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Nachhaltiges Backen in SchwedenVorbild „Polarbröd“

Während schwedische Großbäckereien unter steigenden Energiepreisen ächzen, versorgt sich „Polarbröd“ selbst. Die Firma hat in Windkraft investiert.

Mit Windkraft zum „Polarbröd“ Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Stockholm taz | „Pågen“ und „Polarbröd“ sind zwei der größten schwedischen Brotproduzenten. Beide exportieren etwa ein Fünftel ihrer Produktion in die skandinavischen Nachbarländer, nach Deutschland und Frankreich. Den Export müsse man möglicherweise herunterfahren oder stoppen, kündigte „Pågen“ jetzt an.

Schuld seien die massiv gestiegenen Strompreise, die es immer schwerer machten, zu konkurrenzfähigen Preisen zu liefern. Die Energiekosten in den Fabriken in Göteborg und Malmö hätten sich seit vergangenem Herbst verfünffacht, berichtete „Pågen“-Chef Carlsson Jendal. Man habe mehrfach die Preise erhöht und müsse das wohl erneut tun.

Konkurrent „Polarbröd“ ist im kleinen nordschwedischen Ort Älvsbyn zu Hause, mitten im Rentierland. Ein Rentier ist das Markenzeichen. Der Familienbetrieb hat vor zehn Jahren einen eigenen Weg eingeschlagen. Anna Borgeryd und ihre Schwester Karin Bodin wollen „die Welt im Rahmen unserer Möglichkeiten besser machen“. Das Ziel ist, gesunde Produkte bei möglichst geringem Ressourceneinsatz zu liefern.

Das Nachhaltigkeitsprinzip gilt von der Rohware und den so weit wie möglich auf Schienentransporte umgestellten Lieferungen bis zur Verwendung aufgearbeiter Computer und Smartphones. Als Erstes investierte der Betrieb Millionen in eigene Windenergieanlagen. Seit sechs Jahren ist er selbstversorgend. Die Strompreisprobleme der Konkurrenz hat man nicht, und „Polarbröd“-Chef Anders Johansson freut sich, dass das Unternehmen nun als positives Beispiel genannt wird.

Nachdem „Pågen“-Chef Jendal nämlich die schwedische Politik dafür verantwortlich machte, dass sein Unternehmen nicht mit billigem Strom, beispielsweise Atomstrom, versorgt werde, war der energiepolitische Sprecher der Grünen, Lorentz Tovatt, ausgerastet. Er twitterte von einem „fossilgasverliebten Chef“, einer „Schande für die Branche“ und einem „Reichsclown“, der „heult, sobald er kein russisches Gas mehr bekommt“. Das Ganze gipfelte in einem „Pågen“-Boykottaufruf. Es gebe glücklicherweise Alternativen. Er empfehle „Polarbröd“.

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6 Kommentare

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  • interessant. man muss ja nicht gleich ausrasten, aber verstehen tu ich den gruenen politiker schon.



    aber kann mir jemand mal erklaeren, wieso auf der arbeitgeberkonkurrenz auch ganz grosse horrorszenarien gemalt wurden, und scholz und habeck einfach mehr geld in aussicht stellten - kann mir jemand mal erklaeren, warum es in der freien marktwirtschaft zu kompliziert ist, die energiepreise nach herstellungsart zu bezahlen? wieso kann man in kriegszeiten das nicht entkoppeln, und wer windstrom kauft, zahlt eben weniger?

  • und womit backt Polarbröd wenn der Wind mal nicht weht? Haben die das Geheimnis gefunden? Die Gesetze der Physik sprechen dagegen. Da müssen also noch andere Faktoren dabei sein. Ich schätze mal Wasserkraft, die in Schweden 45% des Strombedarfs deckt. Das sollte doch auch ewähnt werden...

    • @Gerald Müller:

      Vielleicht heizen sie ihre Öfen mit getrockneter Rentierkacke? 😉

    • 6G
      651749 (Profil gelöscht)
      @Gerald Müller:

      Das Geheimnis ist die Rückeinspeisung. Weht der Wind über dem Verbrauch verdient Polarbröd Geld, weht er nicht, kann man Strom dazukaufen.

      Dazu ist Backen auch eine super Wirtschaft für schwankende Energie, denn wann das Brot in den Ofen geht ist letztlich egal. Auch können in der Großbäckerei die Öfen ganztags auf Temperatur bleiben, das Nachheizen ist also deutlich billiger als der Ofen bei Ihnen im kleinen Bäckerladen um die Ecke der 12h am Tag auskühlt.

      Was kritikwürdig bleibt, ist, dass man sich als Bürger oder Unternehmen derzeit selbst kümmern muss. Flächendeckend Solar auf Mietshäusern vorschreiben, Zentral Speichereinrichtungen - machbar wäre das und auch gar nicht teuer. Aber die Lobbies ....

    • @Gerald Müller:

      Mit anderen Worten, sie fahren genau den gleichen Kurs wie Amazon. Die sind auch gemittelt über das Jahr als weltweit größter Abnehmer grüner Energie und Betreiber eigener Windfarmen und Solaranlagen praktisch energieneutral, würden hier aber kaum als Vorzeigefirma präsentiert werden. Und natürlich geht der Betrieb wie in der Bäckerei bei Flaute weiter.

    • @Gerald Müller:

      Windenergie kann, wie jede andere Energie auch gespeichert werden. Dieser Speicher sichert die Energieversorgung bei Flaute. Die Angstfrage "und was ist wenn kein Wind weht und keine Sonne scheint" ist ein Angstapell, das längst ausgedient hat, meiner Meinung nach.