Nach Trump-Rede: „Organisiert euch, werdet aktiv“
Elissa Slotkin kritisiert, Trumps Politik helfe nur seinen Milliardärsfreunden, alle anderen müssten dafür zahlen. Trump-Gegnern macht sie Mut und sagt: resiginiert nicht.
Es ist eine undankbare Aufgabe. Jedes Jahr, wenn der US-Präsident vor beiden Häusern des Kongresses unter dem stets demonstrativ enthusiastischen Applaus seiner eigenen Parteifreund*innen seine Rede zur Lage der Union gehalten hat, ist es an der jeweiligen Oppositionspartei, eine Gegenrede zu halten – aber nicht etwa am gleichen Ort, sondern irgendwo, per Video aufgenommen oder live gesendet, oft in einem Büro oder einem Wohnzimmer mit Kamin im Hintergrund.
Wer die Rede hält, bestimmt die Oppositionspartei selbst, und die Wahl der US-Demokrat*innen fiel dieses Jahr auf Elissa Slotkin. Zu Recht begann die 48-Jährige, die gerade zum ersten Mal als Senatorin von Michigan nach Washington gewählt wurde, ihre Ansprache damit, dass vermutlich niemand wisse, wer sie sei.
Geboren in New York, sei sie auf einer Farm in Michigan aufgewachsen. Ihre Mutter sei lebenslange Demokratin gewesen, ihr Vater Republikaner, aber das sei vollkommen okay gewesen, denn geteilte Werte seien stärker als Parteiaffinitäten.
Nach dem Schulabschluss studierte sie erst Soziologie, anschließend internationale Beziehungen, lernte parallel Arabisch. Während der Anschläge vom 11. September 2001, berichtet sie in ihrer Videoantwort auf Donald Trumps Rede, sei sie zufällig in New York gewesen, habe die Zwillingstürme des World Trade Center einstürzen sehen, und danach sei ihr klar geworden, dass sie im Bereich der nationalen Sicherheit arbeiten wolle. Es folgten eine Anstellung als politische Analystin bei der CIA, drei Einsätze im Irak, Aufstieg in den Stab des Geheimdienstdirektors, ab 2007 Stabschefin für Irakpolitik, ab 2011 dann im Verteidigungsministerium.
2017 kehrte sie nach Michigan zurück, gründete eine Consulting-Firma und kandidierte 2018 erstmals für die Demokraten um einen Sitz im Repräsentantenhaus, den sie daraufhin mehrmals in Folge verteidigte, zuletzt unterstützt auch von der Trump-abtrünnigen republikanischen Abgeordneten Liz Cheney, bevor sie im vergangenen Jahr ihren Senatssitz gewann – nach einem engen Wahlkampf und in einem Staat, den Donald Trump klar für sich entscheiden konnte.
Ihre Antwort, von einigen US-TV-Sendern direkt im Anschluss an Trumps ewig lange Rede übertragen, dauerte nur gut zehn Minuten. Ihre Kernbotschaft: Trumps Politik hilft nur seinen Milliardärsfreunden, alle anderen werden dafür zahlen müssen. Und an die Trump-Gegner*innen im ganzen Land gerichtet: Lasst euch nicht hängen, resigniert nicht, zieht euch nicht zurück, sondern organisiert euch und werdet aktiv. Das aber vorgetragen mit ruhiger Stimme, ohne Pathos oder tränenreiche persönliche Geschichten, wie es noch im vergangenen Jahr Sarah Huckabee Sanders vorgeführt hatte, die konservative Gouverneurin von Arkansas, die für die Republikaner*innen auf Joe Bidens letzte Rede zur Lage der Union antwortete.
Dass Slotkin mit dieser Rede zu einem „aufgehenden Stern“ der Demokrat*innen wird, wie es der demokratische Fraktionschef im Senat, Chuck Schumer, anschließend formulierte, darf bezweifelt werden. Im Kampf um die demokratische Präsidentschaftskandidatur 2028 dürfte sie keine Rolle spielen.
Und zumindest auf Youtube hat ein anderer für mehr Zuspruch gesorgt als Slotkin, der auch einfach eine Antwort an Trump in die Kamera sprach: Bernie Sanders, linker Senator aus Vermont, nahm über 20 Minuten lang Trumps Rede auseinander – ein paar Millionen Aufrufe hat er schon.
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