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Nach dem Koalitionskrach in BerlinCDU spendet keinen Trost

Landeschef Henkel wünscht dem angeschlagenen Justizsenator Thomas Heilmann, dass er aus seiner Krise wieder raus kommt - Hilfe bietet er ihm aber nicht an.

Ein bisschen Entspannung kann Berlins Justizsenator Heilmann gut gebrauchen. Bild: dpa

„Mit Gott an uns‘rer Seite/Jesus in einem Boot/einer ging leider baden/doch wir warfen ihn noch rechtzeitig über Bord.“ Die Berliner CDU ist noch nicht so weit, wie Herbert Grönemeyer in den 80ern über die Christdemokraten besungen hat. Aber es muss Thomas Heilmann zu denken gegeben haben, wie seine Partei zum Wochenende mit ihm umgeht, ihrem Justizsenator.

Frank Henkel, sein Landesvorsitzender, steht beim Parteitag am Rednerpult, redet lange und abnehmend interessant über die echten und vermeintlichen Erfolge der CDU und wie sie mit ihrem Projekt Vision 21 alles noch viel besser machen will. Man möge ihm ein Wort zum „Kollegen Heilmann“ gestatten, schiebt Henkel irgendwann ein. „Lieber Thomas, Du durchlebst gerade stürmische Zeiten. Wir wünschen Dir alle, dass Du aus dieser Krise wieder raus kommst.“ Jetzt müsste eigentlich ein Satz hinterher kommen wie: „Wir werden Dir dabei helfen, wir stehen hinter Dir, Du kannst Dich auf uns verlassen.“ Aber so ein Satz kommt nicht.

„Mein Problem ist nicht meine Partei“, beteuert Heilmann zwar später vor Journalisten. Doch der Eindruck bleibt, dass die Berliner CDU ihn – der bei Henkels Rede wegen eines privaten Termins noch gar nicht im Saal ist und erst später zum Parteitag kommt – gerade spüren lässt, dass er eigentlich keiner von ihnen ist. Er hat ihr viel geholfen, er hat ab 2009 als einer der Vize-Parteichefs die Wahlkampfstrategie entwickelt, die offene Programmdiskussion verantwortet; er verschafft ihr auch mit eloquenten Auftritten gute Presse. Aber er hat eben auch seinen eigenen Kopf. Heilmann ist in seinem bisher 49-jährigen Leben wenig sozialisiert von Ortsverband, Kreisdelegiertenkonferenzen oder Bezirksverordnetenversammlung, er ist dank seines Vorlebens als erfolgreicher Unternehmer unabhängig genug, sich quer stellen zu können.

Darin ähnelt er Ulrich Nußbaum, dem Parteilosen, den die SPD-Basis seit fünf Jahren als Finanzsenator toleriert, der Mann, mit dem sich Heilmann in den Tagen vor dem Parteitag politisch duelliert hat. Auch Nußbaum ist einer, der den Regierungsposten nicht für seine private Rentenvorsorge braucht. Die Auseinandersetzung zwischen den beiden Senatoren, die auf der Kritik der CDU am Konzessionsverfahren fürs Gasnetz gründete und in eine Unterlassungsforderung von Heilmann an Nußbaum mündete, sie lässt den Justizsenator als Verlierer zurück. Nach einem Krisentreffen unter Leitung von Regierungschef Klaus Wowereit (SPD) hat er seine Forderung nicht nur zurücknehmen, sondern auch noch bedauern müssen, dass er sie erhoben hat. Eine Gegenleistung vom Finanzsenator gab es nicht. Sich so düpieren zu lassen, überrascht erstmal bei einem so erfolgsgewohnten Mann. Doch er wäre nicht da, wo er jetzt ist, wenn er empört die Brocken hinwerfen würde. Man trifft sich immer zweimal, das gilt auch in der Politik, und das weiß auch Heilmann.

„Was für eine Woche“, stöhnt nicht nur ein CDU-Parlamentarier beim Parteitag im Gasometer in Schöneberg. Vor Beginn mühte sich Fraktionschef Florian Graf, die Dinge runter zu reden: Bald sei Sommerpause, da werde sich schon alles etwas beruhigen. „Aber da müssen wir erstmal hinkommen, das ist ja noch eine Woche hin“, ist später von einem seiner Fraktionäre zu hören.

Tatsächlich trennt die Koalition noch eine Hauptausschuss- und eine Plenarsitzung von zweieinhalb Monaten Parlamentsferien. Die Opposition wird alles versuchen, in diesen letzten Sitzungen den Keil tiefer zwischen SPD und CDU zu stoßen. Und auch nach der Sommerpause dürften sich SPD und CDU kaum wieder so einig präsentieren, wie sie es noch 2013 taten, als Florian Graf und sein SPD-Fraktionschefkollege Raed Saleh gemeinsam zu Pressegesprächen einluden und unzertrennlich schienen. Wenn es eine Doppelspitze im Parlament gebe, die erfolgreich arbeite, dann seien das Saleh und er, formulierte Graf damals. Das ist von ihm schon länger nicht mehr zu hören.

Statt eine Rückkehr dieser Zeiten zu beschwören, attackieren Parteichef Henkel und sein Generalsekretär Kai Wegner auf dem Parteitag die Sozialdemokraten. „So ist das bei der SPD: viele Köpfe, aber keiner weiß, wer die Führung hat“, sagt Wegner. Und sieht die CDU nach der nächsten Abgeordnetenhauswahl nicht nur als stärkste Kraft, sondern mit Frank Henkel auf dem Posten des Regierungschefs. Der erste Teil ist durchaus in Reichweite – in der jüngsten Meinungsumfrage liegt die CDU mit 26 Prozent weit vor der SPD mit nur 21. Aber Klartext zu reden, mit welchem Partner die CDU Henkel zum Regierenden machen will, darum drückt sich Wegner. Sonst müsste er ja auch einräumen, dass selbst eine derzeit so schwache SPD immer noch mit Rot-Rot-Grün selbst Chef einer Koalition bleiben würde.

Aber ein Parteitag kurz vor den Ferien ist nicht der Ort für schonungslose Analysen in die eigene Richtung. Viel besser kommt da Henkel‘sche Polit-Lyrik an. Die SPD, formuliert der Parteichef, sei eine „Partei, die im Spätherbst ihrer Macht steht“. Es sind Sätze wie diese, die die Parteitagsdelegierten gern hören. Es ist auch eine Kampfansage. Und doch werden Henkel und die drei anderen CDU-Regierungsmitglieder am Dienstag wieder mit ihren fünf SPD-Kollegen in der wöchentlichen Senatssitzung hocken, sich die Hände schütteln und erstmal gemeinsam weiter machen - mit Heilmann an Bord. In Grönemeyers CDU-Lied findet sich auch dazu eine Zeile: „Wir wahren unser Pokerface/nach guter alter Manier/Gefühle sind Luxus/weil wir hart sind/sind wir hier.“ Stefan Alberti

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