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Nachhaltige ModeÖko-Kleidung für die Massen gesucht

Zahlreiche Labels bringen inzwischen Öko-Mode auf den Markt. Viel teurer wird die Produktion dadurch nicht. Doch lohnt das auch in großem Stil?

Der Aufpreis für Bio-Baumwolle bei einem ­T-Shirt liegt bei unter einem Dollar Foto: dpa

Etwa 55.000 T-Shirts hat Ulrich Hofmann mit seinem Modelabel „Shirts for Life“ im vergangenen Jahr verkauft – und damit etwas Gutes getan. Denn Hofmann produziert mit Öko-Baumwolle.

Seine Lieferanten setzen keine Pestizide ein und färben die T-Shirts nur mit Chemikalien, die das Grundwasser nicht kontaminieren. Veröffentlichte Zahlen für das Jahr 2016 zeigen: Der Handel mit dem guten Gewissen brachte das Label an die Gewinnschwelle – das Minus lag bei gerade 3.000 Euro.

Doch seien es 55.000 oder knapp eine Million ökologisch gefertigte T-Shirts, wie sie das Kölner Label Armed Angels im vergangenen Jahr verkaufte: Im Vergleich zum globalen Markt ist das verschwindend wenig. Weltweit werden jährlich mehr als 13 Milliarden T-Shirts produziert, allein Deutschland importiert weit mehr als 500 Millionen Stück jährlich.

Nur einen kleinen Teil dieses Marktes zu erobern ist für nachhaltige Produzenten attraktiv und möglich. Der Aufpreis für Bio-Baumwolle bei einem ­T-Shirt liege unter einem Dollar, bei großen Mengen sogar unter 50 Cent, erklärt Firmenchef Hofmann. Umweltfreundliches Färben sei im Vergleich zu konventionellen Alternativen nur wenige Cent pro Kilogramm teurer.

Kleidung mit Zukunft

Der Text wurde im Rahmen einer Kooperation mit Studierenden der Kölner Journalistenschule verfasst, die in Köln zugleich VWL studieren.

Die Zusammenarbeit entstand durch die Konferenz „Sewlotions für die Zukunft der Bekleidungsindustrie“, die von der Menschenrechtsorganisa­tion Femnet organisiert wurde.

150 Studierende, Lehrende der Fachrichtungen Mode und Textil, Wirtschaftswissenschaften und Lehramt haben zwei Tage in Hamburg über eine faire textile Kette diskutiert.

Öffentlicher Druck auf Modebranche steigt

Die gesamte Produktion eines T-Shirts macht laut Zahlen der Stiftung Fair Wear Foundation etwa 27 Prozent des Endpreises aus. Fast 60 Prozent des Preises gehen an den Einzelhandel, rund 12 Prozent behält eine Marke als Bruttogewinn. „Die Gewinnmarge verringert sich bei nachhaltiger Produktion also nur um wenige Prozentpunkte“, sagt Hofmann. „Doch diese wenigen Prozentpunkte können im Fast-Fashion-Niedrigpreis-Segment entscheidend sein.“

Globale Im- und Exportzahlen zeigen, dass T-Shirts im Schnitt für etwa 3,50 US-Dollar pro Stück auf dem Weltmarkt gehandelt werden. Da fällt ein Aufschlag von bis zu einem US-Dollar bei nachhaltiger Ware doch deutlich ins Gewicht – bei einem Produkt, das viele Verbraucher fast als Wegwerfartikel betrachten. Länger als drei Jahre überlebt ein T-Shirt bei dem Großteil der Verbraucher nicht im Kleiderschrank, hat eine Greenpeace-Studie ergeben.

„Shirts for Life“-Chef Hofmann verurteilt diese Schnelllebigkeit. Er weiß, wie umweltschädlich die Produktion eines herkömmlichen T-Shirts ist, und versucht es selbst besser zu machen. Kleine Labels wie seines setzen auf die wachsende Nische: Laut der Wirtschaftsberatung KPMG decken sich 11 Prozent der Konsumenten überwiegend mit nachhaltiger Kleidung ein. Wenige Jahre zuvor war der Wert nicht halb so hoch. Der öffentliche Druck auf die Modebranche, nachhaltiger zu wirtschaften, nehme zu.

