Nach der Atomeinigung von Lausanne: Die Krux mit den Iran-Sanktionen

Im Sommer soll es zu einem Atom-Abkommen kommen. Irans Präsident fordert, dass beim Abschluss alle Sanktionen aufgehoben werden – sofort.

Stellt Bedingungen: Hassan Ruhani Bild: reuters

GENF taz | Der iranische Präsident Hassan Ruhani hat die Unterzeichnung eines endgültigen, bis zum 30. Juni angestrebten Abkommens über Teherans Nuklearprogramm von einem gleichzeitigen Ende der gegen sein Land verhängten Sanktionen abhängig gemacht. „Wir werden keine Vereinbarung unterzeichnen, wenn nicht am selben Tag alle Sanktionen aufgehoben werden“, erklärte Ruhani am Donnerstag in einer vom Fernsehen übertragenen Rede.

Hingegen hatte US-Außenminister John Kerry nach der in Lausanne zwischen Iran und der Ländergruppe 5 + 1 (UN-Vetomächte plus Deutschland) erzielten Vereinbarung über die Eckpunkte eines künftigen Abkommens erklärt, die Sanktionen würden „Schritt für Schritt“ aufgehoben, jeweils abhängig von den Maßnahmen Teherans zur Umsetzung der Vertragsverpflichtungen.

Die fünfseitige Eckpunkte-Vereinbarung von Lausanne, die auf Englisch und auf Farsi wortgleich ist, lässt beide Interpretationen zu. Danach sollen die Sanktionen, die seit 2008 vom UN-Sicherheitsrat sowie bilateral von den USA und der EU im Streit um Teherans Nuklearprogramm verhängt wurden, „aufgehoben“ beziehungsweise „suspendiert“ werden, nachdem die Internationale Atomenergieagentur IAEA bestätigt hat, dass Iran alle in den Eckpunkten vereinbarten nuklear-relevanten Verpflichtungen umgesetzt hat.

Dazu gehören der Abbau der betriebsbereiten Zentrifugen von derzeit über 19.000 auf 6.100, die Einlagerung der abgebauten Zentrifugen in Depots unter ständiger IAEA-Kontrolle, der Export von 97 Prozent der existierenden Vorräte von 10.000 Tonnen schwach angereicherten Urans ins Ausland und die Zerstörung oder der Auslandsexport aller Teile des in Bau befindlichen Druckröhrenreaktors in Arak, mit denen sich waffenfähiges Plutonium herstellen ließe.

Erstmals hat sich auch Ajatollah Ali Chamenei in die Diskussion um ein endgültiges Atomabkommen eingeschaltet. Irans oberster geistlicher und politischer Anführer, der in strategischen Fragen das letzte Wort hat, warnte vor zu großen Hoffnungen.

Die Vereinbarungen von Lausanne dürften nicht überschätzt werden, sagte Chamenei am Donnerstag. Der Teufel stecke im Detail. Diese Details könnten von den anderen Staaten genutzt werden, um dem Iran Fesseln anzulegen. Aufgrund seiner bisherigen Erfahrungen sei er nicht optimistisch, was Verhandlungen mit den USA betreffe. Ein US-Dokument zu den Gesprächen von Lausanne belege die bösen Absichten der USA. Entscheidend sei, dass die Würde des Iran gewahrt bleibe, betonte Chamenei. Es sei daher besser, keine Vereinbarung abzuschließen als eine schlechte.

Chamenei formulierte zugleich die Bedingungen für seine Zustimmung zu einem Abkommen: Die Errungenschaften des Iran in der Atomtechnik müssten erhalten bleiben. Zugleich lehnte er eine stufenweise Aufhebung der Sanktionen ab. Sie müssten am Tag der Unterzeichnung beendet werden. Der Ajatollah lehnte auch die Überwachung von Militäreinrichtungen unter dem Vorwand der Atomkontrolle ab und bekräftigte, dass der Iran nicht nach Atomwaffen strebe. Wenn bei den weiteren Verhandlungen der Termin 30. Juni nicht eingehalten werde, sei dies nicht das Ende der Welt. (rtr/taz)

Mehrere Monate für die Umsetzung

Kerry schätzte den Zeitbedarf für die Umsetzung aller iranischen Vertragsverpflichtungen und ihre Zertifizierung durch die IAEA auf mindestens vier bis acht Monate. Theoretisch könnte Iran natürlich bereits vor der Unterzeichnung eines Abkommens mit der Umsetzung seiner Verpflichtungen beginnen und damit den Zeitraum für die Zertifizierung und für die Aufhebung bzw. Suspendierung der Sanktionen im besten Fall auf wenige Tage nach der Vertragsunterzeichnung begrenzen.

Der Direktor des US-Geheimdienstes CIA wies Kritik an der Vereinbarung von Lausanne mit scharfen Worten zurück. „Diejenigen, die sagen, dass diese Vereinbarung dem Iran den Weg zu einer Bombe bereitet, sind aus meiner Sicht vollkommen unaufrichtig, wenn sie die Fakten kennen und verstehen, was für ein [Atom-]Programm benötigt wird“, erklärte Tom Brennan am Dienstag bei einer Veranstaltung an der Uni Harvard. Einen solchen Vorwurf hatten Israels Premierminister Benjamin Netanjahu, Republikaner im US-Kongress sowie im deutschsprachigen Raum die Kampagne „Stop the bomb“ erhoben.

Der CIA-Chef, der sich früher meist skeptisch gegenüber Nukleargesprächen gezeigt hatte, wies auch alle anderen Behauptungen der Kritiker der Lausanner Vereinbarung als falsch zurück. So beinhalte die Einigung mit Teheran nicht nur einen Stopp der Anreicherung von Uran und Plutonium, sondern auch sehr strenge Inspektionen der iranischen Atomanlagen, sagte Brennan. „Ich bin ganz sicher angenehm überrascht, dass die Iraner so vielem zugestimmt haben.“ Dies betreffe auch die Verringerung der Zahl ihrer Zentrifugen und ihres radioaktiven Materials. „Niemand hätte am Anfang je gedacht, dass sie das tun würden“, fügte Brennan hinzu. Ein solideres Abkommen habe nicht erzielt werden können.

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