Nach Schließung von Silk Road 2.0: Tor Project zweifelt an TOR
Gegen 17 Personen wird ermittelt, die Drogenplattform „Silk Road 2.0“ abgeschaltet. Tor Project fragt sich, ob sein anonymisierender Browser noch sicher ist.
BERLIN taz | Es ist eine erschreckende Nachricht für alle, die sich vom Anonymisierungsdienst TOR ein sicheres Surfen im Netz versprechen: Die Entwickler selbst zweifeln daran, dass das ihre Software noch wirklich sicher ist. Und es gibt gute Gründe, daran zu zweifeln.
Die Polizei war unüberhörbar stolz, als sie vergangene Woche einen großen Schlag gegen Drogenhandel im Internet ausgeführt hat. „Silk Road 2.0“, so der Name des Online-Umschlagplatzes, ist seitdem geschlossen. Insgesamt sollen Ermittlungsverfahren gegen mindestens 17 Beteiligte eingeleitet wurden sein. Der Marktplatz war keineswegs frei zugänglich, sondern nur für Eingeweihte aufzufinden.
Wie schon die Vorgängerplattform „Silk Road“, die vor gut einem Jahr von der Polizei geschlossen wurde, war auch Silk Road 2.0 im sogenannten Hidden Web zuhause – Webseiten, die gar nicht gefunden werden wollen. Dafür nutzten die Kriminellen laut Polizei gleich mehrere Verschlüsselungs- und Anonymisierungsmechanismen. So wurden zum Beispiel Zahlungen weitgehend per Bitcoin-Währung abgewickelt, aber eben auch der Anonymisierungsdienst TOR spielte für die Anbieter eine gewichtige Rolle.
TOR steht für „The Onion Router“ und beschreibt die Technologie, bei der wie bei einer Zwiebel verschiedene Schichten den Kern von der Außenwelt isolieren, ohne dass mehrere Schichten dabei miteinander direkt in Kontakt stehen. Doch TOR ist nicht nur für Kriminelle im Netz ein wesentliches Werkzeug – auch Menschenrechts-Aktivisten in repressiven Regimen vertrauten bislang auf die Software, die sie vor staatlichem Zugriff bewahren half.
Fehler in der Software?
Doch seit dem Schlag gegen Silk Road 2.0 sind sich auch die Entwickler nicht mehr sicher, ob sie ihre Software weiterhin einfach so empfehlen können. Sie rätseln: haben sich in die TOR-Software selbst Fehler eingeschlichen? Oder waren es doch „nur“ Fehler der Betreiber, die ihre versteckten Webseiten technisch unzulänglich betrieben haben und damit den Ermittler Tür und Tor öffneten?
Andrew Lewman, Geschäftsführer von Tor, sucht in einem langen Blogpost nach Erklärungen für den Erfolg der Strafverfolgungsbehörden. Könnte es Zusammenhänge zwischen dem Verschwinden mehrerer Verzeichnisrechner aus dem Tor-Netzwerk in Miami und Amsterdam und der Razzia geben? Einzelne Betreiber von Tor-Seiten berichten über ungewöhnliche Aktivitäten auf ihren Servern im Vorfeld des Ermittlererfolges, von Versuchen, schadhaften Code in die Seiten einzuschleusen und auf diese Weise den Rechner zu übernehmen.
Doch derzeit rätseln die Anonymisierungsdienst-Entwickler noch. „In freiheitlichen Demokratien sollten wir erwarten, dass, wenn die Zeit kommt, dass einer der Verhafteten angeklagt wird, dem Richter erklärt werden muss, wie die Verdächtigen zu Verdächtigen wurden“, schreibt Lewman. Als Nebeneffekt könnten die Tor-Entwickler dann erfahren, ob es Schwachstellen in Tor selbst geben würde. Doch derzeit ist für alle, die – aus welchem Grund auch immer – auf den Anonymisierungsdienst setzen, wohl Vorsicht angesagt.
Denn wie die Strafverfolgungsbehörden in den westlichen Staaten agiert haben, das könnten auch chinesische, iranische oder Behörden in anderen repressiven Regimen relativ schnell lernen. Und dann würde die Freude im Westen über den gelungenen Schlag gegen die organisierte Kriminalität mit einer Mitschuld am Schicksal der dann Betroffenen verbunden sein.
Ein positiver Schub für die Zukunft des Projekts kommt trotz dieser schlechten Nachrichten derweil aus einer anderen Richtung: Die Mozilla-Stiftung, Entwickler des Firefox-Browsers, haben heute angekündigt, mit den Tor-Entwicklern zusammenarbeiten zu wollen. Mozilla will unter anderem eigene Server für Tor zur Verfügung stellen. Zudem wollen sie auch technisch gemeinsam mit den Tor-Entwicklern mehr für die Privatsphäre der Nutzer tun.
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