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Nach Straßburg-AnschlagPolizei sucht öffentlich nach Attentäter

Die Polizei versucht inzwischen per Großfahndung, den 29-jährigen Tatverdächtigen zu finden. Doch von ihm fehlt weiterhin jede Spur.

Polizisten fahnden nach dem Tatverdächtigen von Straßburg Foto: ap

Straßburg dpa | Nach dem schweren Terroranschlag in Straßburg fahndet die Polizei in Frankreich und Deutschland nun öffentlich nach dem Attentäter. Der polizeibekannte Tatverdächtige Chérif Chekatt war am Dienstagabend auf der Flucht vor der Polizei von Soldaten verletzt worden und schließlich spurlos verschwunden.

Der Täter entkam mit einem Taxi, ließ sich vom Taxifahrer etwa zehn Minuten fahren und stieg dann aus, berichtete Antiterror-Staatsanwalt Rémy Heitz. Mit einem Großaufgebot hatten Beamten in und um die elsässische Metropole und an der nahe gelegenen Grenze zu Deutschland versucht, den Angreifer zu stoppen – bisher ohne Erfolg.

Chekatt hatte am Dienstagabend das Feuer in der Straßburger Innenstadt eröffnet. Die Zahl der Todesopfer ist noch einmal gestiegen. Wie die Anti-Terror-Staatsanwalt am Donnerstag in Paris mitteilte, erlag ein weiterer Mensch seinen schweren Verletzungen. Damit wurden bei dem Anschlag drei Menschen getötet, ein weiteres Opfer ist hirntot. Zwölf weitere Menschen wurden nach Angaben der Präfektur in Straßburg verletzt, vier von ihnen schwer.Am Donnerstag wurde bekannt, Zwei Menschen wurden getötet, ein Opfer sei hirntot, zwölf weitere Menschen wurden verletzt, sagte Heitz.

Die französische Polizei veröffentlichte ein Fahndungsfoto des Attentäters samt Täterbeschreibung. Auch süddeutsche Bundespolizei-Stationen, das Bundeskriminalamt und die Schweizer Bundespolizei verbreiteten am Mittwochabend auf Twitter den Aufruf der Police National. Die Polizei sucht Zeugen.

„Der Mann ist gefährlich“

In dem Aufruf heißt es: „Der Mann ist gefährlich, bitte nicht selbst eingreifen.“ Der Gesuchte sei 29 Jahre alt, 1,80 Meter groß, habe kurze Haare, sei vielleicht Bartträger und habe eine Narbe auf der Stirn. Der mehrfach vorbestrafte Angreifer soll sich im Gefängnis radikalisiert haben. Der gebürtige Straßburger mit nordafrikanischen Wurzeln saß wegen schweren Diebstahls auch in Deutschland in Haft.

Die Bundespolizei Baden-Württemberg twitterte am Abend: „Unsere Einsatzmaßnahmen nach der Attacke in #Straßburg werden auch über die Nacht andauern.“ Das Innenministerium in Paris schloss nicht aus, dass der Täter nach Deutschland geflüchtet sein könnte. Gesucht werde auch der Bruder des Attentäters. Die Schweizer Bundespolizei schrieb per Twitter, die nördliche Grenze werde stärker kontrolliert.

Der rbb berichtete unter Berufung auf Sicherheitskreise, Chekatt sei unmittelbar vor der Tat aus Deutschland angerufen worden. Er habe den Anruf jedoch nicht angenommen. Unklar sei, wer ihn angerufen habe und warum. Dieser Frage gehen deutsche Ermittler nun intensiv nach, wie der Sender weiter berichtete.

Soldaten im Anti-Terror-Einsatz

Unklar ist, ob der Angreifer sich noch in der Elsass-Metropole aufhält. Daher bleibt auch der Weihnachtsmarkt am Donnerstag noch geschlossen. Der örtliche Präfekt habe festgestellt, dass die Sicherheitsbedingungen bisher nicht erfüllt seien, denn der Tatverdächtige sei noch nicht gefasst. Das sagte Straßburgs Bürgermeister Roland Ries im Nachrichtensender BFMTV.

Das kulturelle Leben mit Konzerten und anderen Veranstaltungen solle – soweit wie möglich – wieder anlaufen. Der Weihnachtsmarkt, eine bekannte Touristenattraktion, war bereits am Mittwoch geschlossen.

Die französische Regierung verstärkt außerdem die Soldaten im Anti-Terror-Einsatz – rund 1.300 weitere Soldaten sollen sich in den kommenden Tagen der sogenannten Operation Sentinelle (Wache) anschließen, wie Premierminister Édouard Philippe am Mittwochabend ankündigte. Dabei handelt es sich um eine Einsatztruppe, die nach dem islamistischen Anschlag auf das Satiremagazin „Charlie Hebdo“ im Januar 2015 ihre Arbeit aufnahm.

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1 Kommentar

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  • Jihadistische Terroranschlag oder Amoklauf ohne politisches Motiv ?

    „Zum jetzigen Zeitpunkt ist eine terroristische Motivation noch nicht gegeben, und ich rate zu größer Vorsicht in dieser Hinsicht.“ So Laurent Nuñez, Staatssekretär des Innenministers, gestern gegenüber France Inter ("La motivation terroriste, au moment où l'on se parle, n'est pas encore établie, et j'invite à la plus grande prudence là-dessus.")

    Offensichtlich sind die juristischen Definitionen von „Terrorismus“ in den verschieden Ländern ohnehin durchaus unterschiedlich. Um etwa in den USA einen Massenmörder als Terroristen anzuklagen zu können, muß ihm das Gericht Verbindungen zu einer der vom State Departement gelisteten 60 internationalen Organisationen nachweisen, wie NPR nach dem Amoklauf von Las Vegas klarstellte. So gilt dann auch der Anschlag in der Synagoge von Pittsburg vor 2 Monaten bizarrerweise nicht als „Terrorismus“, folglich auch nicht als „Federal Crime“, obwohl der Attentäter in die Synagoge schrie: „Alle Juden müssen sterben.“, ein ideologisches Äquivalent zu "Allahu Akbar“-Rufen bei islamistisch motivierten Anschlägen.

    Im Falle von Strasbourg gibt es als Terrorhinweis bislang offensichtlich nur das Gerücht, jemand habe von jemandem gehört, der "Allahu Akbar“-Rufe gehört haben will. Nichts genaues also weiß an nicht. Daher ist die Zurückhaltung von Staatssekretär Nuñez durchaus verständlich. Dahinter mag die Vermutung stehen, hier habe sich ein gewöhnlicher Gewaltverbrecher und Serien-Krimineller in den Augen seiner Glaubensbrüder womöglich einen Heldenstatus erschleichen wollen.