Nach Urteil zu Rechtsstaatsmechanismus: EU-Kommission zögert noch
Auf einen Zeitpunkt für mögliche Budgetkürzungen will sich Brüssel bisher nicht festlegen. Sehr zum Ärger der EU-Abgeordneten, die auf Tempo pochen.
Zunächst will die Brüsseler Behörde das Urteil eingehend prüfen. Danach sollen „Leitlinien“ für die Kürzung von EU-Geldern erarbeitet werden. Erst danach könne man an die Umsetzung des Urteils gehen und Länder mit Rechtsstaatsverstößen förmlich „notifizieren“, so die Sprecherin. Damit teilt Brüssel den betroffenen Staaten offiziell mit, dass man davon ausgeht, dass es dort Verstöße gegen Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit gibt. Die betroffenen Länder können dann auch noch Widerspruch einlegen.
Vor den Wahlen in Ungarn im April sei nicht mit einer Entscheidung zu rechnen, sagte die Europaabgeordnete Katarina Barley (SPD). Das Verfahren werde mindestens fünf Monate dauern, vielleicht sogar neun. Die „Hinhaltetaktik“ der EU-Kommission sei aber nicht hinnehmbar, so die frühere Bundesjustizministerin. Sie verstoße gegen geltendes Recht.
Das Europaparlament hatte im Herbst eine Untätigkeitsklage eingereicht, um Brüssel zum Handeln zu zwingen. Nach Auffassung des Parlaments hätte von der Leyen sofort nach Inkrafttreten des Rechtsstaatsmechanismus Anfang 2021 aktiv werden müssen. Die Klage werde erst zurückgezogen, wenn ein EU-Land förmlich notifiziert werde, sagte der grüne Abgeordnete Sergej Lagodinsky.
Harsche Kritik aus Ungarn und Polen
Einige Parlamentarier, wie der Grüne Daniel Freund oder der FDP-Politiker Moritz Körner, gehen noch weiter. Sie wollen der EU-Kommission das Geld kürzen – solange, bis diese Ungarn und Polen die Finanzmittel zusammenstreicht. Man könne die Haushaltsentlastung verweigern oder einzelne Budgetlinien einfrieren, so Freund.
Prügel bezieht die Brüsseler Behörde auch aus Ungarn und Polen. Die EU wandele sich von einem Raum der Freiheit zu einem Verbund, in dem man rechtswidrig Gewalt anwenden könne, um den Mitgliedsstaaten die Freiheit zu nehmen, sagte der polnische Justizminister Zbigniew Ziobro in Warschau. „Die Entscheidung ist ein lebendiger Beweis dafür, wie Brüssel seine Macht missbraucht“, schrieb Ungarns Justizministerin Judit Varga auf dem Kurznachrichtendienst Twitter.
Ungarn und Polen haben damit gedroht, die EU lahmzulegen, falls es tatsächlich zu Budgetkürzungen kommen sollte. Budapest und Warschau könnten bei wichtigen, einstimmigen Entscheidungen im Ministerrat ihr Veto einlegen. Die EU wäre dann blockiert. Beobachter in Brüssel vermuten, dass von der Leyen auch deswegen zögert.
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