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NachgehaktKinder der Neustadt, die dicke Luft bleibt!

■ Nach vier Jahren Justiz gaben Eltern, die für bessere Luft klagten, auf

Sechs Kinder klagen in Bremen gegen die verpestete Luft, melden die Zeitungen im Jahre 1996. „Ein Erfolg in der Sache hätte bundespolitische Signalwirkung gehabt“, schreibt Robin Wood. In dieser Woche zogen sie ihre Klage zurück, Stadt und Kläger teilen sich die Kosten. „Die politische Auseinandersetzung für ein besseres Verkehrskonzept geht weiter“, sagt Steffi Barisch von Robin Wood. Die Umweltschutz-Organisation hatte die Klage fachlich und finanziell unterstützt.

Aber das Verwaltungsgericht hatte angedeutet, dass die Klage wohl wenig Aussicht auf Erfolg haben würde, daher das Einlenken der Eltern. Zwar ist jede Stadt verpflichtet, verkehrsrechtliche Maßnahmen zu prüfen, um die Belastung der Luft zu vermindern. Aber einklagbar ist dieser Anspruch von seiten der betroffenen Bürger offenkundig nicht. Eindeutig überschritten sind die zulässigen Grenzwerte der Luftverschmutzung an der Neuenlander Straße, aber dort klagte keiner.

Eine der Kläger-Familien wird demnächst mit ihren drei Kindern wegziehen. „In der Lahnstraße kann man kein Kind vor die Tür lassen“, sagt Vater Christoph Schminck-Gustavus. Seine Kinder sind sechs, vier und ein Jahr alt. Von den fünf Kläger-Familien ist eine nach Fischerhude gezogen. Aber Gustavus ist überzeugter Fahrradfahrer: „Aus der Stadt weg ins Grüne ziehen wäre auch keine Lösung, das bringt doch nur ein oder zwei Autos mehr.“ Verkehrsberuhigungen, von denen die Vertreter der Stadt vor Gericht argumentiert haben, hat es in der Lahnstraße nicht gegeben, und das Argument, dass die Neuenlander Straße einige hundert Meter weg ist, überzeugt ihn nicht: „Wer kann denn in dreißig Jahren nachweisen, dass der Lungenkrebs eine Spätwirkung der Luftbelastung ist?“

Robin Wood sieht das genauso: „Es ist unbestritten, dass Kinder noch empfindlicher als Erwachsene auf Luftschadstoffe wie Ruß, Benzol und Stickstoffoxid reagieren. Trotzdem lässt sich gerichtlich nicht durchsetzen, dass für Kinder andere Grenzwerte gelten. Die Interessen der automobilisierten Gesellschaft werden stärker gewichtet als die Gesundheit der Kinder.“

Dennoch werden die Menschen nicht „dem Verkehr weichen“, wie Robin Wood mit Anspielung auf die Umzüge schreibt: „Die meisten werden hier nicht wegziehen können“, sagt Schminck-Gustavus, schlicht weil kinderfreundliche Wohngebiete in der Stadt sehr begehrt und daher teurer sind.

K.W.

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