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Nach Wahl von rechtem PräsidentenPolnischer Premier Tusk will Vertrauensfrage stellen

Die Regierung hatte gehofft, mit einem liberalen Präsidenten ihr Programm leichter durchsetzen zu können. Der Sieg von Karol Nawrocki erschwert das.

Polnischer Premier Tusk: Der knappe Sieg des Konservativen Karol Nawrocki hat seine Regierung politisch geschwächt Foto: Czarek Sokolowski/AP/dpa

Warschau ap | Der polnische Regierungschef Donald Tusk hat nach der Niederlage des von den Regierungsparteien unterstützten Präsidentschaftskandidaten Rafal Trzaskowski bei der Wahl am Sonntag eine Vertrauensabstimmung im Parlament angekündigt. Die Regierung habe noch viel Arbeit vor sich, sagte Tusk in einem am Montag im Internet veröffentlichten Video. Die erste Prüfung sei die Vertrauensfrage, die er „in naher Zukunft“ stellen werde. Ein Datum nannte er nicht.

Der knappe Sieg des Konservativen Karol Nawrocki hat Tusks Regierungsbündnis politisch geschwächt, und es stellt sich die Frage, ob seine Koalition bis zum Ende ihrer Amtszeit Ende 2027 überleben kann. Nawrocki trat als Kandidat der rechtskonservativen Partei PiS an und erhielt in der Stichwahl 50,89 Prozent der Stimmen. Der EU-Skeptiker inszenierte sich als Verteidiger traditioneller polnischer Werte und suchte die Nähe zu Konservativen in den USA, darunter Präsident Donald Trump.

Der neue Präsident wird jetzt maßgeblichen Einfluss darauf haben, ob die Regierung von Tusk ihre Agenda durchsetzen kann. Das Mitte-links-Bündnis verfügt im Parlament nicht über genügend Stimmen, um ein Veto des Präsidenten gegen Gesetzesvorhaben zu überstimmen. Sollte die Regierung die Vertrauensabstimmung überstehen, würde dies zeigen, dass sie immer noch ein Mandat zum Regieren hat.

Tusk sagte, er sei zur Zusammenarbeit mit Nawrocki bereit, falls dieser dazu bereit sei. „Ich möchte, dass jeder – auch unsere Gegner im In- und Ausland – sieht, dass wir für diese Situation bereit sind und den Ernst der Lage verstehen“, sagte Tusk.

Das politische Tagesgeschäft führt in Polen zwar der vom Parlament gewählte Regierungschef. Doch der Präsident hat unter anderem Befugnisse in der Außenpolitik und ein Vetorecht. Mit dessen Hilfe kann er es Tusk sehr schwer machen, dessen pro-europäische Politik durchzusetzen.

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2 Kommentare

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  • Wäre auch zu schön gewesen, wenn in Polen der Kampf gegen den Faschismus ein weiteres Mal Erfolg gehabt hätte.



    Doch leider verfängt der Lug und Trug der Faschisten in den unteren und weniger gebildeten Schichten der Bevölkerung zu schnell, wenn eine demokratische, pro europäisch ausgerichtete Regierung nicht "abrakadabra" Wunder vollbringt.



    Dass die aktuelle Misere von denen verursacht wurde denen die Wähler:Innen gerade einmal wieder mehrheitlich die Hand gereicht haben, interessiert dabei nicht. Hauptsache Frust ablassen.



    Dass es alsbald noch weiter bergab geht, sollte die faschistoide PiS nochmals an die Macht kommen, hat offensichtlich die Mehrheit nicht verstanden.

    Aber schieben wir die Schuld nicht allein den Polen in die Schuhe. Auch unser Bundeskanzler hat in diesem Wahlkampf keine besonders gute Figur gemacht. Dass die Flüchtlingsfrage in Polen eine besondere Rolle spielt, hätte er wissen müssen und doch brüskierte er die Polen zur Unzeit. Sein Fingerspitzengefühl ist, sagen wir mal, sauerländisch.

  • Selbst wenn Hr. Tusk die Vertrauensfrage gewinnt, dürft er die entscheidenden Schritte zur Wiederherstellung einer vollständigen polnischen Demokratie nicht mehr gehen können. Der Präsident wird alle dementsprechenden Gesetzesvorhaben blockieren, ebenso ggf. das PiS-dominierte Verfassungsgericht.



    Es ist sehr tragisch, dass jetzt, wo es auch wieder regelmäßige Gesprächsformate auf europäischer Spitzenebene gibt (GB, F, D, PL), Polen de facto ausfallen wird.



    Darüber hinaus stand ich der EU-Erweiterung Richtung Osten ohnehin skeptisch gegenüber. Die Institutionen sind dafür nicht ausgelegt gewesen. Jede EU-feindliche Regierung (die fast alle aus dem östlichen Europa kommen) kann die Institutionen weitgehend lahmlegen. Und wenn als einziger Weg der Sanktion (immer nach immer nach langem Hin und Her) nur eine Sperrung der Gelder bleibt, wirkt das hilflos.



    Und last, not least: Zwischen der BW-Brigade im Baltikum und Ditschl. liegt nun das Territorium des unsicheren Kantonisten Polen.



    Wenn die Überschrift "Polnischer Premier Tusk will Vertrauensfrage stellen" lautet, sollte auf dem Foto darunter auch Hr. Tusk zu sehen sein. Nennt man wohl "Text-Bild-Schere".