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Nach der Landtagswahl in ThüringenEs wird kompliziert

Wahlsieger in Thüringen ist Ministerpräsident Ramelow mit den Linken. Doch wichtig ist: Ist die CDU bereit, den linken Regierungschef zu stützen?

Will doch nicht alle Strippen kappen: Thüringens CDU-Landesvorsitzender Mike Mohring Foto: dpa

Erfurt/Berlin dpa/rtr/afp | Thüringens CDU-Spitzenkandidat Mike Mohring hat Bereitschaft zu Gesprächen mit der Linken über eine mögliche Regierung in seinem Bundesland nach der Wahl vom Sonntag signalisiert. „Mir sind stabile Verhältnisse wichtiger für das Land, als dass es nur um parteipolitische Interessen geht“, sagte Mohring am Montag im ARD-“Morgenmagazin“. Sein weiteres Vorgehen bei einer Regierungsbildung werde er nicht von Vorgaben der Bundes-CDU abhängig machen.

„Ich brauche nicht Berlin, um zu wissen, was für Thüringen wichtig ist“, sagte Mohring. Die aktuelle Bundespolitik sei im Wahlkampf „nicht sonderlich nützlich“ gewesen. Die Politik der Großen Koalition habe zu Vertrauensverlust geführt. Die Frage, wie es in Thüringen weitergehe, sei „keine, die in Berlin beantwortet wird“, stellte er klar.

CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak hatte zuvor eine Zusammenarbeit der CDU mit der Linkspartei oder der AfD kategorisch ausgeschlossen. „Unser Wort gilt nach den Wahlen genauso, wie wir es vor den Wahlen gesagt haben“, sagt er. „Es wird keine Koalition der CDU mit der Linkspartei oder der AfD geben.“

Nach der Landtagswahl in Thüringen wird die Regierungsbildung schwierig. Ministerpräsident Bodo Ramelow hat mit den Linken zwar deutlich gewonnen, kann aber mit SPD und Grünen nicht wie bisher weiterregieren.

Erstmals gebe es keine Mehrheit mehr für die „politische Mitte“, sagte Mohring im ARD-„Morgenmagazin“. „Aber das heißt nicht, dass wir uns in die Ecke stellen können, sondern wir müssen Verantwortung übernehmen.“ Was das bedeute, müsse man ausloten.

Lasst uns doch auch mal ausloten, was es an gemeinsamer Kraft im Parlament gibt

Ministerpräsident Bodo Ramelow

Die CDU muss nach massiven Einbußen in ihrer einstigen Hochburg ihr weiteres Vorgehen klären. Eine Koalition mit den Linken hatte sie bisher ausgeschlossen. Laut einem Bundesparteitagsbeschluss lehnt sich auch „ähnliche Formen der Zusammenarbeit“ ab. Aber jenseits der AfD ist eine Regierungsbildung nur möglich, wenn Union oder FDP mit den Linken kooperieren – also entweder doch eine Koalition eingehen oder aber eine Minderheitsregierung dulden. Eine Zusammenarbeit mit der AfD, die zur zweitstärksten Kraft in Thüringen aufstieg, schließen alle anderen Parteien aus.

Ramelow sagte am Sonntagabend im ZDF, alle Demokraten müssten in der Lage sein, miteinander zu sprechen. „Lasst uns doch auch mal ausloten, was es an gemeinsamer Kraft im Parlament gibt.“ Dies sei noch jenseits der Frage, wer mit wem offiziell in Regierungsgespräche eintrete. In Thüringen habe man es immer wieder geschafft, „über scheinbare parteipolitische Gräben hinweg“ in entscheidenden Fragen an einem Strang zu ziehen, etwa nach Bekanntwerden der NSU-Terrorserie. Ramelow betonte, er habe natürlich die Absicht, sich „sehr schnell im Parlament zur Wahl zu stellen“.

Die Linke war bei der Wahl am Sonntag erstmals in einem Bundesland stärkste Kraft geworden. Die bisherige rot-rot-grüne Koalition verlor aber ihre Mehrheit, weil SPD und Grüne schwach abschnitten. Die CDU, die seit 1990 stets vorn gelegen hatte, stürzte auf das schlechteste Ergebnis der Landesgeschichte. Sie kam hinter der AfD auf Platz drei, die ihr Resultat mehr als verdoppelte. Die FDP musste lange zittern – und kann sich nun freuen: Mit 5,0005 Prozent übersprang sie die Fünfprozenthürde um gerade mal fünf Stimmen, wie es von der Landeswahlleitung unter Berufung auf das vorläufige Ergebnis hieß.

