Nach rechtem Anschlag in Wächtersbach: Solidarität gegen die Angst
Nach dem Anschlag im hessischen Wächtersbach demonstrieren dort rund 250 Menschen gegen Rassismus. Nicht allen im Ort gefällt das.
Wächtersbach taz | „Wir haben Angst“, sagt Alganesh Micael. Sie steht an der historischen Altstadt im hessischen Wächtersbach, umgeben von rund 250 Demonstrant*Innen. An diesem Samstag-Mittag versammeln sie sich hier, um Solidarität mit dem Deutsch-Eritreer Bilal zu zeigen, der vergangenen Montag einen Mordanschlag durch den deutschen Rassisten Roland K. nur knapp überlebte. Immer wieder schallt es „Kein Schlussstrich“ und „Kein Mensch ist illegal, Bleiberecht überall“ durch den Ort.
„Der Zufall hat ihn getroffen“, betont Alganesh Micael in der Rede, die sie vor den Demonstrant*Innen hält. Das bisherige Leben in Wächtersbach sei in Ordnung, der Betroffene und seine Familie seien zufrieden gewesen. Doch nun mache sich Angst in der schwarzen Community breit, ebenfalls Opfer rassistischen Terrors zu werden.
Während die Demonstration vor allem von linken Aktivist*Innen aus Frankfurt getragen wird, stehen Wächtersbacher Anwohner*Innen nur beobachtend oder gar kopfschüttelnd am Rand.
Eine Frau aus dem Ort läuft allerdings im hinteren Teil der Demo mit, sie möchte ebenfalls ein Zeichen setzen. Gegen den rassistischen Hass zwar – das auch – aber eben auch gegen den „Linksterrorismus“, wie sie der taz sagt. Viele im Ort hätten Vorbehalte gegen die Antifa-Gruppen, die im Internet zur Demonstration aufgerufen haben, berichtet sie. Diese Abneigung ist auch in verschiedenen Nachbarschafts-Gruppen auf Facebook nachzulesen, in denen eine knappe Woche nach dem Anschlag vor allem der Medienrummel um den Ort beklagt wird.
Die rechte Szene des Täters: Das „Martinseck“
Dabei hat der Main-Kinzig-Kreis, in dem Wächtersbach liegt, fraglos ein Problem mit Rechtsradikalen. So zählt ein Antifa-Aktivist am Mikrophon zahlreiche Neonazi-Gruppen auf, die in den vergangenen Jahren hier aktiv waren. Der Landesverband der militanten Neonazipartei „Die Rechte“ gründete sich etwa in einem Nebenort. Deren Mitgliedern konnte mittlerweile eine Nähe zum Mörder des CDU-Politikers Walter Lübcke nachgewiesen werden. Die Szene müsse entwaffnet und bekämpft werden, fordert der linke Aktivist in seiner Rede deshalb.
Zwar konnte bisher nicht nachgewiesen werden, dass der Wächtersbacher Schütze, in rechtsextremen Organisationen Mitglied gewesen sei, der Redner verweist aber auf das Internet als zentrale Vernetzungs- und Radikalisierungsplattform. Und dann gibt es da noch die örtliche Kneipe: „Rolands rechte Szene heißt Martinseck“, so der junge Mann. In der Kneipe mit diesem Namen soll Roland K. seinen Anschlag erst angekündigt und danach begossen haben, bevor er sich das Leben nahm.
Bei der Demonstration am Samstag geben sich die Aktivist*Innen allerdings auch Mühe, eben nicht nur vom rassistischen Täter, sondern auch vom unschuldigen Opfer des Anschlags zu sprechen. „Gute Besserung, Bilal“, ruft etwa ein schwarzer Aktivist namens Thomas unter lautem Beifall in die Menge. Im Anschluss kritisiert er die Kontinuität des Rassismus, unter dem Schwarze in Deutschland zu leiden hätten und von dem die Mehrheitsgesellschaft nicht reden wolle. Der rechte Terror sei nur das aggressivste, sichtbarste Element hiervon. Ein Zeichen der Solidarität, wie die Demonstration, sei zwar gut und wichtig, so der junge Mann. „Doch erst müssen aus Transparenten Worte und Taten werden. Hier in Wächtersbach und überall.“
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