Nach Wahlbetrug: Maduro und González ringen um Venezuela
Am Freitag will sich Venezuelas Amtsinhaber Maduro erneut als Präsident vereidigen lassen. Das will aber auch der Oppositionskandidat González
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Begleiten wollen ihn neun lateinamerikanische konservative Ex-Präsidenten, darunter der ehemalige kolumbianische Staatschef Andrés Pastrana. Seit Montag tourte González durch Lateinamerika und machte auch einen Abstecher ins Weiße Haus, wo ihm der scheidende US-Präsident Joe Biden seine Unterstützung zusicherte.
Ob González in Venezuela ankommt, ist ungewiss. Das Regime hat auf ihn ein Kopfgeld von 100.000 Dollar ausgesetzt, einen Haftbefehl gibt es schon länger. Innenminister Diosdado Cabello betont, dass Fluglinien, die ihn und seinen Ex-Präsidenten-Anhang transportieren, Sanktionen erwarten. Und dass Venezuela Flugzeuge „neutralisieren“ werde, die den Luftraum verletzten.
Am 28. Juli vergangenen Jahres hatte sich Nicolás Maduro zum Wahlsieger erklären lassen. Vorausgegangen war, was Carolina Jiménez, die Präsidentin des Washingtoner Büros für Lateinamerika (Wola), dieses als „den größten Wahlbetrug des 21. Jahrhunderts in Lateinamerika“ bezeichnete. Die Opposition hat Edmundo González zum deutlichen Sieger erklärt. Als Beweis stellte sie die Protokolle von 85 Prozent der Wahllokale ins Internet. Die Regierung ist bis heute den internationalen Rufen nach Transparenz nicht nachgekommen.
Militär und Polizei auf den Straßen
In den Tagen vor der Amtseinführung hat die Repression zugenommen. Militär und Polizei patrouillieren schwer bewaffnet auf den Straßen – sogar in Gegenden, wo sie sonst nicht präsent sind, sagt Lissette González. Sie ist Forschungskoordinatorin der Menschenrechtsorganisation Provea. Sie wohnt außerhalb der Hauptstadt Caracas und hat am Tag des Telefonats mit der tazdas Haus noch nicht verlassen. Das Büro von Provea ist geschlossen, zur Sicherheit. Am Vorabend hatten Vermummte Carlos Correa verschleppt, den Direktor der Partnerorganisation Espacio Público, die sich für Meinungsfreiheit einsetzt.
„Es herrscht ein Klima der Angst“, sagt Lissette González. Führende Oppositionspolitiker wurden festgenommen, zum Teil auf offener Straße entführt. Am Dienstag traf es den Schwiegersohn von Edmundo González, am Mittwoch den ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Enrique Márquez.
„Die Behörden wollen um jeden Preis vermeiden, dass die Vereidigung am Freitag behindert wird“, sagt Lissette Gonzalez. Zum ersten Mal soll es keine Live-Übertragung von der Amtseinführung geben, nicht einmal im Parlamentsfernsehen – wohl, um unschöne Bilder zu vermeiden. Ein Zeichen der Schwäche sei das jedoch nicht, betont González.
Das Maduro-Regime hat den kompletten Staatsapparat unter Kontrolle, Parlament, Justiz und Armee und verfügt zudem über paramilitärische Milizen. Die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte veröffentlichte kurz vor der Amtseinführung einen Bericht über die schweren Menschenrechtsverletzungen im Wahlkontext. Sie gehört zur Organisation Amerikanischer Staaten, die González als Wahlsieger anerkannt hat. Nach der Wahl wurden rund 2.400 Menschen willkürlich festgenommen, mindestens 25 getötet. Die Kommission spricht von Folter und Verfolgung von Oppositionellen.
Oppositionsführerin will auftreten
Milizen der Regierung verteilten wenige Tage vor der Amtseinführung Waffen an Maduro-Anhänger:innen. Für Donnerstag hatte die Opposition zu Protestmärschen aufgerufen. Die charismatische Oppositionsführerin María Corina Machado hatte angekündigt, zum ersten Mal seit August aufzutreten. Sie hält sich aus Angst vor einer Festnahme seit Monaten versteckt und schickt Durchhalteparolen über die sozialen Medien.
Innenminister und Ex-Militär Cabello warnte vor der Teilnahme an Demonstrationen der Opposition. Wer sich daran beteilige, werde dies „für den Rest seines Lebens“ bereuen.
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