SPD-Landeschef Wolfgang Tiefensee brachte eine Minderheitsregierung ins Gespräch. Gegebenenfalls könnte eine rot-rot-grüne Regierung mit wechselnden Mehrheiten bei Entscheidungen, die nicht grundsätzlicher Art seien, agieren, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Alle Parteien auf demokratischem Grund müssten gesprächsfähig sein. „Komplizierte, auch längere Gespräche stehen an“, betonte er.

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Auch SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil forderte Union und FDP auf, Gespräche mit der Linken zu führen. Er erwarte, „dass sich alle an einen Tisch setzen und gucken, wie sie eine stabile Regierung für Thüringen hinbekommen“, sagte er im ARD-„Morgenmagazin“. Man müsse Ideologie „wegwerfen“ und sich „im Sinne der Menschen und des Landes an einen Tisch setzen“, das erwarte er von allen Parteien und konkret von Union und FDP.

Die FDP in Thüringen liebäugelt mit einer Minderheitsregierung. Diese „wäre eine Herausforderung für die Demokratie, aber die Wähler würden dann auch wieder sehen, dass Demokratie tatsächlich im Parlament stattfindet“, sagte FDP-Spitzenkandidat Thomas Kemmerich.

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2 Kommentare

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  • Auch wenn das vielen nicht gefallen wird - taktisch wäre es am vernünftigsten, jetzt für die Regierungsbildung die AfD mit ins Boot zu holen:



    Noch sind die Machtverhältnisse und die Sitzverteilung im thüringer Landtag so, daß man die AfD in einer gleichberechtgten, ausgewogenen Koalition mäßigen und zähmen kann. Ob das nach der nächsten Wahl noch so sein wird, weiß keiner.



    In Regierungsverantwortung könnte die AfD einmal zeigen, was sie wirklich kann. Versagt sie dabei, würde sie der Wähler von ganz allein "in die Wüste" schicken.



    Die Demokratie würde davon auch nicht unter gehen - es gibt in unserem System genügend demokratische Regeln, die auch eine AfD nicht aushebeln kann - schon gar nicht, wenn sie "nur" auf Länderebene aggiert und dabei obendrein auf einen Koalitionpartner angewiesen ist.



    Zudem ist unbedingt Folgendes zu bedenken:



    Würde man jetzt aus CDU, Linker, SPD und Grünen eine Regierung gegen die AfD bilden, käme der AfD die Rolle der einzigen ersthaften Opossitionspartei im thüringer Landtag zu. Viele, die aus irgend welchen Gründen mit der Regierung oder deren Arbeit unzufrieden sind, würden sich dann schon mangels Alternativen der AfD zuwenden. Damit läuft man gefahr, daß die AfD bei der nächsten Wahl nicht nur stärkste Kraft wird, sondern sogar die parlamentarische Mehrheit erringt. Dann hätte man mit der Ausgrenzung dr AfD erfolgreich genau das Gegenteil von dem erreicht, was man erreichen wollte.



    Und das kann ja wohl nicht Sinn der Sache sein ...

  • Mir fällt auf, dass sowohl von CDU als auch von FDP der Verlust der bisherigen Mehrheit als der positive Aspekt des Wahlergebnisses bezeichnet wurde. Diese rein negative Argumentation stößt mich ab, denn auch wenn das legitime Streben der Parteien, eigene Mehrheiten zu erringen, notwendig gegen andere Parteien und deren Mehrheitsstreben gerichtet ist, kann es nicht positiv sein, wenn ein Ertgebnis herauskommt, dass gar keine gewollte Mehrheit ermöglicht. Ehrlich und fair wäre es aus meiner Sicht, den Fortbestand einer zwar ungeliebten Regierung, die aber immerhin (ohne ideologische Scheuklappen) keine katastrophalen Zustände verursacht hat, für besser zu halten, als das gestrige Ergebnis. Das würde auch das Nachdenken darüber erleichtern, wie mit dem ungeliebten Ergebnis umzugehen ist, und wo die Kompromisslinien bei der Duldung einer Minderheitregierung liegen könnten und was sich mit Argumenten auch im "anderen Lager" durchsetzen lässt.



    Die Verantwortung gegenüber dem Land sollte über Parteiräson gehen. Die Bedrohung durch den Faschismus Bernd Höckes ist so groß, dass es fahrlässig ist, die gegenwärtige Linkspartei wegen ihrer wahrlich üblen Vergangenheit als SED damit gleichzusetzen. Die Parteien, die sich links nennen, bei denen das aus meiner Sicht möglich (z.B. MLPD mit ihrer Forderung nach einer Rehabilitation Stalins) wäre, spielen zum Glück keine Rolle.