Öffentlicher Druck auf Modebranche steigt

Das trage dazu bei, dass der Markt für nachhaltige Mode wachse, sagt Lavinia Muth. Sie ist bei Armed Angels zuständig für Corporate Responsibility. Das Kölner Label ist innerhalb der letzten elf Jahre von 2 auf 80 MitarbeiterInnen gewachsen und verkauft seine Mode mittlerweile auch bei Peek & Cloppenburg. Letztes Jahr hat Armed Angels 1,5 Millionen Kleidungsstücke verkauft.

Die letzten veröffentlichten Geschäftszahlen zeigen bei ­Armed Angels für 2016 ein Umsatzwachstum von mehr als 40 Prozent zum Vorjahr und einen Gewinn von knapp 1,4 Millionen Euro. „Wir sind früh in einen wachsenden Markt eingetreten, das zahlt sich nun aus“, sagt Muth. Früher hätte sich nur eine Randgruppe für nachhaltige Mode interessiert.

„Mittlerweile produzieren wir für eine breite Masse, besonders junge Leute. Sie wollen konsumieren. Kein Konsum ist heutzutage nicht realistisch. Aber sie wissen auch, dass sie nicht so weitermachen können wie bisher. Dann lieber das Richtige kaufen.“ Und die Zahlungsbereitschaft der Kunden ist hoch: Das billigste T-Shirt aus Biobaumwolle kostet im Webshop von Armed Angels 19,90 Euro.

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4 Kommentare

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  • Das Problem ist im Artikel benannt: Kleidung wird als Wegwerfware betrachtet. Das ist auch kein Wunder, denn große Ketten bieten T-Shirt und sogar Jeans für unter € 10 an. Hier muss man ansetzen. Es mag aus heutiger Sicht unrealistisch erscheinen, dass relevant weniger konsumiert wird, aber vieles erschien in der Vergangenheit unrealistisch, was heute selbstverständlich ist, z. B. dass viele Menschen täglich Fleisch essen oder die Anzahl der privaten PKW in Deutschland. Es geht auch nicht darum überhaupt nicht zu konsumieren, denn irgendwas muss man ja anziehen. Es geht um drastisch weniger Konsum, und das regelt das Angebot. Wenn sich Artikel so verteuern, dass der wahre Preis bezahlt wird (den zahlen bisher vor allem die Produktionsländer, nicht der europäische Endkunde/die Endkundin), dann hat es sich mit dem wöchentlichen Einkauf von tütenweise Billigklamotten zweifelhafter Qualität, Herkunft und Optik. Wir werden mit Scharen von Menschen konfrontiert werden, die keine Ahnung haben, wie man eine Garderobe sinnvoll zusammenstellt, weil man mit dem Scheiß, den man kauft eben länger als ein paar Wochen leben muss, aber das wird sich geben. Es gibt keinen umweltverträglichen massenhaften Konsum von Dingen, die für den dauerhaften Gebrauch gedacht sind (ursprünglich jedenfalls). Am Anfang muss ein Bewusstseinswandel stehen: Dass Kleidung kein Wegwerfartikel ist wie Toilettenpapier oder Frischhaltefolie.

    • @Anne Pipenbrinck:

      Früher hieß es mal, ich bin zu arm, um billig zu kaufen… das gilt heute genauso noch.



      Das Problem ist und bleibt das Wirtschaftssystem Kapitalismus an sich, denn es ist auf Masse, Gewinnmaximierung und Ressourcenverschwendung (auch und besonders ·für· die Shareholder) ausgelegt…



      Wachstumsglaube im wirtschaftlichen Bereich sägt den Ast, auf dem wir sitzen, unaufhaltsam ab.



      Wachstum? Nein danke.

    • 6G
      61321 (Profil gelöscht)
      @Anne Pipenbrinck:

      Wenn ich nur Ihren Optimismus hätte

    • @Anne Pipenbrinck:

      Ich trage immernoch Tshirts, welche um 2000 produziert wurden,



      Die meisten davon sind auch noch Salonfähig, die, die es nicht mehr sind, reichen noch super, für Arbeiten, bei denen man schnutzig werden könnte ;)

      Nur meine letztgekaufte Jeans gibt schon nach drei Jahren den Geist- äh die Näte auf...

      Man muss den Wandel nur wollen, dann ist er auch leistbar!