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Nachrichtenpodcasts im VergleichAufs Ohr gelegt

„Spiegel Online“, „Zeit Online“ und der Deutschlandfunk haben neue Politik-Podcasts gestartet. Wir haben die drei Formate einen Monat lang gehört.

Wann und wo hört man die neuen Formate? Beispielsweise auf dem Weg nach Hause Foto: Imago/Science Photo Library

Der Expertentalk

Was? „Stimmenfang“ ist der politische unter den drei Podcasts, die Spiegel Online im März dieses Jahres gestartet hat. Eine Spon-Redakteurin bespricht mit Kolleg*innen von Print und Online die politische Lage. Erscheint immer donnerstags und dauert 20 bis 45 Minuten.

Worum geht’s? Die großen Fragen im Bundestag und die kleinteilige Parteipolitik.

Wie klingt’s? So lala. Die Tonqualität ist nicht gut, da wird’s mitten im Podcast plötzlich laut, dann wieder leise. Mal hallt es, dann klingelt ein Handy mitten in die Aufnahme. Do-it-yourself-Studio hin oder her – manchmal lohnt es sich doch, einen Fachmenschen zu bezahlen. Und: Die Gespräche der Kolleg*innen sind oft etwas für absolute Partei-Nerds: sehr detailliert und insiderisch.

Wer hört’s? Fans von „House of Cards“.

Podcasts

Was? Sind abonnierbare Audiobeiträge, also so was wie Radio im Netz. #

Wo? Man findet sie zum Beispiel im iTunes Store, bei Spotify oder auf den Webseiten der jeweiligen Redaktion.

Hier? In den USA sind sie als Medium längst etabliert, dort gibt es eine professionelle Szene von Podcastern. Es hat sich ein lukrativer Werbemarkt entwickelt, was Nachrichtenredaktionen anzieht.

Neu? Radiosender bereiten ihre Inhalte schon lange zu Podcasts auf. Dass Print- und Onlineredaktionen folgen, ist neu.

Wann und wo hört man „Stimmenfang“? Am besten konzentriert im Ohrensessel. Leider ersetzt „Stimmenfang“ aber nicht das gute Buch. Dafür ist der Podcast etwas zu langweilig.

Was kann „Stimmenfang“ besser als die beiden anderen? Rausgehen. Für fast jede Folge verlässt Moderatorin Yasemin Yüksel die Redaktion, interviewt Experten zum Thema oder trifft Aktivist*innen in der Provinz. Das lockert den etwas starren Expertentalk der Redakteure auf.

Was kann „Stimmenfang“ nicht? Unterhalten.

Die Allrounder

Was? „Was jetzt?“ ist einer von drei neuen Podcasts, die Zeit Online im September gestartet hat (neben einem zum Thema Sex und einem zu Arbeit). Erscheint werktags zwischen 5 und 6 Uhr morgens und dauert rund 10 Minuten: Zeit-Online-Redakteur*innen besprechen mit Kolleg*innen von Print und Online den anstehenden Tag.

Worum geht’s? Was wird heute wichtig in Politik, Gesellschaft und Kultur?

Wie klingt’s? Sehr jung, das Verhältnis von männlichen zu weiblichen Stimmen ist ausgeglichen, insgesamt sind die zehn Minuten meist schön produziert. Nur an der Technik hapert’s: Kolleg*innen, die nicht im Berliner Büro sitzen, werden per Skype zugeschaltet, was scheppert und summt und pfeift, so dass man manchmal abschalten möchte. Die Gespräche sind manchmal ein bisschen holprig oder steif. Da überträgt sich schon mal die Nervosität der Redakteure über das Mikrofon, was aber manchmal ganz sympathisch klingt.

Wer hört’s? Fans des „MoMa“.

Wann und wo hört man „Was jetzt“? In der U-Bahn auf dem Weg zur Arbeit.

Was kann „Was jetzt?“ besser als die beiden anderen? Eigenwerbung. Wann immer es passt, binden die Moderatoren auch die Recherchen der Redakteurskollegen ein. Thema Homo-Ehe? Da spricht dann die Kollegin von Paaren, die sie interviewt hat, was die wollen und was nicht. Das belebt den trockenen Nachrichtenstoff.

Was kann „Was jetzt?“ nicht? Gebündelt informieren. Die zehn Minuten sind oft zu voll gepackt. Da bleibt nicht viel hängen.

Die Profis

Was? „Der Tag“ ist gut 15 Minuten lang unterhält sich ein Moderator des Deutschlandfunks mit Kolleg*innen über die politischen Themen des Tages. Ist nach der Bundestagswahl 2017 gestartet und erscheint werktags 17 Uhr.

Und was gibt’s noch?

Das Vorbild: The Daily“ von der New York Times – Nach der Trump-Wahl startete die Redaktion der New York Times (NYT) ihren werktäglichen Podcast „The Daily“. 20 Mi­nuten am Tag, fünf Tage die Woche unterhalten sich darin NYT-­Redakteure vor allem über Innenpolitik in den USA – plaudern, manchmal mit Hang zur Dramatik, aber immer so, dass man gern zuhört. Vor allem dann, wenn Reporter über ihre Recherchen berichten, wie zum Beispiel die Reporterinnen, die die Weinstein-Affäre aufgedeckt haben (Episode vom 6. Oktober 2017).

Der deutsche Indie: Lage der Nation – Wöchentlich unterhalten sich der Journalist Philipp Banse mit dem Richter und Netzaktivisten Ulf Buermeyer über die politischen Ereignisse der vergangenen Woche. Und das dauert. In der Regel ist eine Folge zwischen ein und zwei Stunden lang. Das klingt dann manchmal eher nach Kneipengespräch, bezieht dafür die Hörer*innen ein.

Der deutsche Vorreiter: „Rheinische Post“ – So schnell war kein anderes Verlagshaus in Deutschland: Die Rheinische Post podcastet schon seit gut einem Jahr. Täglich gibt es ein Nachrichtenformat, dazu wöchentlich eines zu Gesundheit und Service, eines zu Sport und eines zu Digitalem. Einmal in der Woche sitzt sogar der Chefredakteur selbst am Mikro und lässt sich zur Woche befragen.

Worum geht’s? Was war heute wichtig in der Politik?

Wie klingt’s? Eindeutiger Startvorteil: Der Deutschlandfunk, das sind die Profis. Sowohl die an als auch die hinter den Mikros. Tonqualität: 1a, die Redakteur*innen sprechen wie geschliffen. Aber das ist eben auch der Nachteil: Junge Stimmen hört man hier selten, Frauen seltener als Männer, und im Großen und Ganzen bleibt es dann eben doch der Deutschlandfunk, ein bisschen steif, auch wenn sich die Kollegen hier, anders als im Tagesprogramm, duzen, ein bisschen persönlicher erzählen und englische O-Töne nicht synchronisiert werden.

Wer hört’s? Fans der „Tagesschau“.

Wann und wo hört man „Der Tag“? In der U-Bahn auf dem Weg nach Hause.

Was kann „Der Tag“ besser als die beiden anderen? Erzählen. Wer hier am Mikro sitzt, weiß, wie man podcastreif spricht – was den Print- und Onlinekolleg*innen nicht immer gegeben ist. Die Gespräche sind souverän, konzentriert, kondensiert und trotzdem nicht oberflächlich.

Was kann „Der Tag“ nicht? Für Politik begeistern.

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