Nach Schlesinger-Rauswurf beim RBB: Wesen mit Sendungsbewusstsein gesucht
Der RBB braucht eine Übergangsintendanz. Der taz liegt die streng geheime Liste mit den Wunschkandidat*innen vor. Nur: Wer sagt auch zu?
Eva Herman
„Was macht eigentlich Eva Herman?“, hat jemand auf den Zettel geschrieben, der der taz aus der Masurenallee, dem Sitz des RBB, zugespielt wurde. „Bitte prüfen“.
Die Prüfung dürfte ergeben, dass Herman als Interimsnachfolgerin von Patricia Schlesinger auch nicht ganz billig wäre. Sollte es so sein, dass sich die wegen ihrer verschwörungstheoretischen Ansichten geschasste ehemalige Fernsehmoderatorin noch immer in Kanada aufhält, müsste sie zum Casting einfliegen. In Kanada soll Herman mit Rechtsextremen aus ganz Europa gerade eine „Kolonie“ aufbauen. Das bestreitet sie.
Allerdings heißt es auch, sie habe derzeit nicht die Absicht, wieder nach Deutschland zu kommen. Ihr Lebensgefährte begründet das auf seinem Video-Kanal damit: „Wir haben eine Invasion von der arabischen Seite zurzeit.“ Herman ergänzt: „Und das ist nicht nur arabisch, sondern eine arabisch-afrikanisch-asiatische Invasion.“
Es bedürfte also nicht nur eines Flugtickets, sondern auch einer gewissen Überzeugungsarbeit, um Herman zumindest zeitweise an die Masurenallee zu holen. Immerhin, das ist inzwischen durchgesickert, gilt sie als Wunschkandidatin einiger Sozialdemokraten aus der Uckermark. Dort wünscht man sich nicht nur das Ende der Sanktionen gegenüber Russland, sondern auch einen ungehinderten Ölfluss über die „Druschba“-Pipeline in die PCK-Raffinerie in Schwedt.
Ein Landtagsabgeordneter hatte deshalb erwogen, Margarita Simonjan als Intendantin beim RBB vorzuschlagen. Doch die Chefredakteurin des russischen Propagandasenders RT Deutsch war der SPD-Landtagsfraktion offenbar zu heiß. Auch mit Herman, heißt es auf dem Zettel, können dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk „verloren gegangene Hörer und Zuschauer“ zurückgewonnen werden. (wera)
Klaus Wowereit
Zumindest was den Imageschaden angeht, ist das Schlesingergate der Bankenskandal des RBB. Für all jene, die mit dem Begriff nichts mehr anfangen können: Der Bankenskandal war 2001 eine Art kleine Finanzkrise, für die das Land Berlin mit Milliardensummen in die Bresche springen musste und die politisch das Ende der großen Koalition aus CDU und SPD und der Karriere des dauerregierenden Bürgermeisters Eberhard Diepgen bedeutete.
Schon angesichts dieser historischen Dimension ist klar, dass nur einer für den Posten des Interimsintendanten beim RBB in Frage kommt: Klaus Wowereit. Er hat 2001 als SPD-Fraktionschef Diepgen gestürzt, sich dann zum Regierenden krönen lassen und macht bekanntlich seit geraumer Zeit „nichts“, wie er der taz im Jahr 2020 verriet. Der 68-Jährige wartet also nur auf den Anruf aus der Masurenallee.
Sein Führungsstil ist forsch, was angesichts der Lage im RBB nicht das Schlechteste ist. Dabei gilt er als stets gut informiert, nicht nur, was den hiesigen Filz aller Colour angeht. Nach 14 Jahren als Regierender ist klar, dass es mit Wowi als Boss nie langweilig werden wird – etwas, was den Sender laut Selbsteinschätzung auszeichnen soll. Wowis Motto, damit die Mitarbeiter*innen auch die nächsten Sparrunden ertragen: „Der RBB ist arm, aber sexy!“ (bis)
Das Sandmännchen
Wozu in die Ferne schweifen, wenn die Lösung für die neue Intendanz so nah liegt. Die erfolgreichste Figur des Senders, die überdies am längsten dabei ist, noch länger und noch beliebter als Ulli Zelle: Unser Sandmännchen. Mit inzwischen 63 Jahren hat der Sandmann das richtige Alter für einen Führungsjob erreicht. Auf die Verniedlichung darf man beim Hauptdarsteller der längsten Fernsehserie der Welt dann auch verzichten.
