Nach Reform bei Abschiebungen: Pflichtanwält*innen gesucht
Ende Februar trat das „Rückführungsverbesserungsgesetz“ der Ampel in Kraft. Nun werden Pflichtanwält*innen für Abschiebehäftlinge dringend gesucht.
Denn Ende Februar trat das „Rückführungsverbesserungsgesetz“ der Ampel in Kraft. „Hau-ab-Gesetz“ nennt Fahlbusch es. Auf dass sie leichter außer Landes geschafft werden können, schränkt das Gesetzespaket die Rechte Abzuschiebender ein – mit einer Ausnahme und deshalb sind heute alle hier: Wer in Abschiebehaft sitzt, dem muss das Gericht zukünftig eine:n Pflichtanwalt oder Pflichtanwältin beiordnen.
Der Gesetzgeber, sagt Fahlbusch, habe erkannt, dass Abschiebungshaftverfahren „doch einigermaßen schwierig“ seien und Betroffene „nicht in der Lage, sich hier hinreichend zu verteidigen“. Bundesverfassungsgericht und Bundesgerichtshof hätten Behörden und Gerichte „wiederholt auf die Grundsätze eines fairen Verfahrens für Abschiebungshäftlinge hingewiesen – aber oft fruchtlos“, so Fahlbusch. Nun aber habe der Gesetzgeber reagiert.
Das Problem: Nur wenige Jurist*innen kennen sich mit der Materie aus. Besonders attraktiv sind die Fälle nicht, nur rund 211 Euro Honorar sind für einen Widerspruch vorgesehen. Und so gehen Stahmann und Fahlbusch auf „Fortbildungstour“, um Kolleg*innen zu motivieren, sich dennoch in dem Bereich zu engagieren. Viele Jurist:innen würden denken: „Wenn der Mandant erstmal in Haft ist, kann ich nichts mehr machen, das Verfahren ist tot.“ Doch das sei ein Irrtum.
Zu Unrecht in Abschiebehaft
Niemand in Deutschland weiß das besser als Fahlbusch selbst. Der in Hannover ansässige Jurist hat seit 2001 – er hat exakt Buch geführt – bundesweit 2.507 Menschen in Abschiebungshaftverfahren vertreten. 1.301 von ihnen – rund 52 Prozent – seien nach rechtskräftigen Gerichtsentscheidungen zu Unrecht in Haft gewesen, im Schnitt sei jede*r seiner Mandant*innen 25,7 Tage unrechtmäßig eingesperrt gewesen. Die Anwaltschaft sei „aufgerufen, sich um diese skandalöse Haftpraxis zu kümmern“, meint Fahlbusch – und die Neuregelung gebe ihr „jetzt alle Möglichkeiten.“
Das „Rückführungsverbesserungsgesetz“ verlängert unter anderem die Höchstdauer des Ausreisegewahrsams von bislang 10 Tagen auf 28 Tage, Haft ist leichter möglich. Zudem gibt es neue Ausweisungsgründe wie das Begehen von antisemitischen Straftaten oder die Einreise mit gefälschten Papieren. Bei Menschen ohne Ausweispapieren wird zudem das Auslesen von Handydaten erleichtert, um dadurch Identität und Herkunftsland zu klären.
Auf Drängen der Grünen wurde die Klausel mit den Pflichtanwält*innen eingeführt. Innenminister*innen der Länder hatten diese heftig kritisiert – sie fürchten, Abschiebungen könnten sich verzögern, weil es den Behörden nicht gelingt, den nun nötigen Pflichtanwalt zu stellen. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Christoph de Vries beklagte, mit den von den Grünen durchgesetzten Änderungen werde ein ohnehin schon schwaches Gesetz völlig wirkungslos.
2023 wurden 16.430 Menschen aus Deutschland abgeschoben, etwa die Hälfte per Sammelcharter. Bei knapp einem Drittel handelte es sich um sogenannte Dublin-Fälle, die nicht in ihr Herkunftsland, sondern in einen anderen EU-Staat abgeschoben wurden. 2022 kamen knapp 5.000 Menschen in Abschiebehaft, im Schnitt für vier Wochen. Rund 800 Plätze dafür gibt es in bundesweit 14 Einrichtungen.
Bislang hätten maximal zehn Prozent aller Abschiebehäftlinge einen Anwalt gehabt. „Bald braucht jeder einen“, sagt Fahlbusch. Es sei eine „Frage der globalen Gerechtigkeit“, Abschiebehäftlingen beizustehen.“
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