffnende Luke des Lifts, strich das stets sorgfältig gebügelte Hemd gerade und saß wenig später in seinem Arbeitszimmer auf einem Holzstuhl, der ergonomischen Anforderungen nicht im Mindesten genügte.
Walter Haubrich telefonierte, empfing Besucher, las und schrieb mit grünem Filzstift in einer eigentlich unleserlichen Handschrift. Er stand elektronischen Hilfsmitteln skeptisch gegenüber, verließ sich lieber auf eigene Anschauung, auf Zeugenschaft, fuhr hin – am liebsten mit einem alten Ford Fiesta – und schöpfte aus einem unglaublichen Schatz an Kontakten und Gesprächen. War eine Nachricht, ein Leitartikel, eine Reportage – auch aus Lateinamerika –, verfasst, musste der Praktikant die Zentrale der FAZ anrufen, damit Haubrich seine Texte durchgeben konnte, was einige Zeit dauern konnte.
7.500 Artikel sollen es insgesamt sein, die er in den mehr als drei Jahrzehnten als Korrespondent geschrieben hat. Einige davon sind unter dem Titel „Spaniens schwieriger Weg in die Freiheit“ erschienen und lesen sich als Chronik jener Zeit des Übergangs, der „transición“, die mit der Agonie in den letzten Jahren der Diktatur begann und Spanien nach dem Tod Francos 1975 Schritt für Schritt zur Demokratie werden ließ.
Kontakte zum Untergrund
Walter Haubrich war dabei; die Wurzeln seines Schaffens liegen genau in diesen Jahren, als er – geboren 1935 im Westerwald, ausgebildet an spanischen und deutschen Universitäten – früh Kontakte zu Menschen knüpfte, die sich zu Francos Zeiten im Untergrund bewegen mussten. Javier Solana etwa oder Felipe González, der 1982 als Hoffnungsträger der jungen Demokratie Spaniens Ministerpräsident wurde.
González hat einmal die Rolle der Korrespondenten während der Diktatur und in den ungewissen Zeiten danach hervorgehoben; und es ist vorstellbar, dass seine Worte zu einem guten Teil seinem Freund Walter Haubrich galten: „Einen Teil des Sauerstoffs, den wir benötigten, lieferte uns die Auslandspresse.“
Weil jemand wie Haubrich schreiben konnte, was spanischen Zeitungen nicht möglich war – und dann, auf Umwegen, dort doch gelesen wurde. Er hat zur Öffnung Spaniens beigetragen. In der Nacht zu Ostermontag ist Walter Haubrich in Madrid gestorben. Er wurde 79 Jahre alt.
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