Nachfolge Nach der fristlosen Entlassung von Ex-RBB-Intendantin Patricia Schlesinger soll die Nachfolge vorbereitet werden. Es werde „nach einer Lösung von außen“ gesucht, sagte die Personalratsvorsitzende Sabine Jauer am Dienstag im RBB-Inforadio. Der Verwaltungsrat habe festgestellt, dass externe Hilfe nötig sei. Jauer gehört selbst dem Kontrollgremium an, das am Montag infolge der Affäre um Vorwürfe der Vetternwirtschaft, Vorteilsnahme und Verschwendung die Entlassung der zuvor zurückgetretenen und abberufenen Intendantin bekannt gab. In den nächsten Wochen seien keine großen Entscheidungen zu erwarten, sagte Jauer. Zunächst müsse ein Interimsmanager gefunden werden, der sich für eine Übergangszeit an die RBB-Spitze begeben und helfen soll, die Senderspitze und die Geschäftsleitung neu zu organisieren. (epd)
Niemand repräsentiert besser das Einschlafprogramm des RBB, niemand kann besser ein erfolgreiches Vorabendprogramm gestalten und dabei den Sender auch für die junge Zielgruppe interessant machen, niemand sonst den Zuschauern so viel Sand in die Augen streuen.
Der RBB bekäme mit dem Sandmännchen endlich eine passende Leitung, die sich auch durch ihre Bescheidenheit auszeichnet. Nicht ständig schicke neue Klamotten, keine Jetset-Freunde, sondern Pittiplatsch und Schnatterinchen, kein teurer Dienstwagen, sondern auch mal Rikscha oder Skier.
Überdies gäbe das Sandmännchen dem Sender seine Ostidentität zurück. Wie sonst nur Rotkäppchen und die Ampelmännchen hat sich der Ossi-Sandmann gegen die Konkurrenz aus dem Westen durchgesetzt. Mit ihm gewinnt der RBB Sympathien zurück. Sandmann, lieber Sandmann, es ist jetzt höchste Zeit! (epe)
Nina Hagen
Wenn das angegraute Image des RBB etwas gebrauchen kann, dann ist es Farbe. Wer also wäre besser geeignet den Laden zu schmeißen als Nina Hagen, die Grande Dame der Unterhaltungsszenerie? Ihr Bewerbungsschreiben stammt schon aus dem Jahr 1982, in Form eines Liebesliedes ans Fernsehen. „Ich kann mich gar nicht entscheiden. Ist alles so schön bunt hier“, schnulzte sie im Song „TV-Glotzer“.
Wer nun glaubt Nina Hagen könne nur mit 70er Jahre Musikshows die Kernklientel des Senders befriedigen, verkennt, dass sie auch heute noch neue Akzente setzt. Ihr letztes Album gilt als Hommage an die Black-Lives-Matter-Bewegung, Hagen wäre somit nicht nur eine prima Intendantin, sondern ebenso fähige Diversitätsbeauftragte.
Durchsetzen kann sich die Hagen mit ihrer whiskeygetränkte Raucherinstimme, die selbst dem letzten Oberhäuptling Respekt einflößt. Die Aufräumarbeiten im Sender werden von Hagens Gebrüll begleitet, ganz nach ihrem Motto: „Ich schreie Sie so lange an, wie ich will.“ Sanftere Gemüter dürfen sich in der zum Esoteriktempel umgebauten 13. Etage des RBB-Tower ihr Seelenheil wieder herstellen lassen. Und natürlich wird Verschwörungsfan Hagen ein altes Flaggschiff wieder in den Sender holen: Ken Jebsen. (epe)
Kurt Krömer
Der RBB muss politischer werden. Weniger Heimatduselei, weniger seichte Unterhaltung, keine Tiere. Dafür mehr politische Magazine und Analysen, tiefgreifende Interviews, in denen Politiker:innen nicht geschont werden. Für all das steht Kurt Krömer. Die Abendschau-Sendung in die Franziska Giffey als Interviewpartnerin eingeladen, dann aber einfach nicht befragt wird und obendrein noch eine Torte ins Gesicht gedrückt kriegt, wird in die Annalen eingehen und die Einschaltquote steigern.
Der gebürtige West-Berliner Krömer gilt als ehrlicher Vertreter des Volkes, nahbar und ohne Allüren. Massagesessel sind ihm egal, Hauptsache es gibt genügend Aschenbecher. Rauschhafte Feste auf Kosten der Gebührenzahler wird es mit dem Ex-Alkoholiker, der neulich seine Depression offenbarte, auch nicht mehr geben. Den neuen Sparkurs in der Führungsetage lebt Krömer vor, indem er die alten Jackets seiner Vorgänge aufträgt.
Schon zum 15. Senderjubiläum des RBB 2019 übernahm Krömer Verantwortung. Eine Woche lang war er Programmansager und wies etwa auf die Nachrichtensendung „Brandenburg Aktuell“ hin, damals noch spöttisch betitelt als „Erntedankfest des Journalismus“. Unter der Leitung Krömers, dem größten Star, den der Sender je herausgebracht hat, wird alles besser. (epe)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Innereuropäische Datenverbindung
Sabotageverdacht bei Kabelbruch in der Ostsee