Nach ukrainischen Drohnenangriffen: Benzinpreise in Russland auf Rekordniveau gestiegen
Russland wird durch ukrainische Angriffe stark getroffen. Die Ölexporteure leiden auch unter den Strafzöllen, die Trump gegen Indien verhängt hat.

Es ist nicht der erste verheerende Treffer, den die Ukraine bei russischen Energieanlagen gelandet hat. Inzwischen sind nach Berechnungen des angesehenen Institute for the Study of War (ISW) 17 Prozent der russischen Raffineriekapazitäten temporär lahmgelegt. In der Nacht zum Donnerstag hat das ukrainische Militär nach eigenen Angaben erneut zwei Ölraffinerien in Russland angegriffen
Viele russische Regionen leiden unter einem erheblichen Mangel an Superbenzin und Diesel. Die Benzinpreise sind auf Rekordniveau gestiegen. Die Regierung in Moskau hat ein Ausfuhrverbot für Diesel und Benzin verhängt, um die Nachfrage der russischen Armee, des Transportgewerbes, der Energiewirtschaft und der heimischen Autofahrer:innen decken zu können. Allein die zuletzt getroffene Raffinerie in Rjasan stand mit einer Kapazität von 13,1 Millionen Tonnen Treibstoff für etwa 5 Prozent der gesamten russischen Produktion.
Der Versuch, die durch den Ausfuhrstopp entstehenden Exporterlöse durch eine um 200.000 Barrel erhöhte Ausfuhr von Rohöl zu kompensieren, droht zu scheitern: Am Mittwoch sind die von US-Präsident Donald Trump verhängten Strafzölle gegen Indien in Kraft getreten. Die bereits auf 25 Prozent angehobenen Zölle wurden um weitere 25 Prozent auf 50 Prozent erhöht. Neu-Delhi gerät unter Druck und drosselt die Importe. Trump hatte der Regierung von Indiens Premierminister Narendra Modi vorgeworfen, immer mehr billiges Rohöl aus Russland zu kaufen, das mit der schrottreifen Schattenflotte aus veralteten und nicht versicherten Tankern zumeist von den Ostseehäfen Ust-Luga und Primorsk sowie vom Schwarzmeerhafen Noworossijsk um die halbe Welt verschifft wird. Das daraus raffinierte Benzin und der Diesel werden an zumeist europäische Abnehmer verkauft.
Moderne Technik gezielt zerstört
Binnen eines Monats hat die Ukraine die Raffinerien in Wolgograd, Rjasan, Rostow, Samara, Saratow und Krasnodar getroffen. Ein Feuer in der Raffinerie Nowoschachtinsk brannte nach dem ukrainischen Drohnenangriff noch tagelang, das Wasser wurde in der Region wegen der Löscharbeiten knapp. Die „Druschba“-Pipeline, die sibirische Ölfelder mit Kund:innen in Ungarn, der Slowakei und im brandenburgischen Schwedt verbindet, sowie das Exportterminal und der Raffineriekomplex im Ostseehafen Ust-Luga wurden ebenfalls von Drohnen angegriffen.
Die Wahl der Raffinerien als Ziel ist dabei keineswegs Zufall oder allein der Reichweite der meisten ukrainischen Drohnen mit 1.500 Kilometer geschuldet. Vielmehr betonen die auf dem russischen Telegram-Kanal veröffentlichenden Experten: Früher seien einzelne Anlagen getroffen worden, die innerhalb weniger Wochen wiederhergestellt werden konnten. „Jetzt werden die Angriffe in Serie durchgeführt und auf dieselben Anlagen wiederholt“, schreiben die Fachleute.
Und sie ergänzen, dass „moderne russische Raffinerien mit Anlagen von Shell und anderen westlichen Ölanlagenbau-Firmen ausgerüstet“ worden seien. Dadurch seien sie deutlich moderner als die russische Technik. Nur hier könnten durch moderne Methoden Treibstoffe des Qualitätsstandards Euro-5 produziert werden. Aufgrund der seit 2022 verhängten Sanktionen hat Moskau keinen Zugang mehr zu westlicher Ausrüstung, Software oder Katalysatoren. Es gibt zwar chinesische Ersatzprodukte, die jedoch weniger effizient seien. Aufgrund der technologischen Lücke müssten jetzt ganze Prozesslinien umgestaltet werden, um sie einsetzen zu können.
Für die Ukraine spielen Pipelines und Raffinerien aus zwei Gründen eine wichtige Rolle beim russischen Angriff auf den größten Flächenstaat Europas: Mittels der Drohnenangriffe wird die Treibstoffversorgung der Armee des Aggressors erschwert. Zugleich verursachen sie enormen wirtschaftlichen Schaden für Russland.
Starke Einnahmeverluste
Der sinkende Ölexport, gefallene Preise für die russische Ölsorte des Urals und die Einstellung des Gastransits durch die Ukraine seit 1. Januar ließen die russischen Exporte von Mineralprodukten in der ersten Jahreshälfte auf 110,1 Milliarden Dollar sinken. Das zeigen Daten des russischen Zolls, die öffentlich diese Mineralprodukte nicht weiter aufschlüsseln in Rohöl, Erdgas, Kohle, Erze und andere. Sie belegen aber einen deutlichen Rückgang der Exporterlöse um 20,3 Milliarden Dollar gegenüber Januar bis Juni 2024.
Dennoch übersteigen die Einnahmen der russischen Ausfuhren an Öl und Gas weiterhin deutlich die Summe der westlichen Hilfen für die Ukraine: Seit Beginn der Invasion im Februar 2022 hat Russland bis Mai 2025 über 883 Milliarden Euro an Öl-, Gas- und Kohleexporten verdient. Das hat das Centre for Research on Energy and Clean Air (Crea) errechnet – dreimal mehr als die Ukraine an alliierter Hilfe bekomme. Mehr als 228 Milliarden Euro davon kamen aus Ländern, die Sanktionen verhängten, aus der EU allein 209 Milliarden Euro.
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