Nach dem Putsch in Thailand: Militärgegner spielen Katz und Maus
Erneut protestieren Kritiker der neuen Militärregierung in Bangkok. Das thailändische Militär geht systematisch gegen sie vor.

BANGKOK taz | „Achtung, wegen Überfüllung halten wir heute an bestimmten Stationen nicht“, plärrte es in Thai und Englisch aus den Lautsprechern der Bangkoker Hochbahn. Doch die Passagiere schüttelten darüber nur den Kopf.
Denn der Skytrain, der an diesem Sonntag nur eine überschaubare Zahl von Fahrgästen hatte, ließ einige Stationen deswegen links liegen, weil Putschgegner dort Proteste angekündigt hatten. Militär und Polizei hatten ganze Straßenzüge abgeriegelt und entsprechend Stellung bezogen. Auch an mehreren Abschnitten des „Skywalks“, der mehrere Hochbahn-Stationen verbindet, waren Soldaten aufmarschiert.
Doch die Putschgegner ließen sich nicht abschrecken. Einer posierte demonstrativ vor der Presse. „100 Prozent Demokratie“ forderte er und verwies auf den Spruch auf seinem T-Shirt. Auch anderswo trotzten Demonstranten dem Versammlungsverbot.
So hielten um die 100 Protestler eine Kundgebung vor einem Einkaufszentrum ab, wo zunächst weder Militär noch Polizei in Sicht waren. „Keinen Putsch und „Wir wollen Demokratie!“, skandierten die Putschgegner, die auf ein Katz-und-Maus-Spiel aus waren. Als die Sicherheitskräfte schließlich doch dort auftauchten, wurde der Shopping-Komplex geschlossen.
Aufgerufen zu den Protesten hatte der bekannte Aktivist Sombat Boonngammanong. Er hatte bereits gegen den Putsch, der 2006 den damaligen Premier Thaksin Shinawatra entmachtete, protestiert. Einer Vorladung der Junta hatte sich Sombat mit den Worten entzogen: „Fangt mich doch, wenn ihr könnt!“
Militärgericht für Putschkritiker
Seit sich das Militär unter Armeechef Prayuth Chan-ocha am 22. Mai an die Macht geputscht hat, sind Hunderte, manchmal gar tausend Menschen auf die Straßen gegangen. Gleichzeitig hat die Junta ihren eisernen Griff verschärft: Etliche Medien werden zensiert oder blockiert. Hinzu kommt, dass nach Auflösung des Senats alle legislative Gewalt in Händen der Armee liegt. Diese erklärte, ein Militärgericht werde künftig alle Fälle ahnden, bei denen es um Verstöße gegen die nationale Sicherheit, Kritik am Putsch oder um Beleidigung des Königshauses gehe.
Insbesondere richten sich die Repressalien gegen alle, die den neuen Machthabern und damit auch dem ultrakonservativen, königstreuen Establishment ein Dorn im Auge sind. Dazu zählen führende Politiker der gestürzten Regierung sowie deren Anhänger, die Rothemden.
Im Visier sind aber auch Akademiker, Aktivisten und Journalisten, die als Kritiker des Putsches gelten. Einige Beobachter beschreiben vor allem die Lage im Norden und Nordosten, den Hochburgen der Rothemden, als eklatant: Dort würden Vorladungen oder Haftbefehle gar nicht erst ausgestellt, sondern politische Gegner gleich festgenommen.
Indes hat Prayuth angekündigt, dass Neuwahlen frühestens in 15 Monaten stattfinden würden – und auch nur unter bestimmten Bedingungen. Kritiker monieren, es ginge dem Militär nur darum, das Wahlsystem derart zu manipulieren, dass der demokratische Spielraum langfristig eingeschränkt wird.
So wollten die alten Eliten, inklusive der Hardliner im Militär, ihre Macht zementieren. Dazu passt, dass Prayuth sich mit Prawit Wongsuwan und Anupong Paochinda zwei ihm eng verbundene Generäle als Berater an die Seite holte. Letztere gelten als Schwergewichte im militärischen Establishment, die nicht nur als eiserne Monarchisten, sondern auch als Gegner aller Parteien um Expremier Thaksin Shinawatra bekannt sind.
Zudem gehören Armeechef Prayuth, dessen Vorgänger Anupong sowie Prawit jener Clique im Militär an, die als „Tiger des Ostens“ bezeichnet wird und darauf bedacht war, ihre Macht in den Armeehierarchien zu festigen.
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