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Nach der Wahl in AustralienErste Indigene im Parlament

Linda Burney wurde ihrer Familie weggenommen und wusste lange nichts von ihrer Herkunft als Indigene. Nun wurde sie ins Parlament gewählt.

Ein „wirklich wichtigen Moment“: Linda Burney wird Abgeordnete Foto: dpa

Linda Burney ist die Erste. Bei der Wahl am Samstag gewann mit der 59-jährigen ehemaligen Lehrerin und Labor-Politikerin erstmals eine Ureinwohnerin einen Sitz im nationalen Parlament Australiens. Sie trat für den multikulturellen Wahlkreis Barton in Sydney an. Die Wähler in Barton hätten mit ihr zusammen Geschichte geschrieben, sagte sie nach ihrem Sieg, den sie als einen „wirklich wichtigen Moment“ beschrieb.

Politische Erfahrung für ihre neue Aufgabe bringt Burney zur Genüge mit. Von 2003 bis 2016 war sie bereits Abgeordnete des Parlaments von New South Wales (NSW), hatte dort mehrere Ministerposten inne und war 2008/2009 Chefin der Labor Party. Auf nationaler Ebene war sie nach der Wahlniederlage ihrer Partei 2011 mehrfach Schattenministerin und, nach dem Rücktritt von Labor-Chef John Robertson 2014, interimistische Oppositionsführerin. Außerdem engagierte sie sich in einer nationalen Versöhnungskommission und in Arbeitsgruppen der UNO für die Belange der stark benachteiligten Ureinwohner Australiens.

Linda Burney wurde 1957 in der Kleinstadt Whitton in NSW geboren – doch ihre Familie sollte sie erst spät kennenlernen, wie sie anlässlich ihrer Wahl in das Parlament von NSW 2003 gegenüber der BBC berichtete. Ihre Herkunft als Ureinwohnerin wurde ihr zunächst verschwiegen, doch der Unterschied ihres Aussehens im Vergleich zu ihren blonden, blauäugigen Cousins und Cousinen war nicht zu übersehen. „Das hat mich eine Menge über Rassismus gelehrt, von dem ich viel abgekriegt habe“, sagte Burney.

Sie war uneheliche Tochter eines Aborigine-Vaters und einer weißen Mutter. Sie wuchs bei einer Tante und einem Onkel auf, in einer Zeit, in der hellhäutige Kinder von Ureinwohnern ihren Familien weggenommen wurden, um in weißen Familien aufzuwachsen. Ihren Vater sah Burney mit 28 das erste Mal.

Als Abgeordnete wird sich Burney weiter für die Belange der Ureinwohner einsetzen. Als ehemaliger Lehrerin liegt ihr die Bildung besonders am Herzen. Im Parlament will sie sich für die Homoehe einsetzen. „Das ist unvermeidlich und muss geschehen“, kündigte sie im Mai bei ihrer Abschiedsrede in ihrem alten Wahlkreis Canterbury an.

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2 Kommentare

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  • Ich weiß nicht, was Beate Seel meint. In wie fern ist Linde Burney "die erste"?

     

    Ich kenne die Frau nicht persönlich. Ich las nur in der taz, dass sie 1957 in der Kleinstadt Whitton in NSW (nein, nicht Nordrheinwestfahlen) geboren wurde und zusammen mit mehreren blonden, blauäugigen Cousins und Cousinen aufgewachsen ist. Sie soll Lehrerin gewesen sein und ist inzwischen Berufspolitikerin. Als solche war sie bereits Parlamentsabgeordnete und Oppositionsführerin, hatte mehrere (Schatten-)Ministerposten inne und war 2008/2009 Chefin der Labor Party. Sie engagierte sie sich in einer nationalen Kommission und in Arbeitsgruppen der UNO.

     

    Von der unehelichen Geburt und dem Aufwachsen bei einer Tante und einem Onkel abgesehen, hat diese Frau also den ganz normalen Weg einer ehrgeizigen Abgeordneten genommen.

    Ach ja, da ist ja noch das "Blut" ihres Aborigine-Vaters, den die karrierebewusste Dame mit 28 zum ersten Mal getroffen hat, und der deswegen kaum einen aktiven Einfluss gehabt haben dürfte auf ihre Entwicklung.

     

    Australien, wird gerne mal behauptet, wäre ein moderner, demokratischer Staat. Soll ich es vielleicht dafür bewundern, dass es einer Frau, die offenbar allein von der weißen Mehrheitsgesellschaft "geformt" wurde, ihren biologischen Erzeuger nicht ankreidet? "Wichtig" mag dieser Schritt ja sein. Er ist allerdings vor allem eins: Längst überfällig.

     

    Übrigens: Wieso sich jemand unbedingt politisch engagieren will für etwas, was "unvermeidlich" ist und zwangsläufig "geschehen [muss]", müsste mir die taz auch erst erklären.

  • Mich würde interessieren, ob die Dame auch einen Namen in der Sprache ihres Vaters hat.

    Indigenen Völkern einen englischen Namen aufzuzwingen ist eine besonders brutale Form der Zwangsassimilation.