Nach Volksentscheid: Wasser wird durchsichtig
Nach dem Erfolg des Volksentscheids will der Senat Transparenz zeigen. Doch seine Mitglieder sind uneins darüber, was genau veröffentlicht werden soll.
Die erste Offenlegung der geheimen Wasserverträge durch die taz und anschließend durch den Senat brauchte Jahre. Nach dem erfolgreichen Volksentscheid vom Sonntag dauerte es hingegen nur einen Tag, bis Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) erklärte, weitere Verträge zur Teilprivatisierung der Wasserbetriebe öffentlich zu machen. "Wenn es dem Rechtsfrieden dient, sollen die auch veröffentlicht werden, sofern es rechtlich möglich ist", sagte Wowereit. Der Senat werde auf seiner Sitzung am heutigen Dienstag darüber beraten.
Am Sonntag hatten beim Volksentscheid 98 Prozent der Teilnehmer für die Offenlegung der Verträge zum Teilverkauf der Wasserbetriebe gestimmt. Da auch das Quorum von 616.571 Ja-Stimmen erfüllt wurde, war es der erste erfolgreiche Volksentscheid in Berlin.
Der Regierende Bürgemeister will nun einen unabhängigen Prüfer mit der Sichtung der noch nicht veröffentlichten Dokumente beauftragen. "Ich bin gerne bereit, wenn noch weitere Vorwürfe im Raum stehen, es sei noch nicht alles veröffentlicht, jemand Unabhängigen daran zu setzen, der das alles einmal nachvollzieht", sagte Wowereit. Auch der Landeschef der Linkspartei, Klaus Lederer, will von unabhängiger Seite klären lassen, was eventuell noch veröffentlicht werden muss.
Die rot-rote Koalition beteuert zwar, dass sie sich inhaltlich dem Volksentscheid beugen will. Doch einige ihrer Akteure denken darüber nach, ob man formal vor dem Verfassungsgerichtshof gegen das Gesetz klagen sollte. Der Parteivorsitzende Klaus Lederer teilte am Montag mit: "Senat und Abgeordnetenhaus haben vor dem Volksentscheid mit der teilweisen Verfassungswidrigkeit argumentiert. Sie sind es den Berlinerinnen und Berlinern nun auch schuldig, diese Überprüfung durchzuführen." Die rot-rote Koalition hat große Bedenken gegen Paragraf 4 des Gesetzes: Ihm zufolge sind Verträge, die nicht veröffentlicht werden, unwirksam. Die Koalition argumentierte, dass man Verträge nicht rückwirkend per Gesetz aufheben kann.
Das von den Bürgern beschlossene Gesetz kann vor dem Verfassungsgericht angefochten werden, wenn dies entweder der Senat oder ein Viertel der Abgeordneten beantragt. Die Linksfraktion wird am Dienstag über die Frage beraten, sagte eine Sprecherin. Es bräuchte aber noch eine weitere Fraktion, damit das notwendige Quorum erreicht wird. Bei der SPD ist die Frage noch offen, sagte Fraktionssprecher Thorsten Metter.
Auch der Senat hat sich noch nicht festgelegt. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) rät von einer Klage ab: "Ich neige dazu, nicht den Verfassungsgerichtshof anzurufen, weil ich das Gesetz für überflüssig halte, weil die Veröffentlichung der Verträge bereits erfolgt ist", sagte er am Montag im Innenausschuss.
Auch RWE und Veolia könnten gegen das Gesetz klagen. Sie dürfen sich allerdings nicht direkt an das Verfassungsgericht wenden, sondern müssen durch die Instanzen. Am Montag war kein Unternehmenssprecher für eine Stellungnahme erreichbar.
Bevor gegen das Gesetz geklagt werden kann, muss es erst in Kraft treten. Die Wahlleiterin hat 20 Tage Zeit, das amtliche Endergebnis zu verkünden. Der Präsident des Abgeordnetenhauses fertigt das Gesetz dann aus, was in der Regel eine Woche dauert. Eine inhaltliche Überprüfung des Gesetzes auf seine Übereinstimmung mit der Verfassung gibt es dabei nicht. Danach veröffentlicht der Regierende Bürgermeister das Gesetz im Amtsblatt - und einen Tag später tritt es in Kraft. S. HEISER
Eine Überprüfung kündigte auch Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) im Wirtschaftsausschuss des Abgeordnetenhauses an: Eine "unabhängige Person, zum Beispiel ein Verfassungsrichter" könne sich die Unterlagen anschauen und bestätigen, dass das Geforderte veröffentlicht wurde. Darüber hinaus äußerte sich Wolf zu Verhandlungen über einen Rückkauf mit Anteilseigner RWE. Die Bereitschaft von RWE sei da, so Wolf, nun hänge es am Preis. Finanziert werden solle ein Rückkauf über Kredite, derzeit lägen die Zinsen niedrig. Durch einen Kauf werde aber das derzeitige Unternehmsmodell "in Frage gestellt". Es müsse eine "neue vertragliche Ebene" mit dem zweiten Anteilseigner Veolia gefunden werden. "Wir werden sehen, wo von Seite des Senats Maßnahmen ergriffen werden können, um den Druck zu erhöhen." Man werde nicht wieder einer "überhöhte Monopolrendite" zustimmen.
Die Fraktionen im Ausschuss bewerteten den Volksentscheid erstaunlich geschlossen. Unisono wurde das Ergebnis begrüßt und als Stärkung der eigenen Position, die man schon lange vertrete, aufgefasst. Nur über konkrete Folgen gingen die Meinungen auseinander. Ein Ende der Anschluss- und Benutzungspflicht? Noch mehr veröffentlichte Verträge? Ein kompletten Rückkauf, so die Privaten mitspielen? Oder eine Übernahme der RWE-Anteile durch Veolia? Die Grünen forderten den Senat auf, zu erklären, was man denn anders machen wolle, wenn wieder mehr Anteile der Wasserbetriebe der Stadt gehören. "Eigentümer zu sein ist das eine, was man damit machen will ist das andere", fand auch Heiko Melzer (CDU). Wolf machte hier vor allem Andeutungen. Neben niedrigeren Wasserpreisen wünsche er sich "ein anderes Regime". Denn die unternehmerische Führung habe man an die privaten Anteilseigner übertragen.
Im Gegensatz zu Wowereit sprach sich Wolf dagegen aus, Verträge, die nicht zwischen dem Land und den Privaten geschlossen wurden, zu veröffentlichen. "Dann werden die Leute zugeschüttet mit einem Wust von Akten, die keinerlei Relevanz haben." Auch bei den Verhandlungen mit RWE werde nicht "jeder Verhandlungsschritt offen gelegt", da sonst die Position des Senats geschwächt würde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Nachhaltige Elektronik
Ein blauer Engel für die faire Maus
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
James Bond
Schluss mit Empfindsamkeit und Selbstzweifeln!
Bodycams bei Polizei und Feuerwehr
Ungeliebte Spielzeuge