Nach Tunesien abgeschobener Islamist: Rückholfrist von Sami A. läuft ab
Der Ausländerbehörde Bochum drohen 10.000 Euro Strafe. Nach tunesischen Angaben ist noch kein Ersuchen auf Rücküberstellung eingegangen.
Am Dienstag läuft eine Frist ab, die das Verwaltungsgericht (VG) Gelsenkirchen der Ausländerbehörde Bochum gesetzt hat. Wenn die Behörde den abgeschobenen Islamisten Sami A. bis dahin nicht aus Tunesien zurückholt, muss sie 10.000 Euro Zwangsgeld bezahlen. Die Lage ist allerdings komplex.
Zur Erinnerung: Am 12. Juli entschied das VG Gelsenkirchen, dass Sami A. nicht nach Tunesien abgeschoben werden darf. Tunesien habe keine diplomatische Zusicherung abgegeben, dass A. menschenwürdig behandelt wird. Dieser Beschluss wurde allerdings erst am nächsten Morgen zugestellt, als Sami A. schon im Flieger saß.
Die Gelsenkirchener Richter fühlten sich von den Behörden getäuscht, weil ihnen trotz Nachfrage die unmittelbar bevorstehende Abschiebung verheimlicht worden war. Noch am gleichen Tag beschlossen sie, dass Sami A. wegen der groben Rechtsfehler unverzüglich nach Deutschland zurückzuholen ist.
Elf Tage später, am 24. Juli, stellte das VG fest, dass die Ausländerbehörde „in den zurückliegenden 10 Tagen nach eigenen Angaben nichts Substantielles unternommen hat“, um eine Rückführung des abgeschobenen Tunesiers nach Deutschland zu bewirken. Deshalb wurde das Zwangsgeld angedroht. Gegen diesen Beschluss sind noch Rechtsmittel zum Oberverwaltungsgericht Münster möglich.
Gegen den Rückholbeschluss vom 13. Juli hatte die Stadt Bochum bereits Beschwerde zum OVG Münster eingelegt, diese zunächst aber nicht begründet. Das VG Gelsenkirchen weist darauf hin, dass sein Rückholbeschluss vom 13. Juli umzusetzen ist, solange er nicht aufgehoben wurde.
Sami A. wurde bereits aus Haft entlassen
Die Behörde könnte sich zwar darauf berufen, es sei objektiv „unmöglich“, Sami A. nach Deutschland zurückzuholen, weil Tunesien ihn nicht ausreisen lässt. Dieses Argument will das VG Gelsenkirchen aber nicht gelten lassen, solange die Behörde gar keine „tauglichen Schritte“ unternommen hat. Tatsächlich ist nach tunesischen Angaben noch kein deutsches Ersuchen auf Rücküberstellung eingegangen. Am Freitag wurde A. in Tunesien sogar aus dem Gewahrsam entlassen.
Dass Sami A. tunesischer Staatsbürger ist, würde nach Angaben der Nachrichtenagentur dpa eine Auslieferung nicht blockieren, wenn es in Deutschland Terrorvorwürfe gibt. Allerdings ist A. in Deutschland nur als „Gefährder“ eingestuft, dem ein Anschlag zugetraut wird. Strafrechtliche Ermittlungen gegen A. gibt es derzeit aber nicht.
Die einfachste Lösung wäre, wenn Tunesien eine diplomatische Zusicherung abgibt, dass Sami A. menschenwürdig behandelt werde. Dann wäre wohl die Rechtswidrigkeit der Abschiebung geheilt und die Rückholung nach Deutschland nicht mehr erforderlich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestellerautor will in den Bundestag
Nukleare Drohungen
Angst ist ein lautes Gefühl
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland