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Nachruf Stadtforscher Klaus RonnebergerDie Stadt als Beute

Der Frankfurter Soziologe und Stadtforscher Klaus Ronneberger ist 74-jährig gestorben. Nachruf auf einen kritischen Geist und rastlosen Analytiker.

Stadterkundung per Fahrrad: Klaus Ronneberger 1990 Foto: Archiv Roger Keil

Klaus Ronneberger war ein profunder Analytiker und Kritiker gesellschaftlicher Verhältnisse. Für die 2000 gegründete Stadtforschungszeitschrift dérive fragten wir ihn daher für ein Interview an. Kurz zuvor war das Buch „Die Stadt als Beute“ von Ronneberger, Stephan Lanz und Walther Jahn (spacelab) erschienen.

So begann eine Zusammenarbeit, die durch seinen überraschenden Tod am 24. April jäh unterbrochen wurde. „Die Stadt als Beute“, eine präzise und bis heute gültige Analyse der Auswirkungen neoliberaler Stadtentwicklung mit all ihren Privatisierungen, Kommer­zia­lisierungen und Ordnungs­fantasien, stieß schon damals auf großes Interesse.

René Pollesch nahm sie als Grundlage für ein Theaterstück an der Berliner Volksbühne, 2005 erschien auch der gleichnamige Film von Irene von Alberti. Entscheidend war Klaus Ronneberger der intellektuelle Austausch mit Gleichgesinnten. In Frankfurt mischte er mit in Gruppen wie Nitribitt und Kanak Attak; gleichzeitig war er in Forschungsprojekte wie Shrinking Cities involviert, hatte Lehraufträge war als Mitglied des Beirats der documenta 12 tätig.

Als Mainhattan zur Global City wurde

In den 1990ern arbeitete er auch am Frankfurter Institut für So­zial­for­schung. Gemeinsam mit Walter Prigge und Roger Keil sondierte er das Potenzial eines Grüngürtels für die Mainmetropole und kritisierte den Wandel der Stadt zur Global City im Buch „­Capitales Fatales“.

Der Autor

Christopher Laimer ist Chef­redakteur von „dérive – Zeitschrift für Stadtforschung “ in Wien.

Obwohl Ronneberger keine klassische akademische Laufbahn absolviert hatte, waren seine Werke wichtig sowohl für stadtaktivistische Gruppierungen als auch für kritische Forschung. Dérive lud ihn regelmäßig zu Vorträgen ein, das Publikum kam zahlreich. Selbstinszenierung war Klaus Ronneberger fremd, ihm ging es darum, Wissen und Erkenntnisse dem Publikum so verständlich wie möglich zu vermitteln.

Er publizierte über Ökonomien und Infrastrukturen der Stadt, regelmäßig auch über den fordistischen Alltag, die Bildungsmoderne, oder über die ­creative class, deren Pro­po­nen­t:in­nen er als „wichtigen Sozialtypus des gegenwärtigen Kapitalismus“ bezeichnete. Die Auseinandersetzung mit dem französischen Philosophen Henri Lefebvre („Recht auf Stadt“) war ihm ein Herzensanliegen.

Er vertrat dessen Theorie der Autogestion als Kampf um kollektive Selbstverwaltung und der Demokratie als konstante Bewegung in Richtung eines Horizonts. Er vertiefte sich in Lefebvres Schriften über die Pariser Kommune, die ihn besonders faszinierte: Daraus resultierte dann das 2023 erschienene Werk „Baustelle Commune – Henri ­Lefebvre und die urbane Revolution von 1871“.

Klaus Ronneberger wurde 74 Jahre alt. Er wird der kritischen Stadtforschung sehr fehlen.

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