piwik no script img

Nach Recherche zu Afghanistan-EinsatzTV-Sender in Australien durchsucht

Der Rundfunksender ABC und eine Zeitung in Sydney wurden auf Antrag des Verteidigungsministeriums durchsucht. Medien sehen die Pressefreiheit in Gefahr.

Strenge Gesetze setzen Berichten der australischen Medien Grenzen. Dagegen gibt es Proteste Foto: imago images / AAP

Sydney afp/ap | Im Zusammenhang mit der Weitergabe brisanter Regierungsdokumente über das Vorgehen australischer Sondereinsatzkräfte in Afghanistan hat die Polizei in Sydney den Sitz des öffentlich-rechtlichen Rundfunksenders ABC durchsucht. Die Durchsuchung am Mittwoch richtete sich insbesondere gegen drei Journalisten, die an einer zwei Jahre langen investigativen Recherche beteiligt waren, wie Verantwortliche von ABC mitteilten. Die Polizei erklärte, die Durchsuchung stehe im Zusammenhang mit der mutmaßlichen Veröffentlichung von Geheimdokumenten.

Der Sender ABC hatte 2017 Regierungsdokumente erhalten, die zeigten, dass australische Sondereinsatzkräfte in Afghanistan unschuldige Männer und Kinder getötet haben. ABC-Journalist John Lyons zufolge verlangten die Durchsuchungsbefehle nun unter anderem Einsicht in die Mitschriften der Reporter, in deren E-Mails, in die Entwürfe ihrer Geschichten, in Filmmaterial und Passwörter.

Am Dienstag durchsuchten Polizisten die Wohnung der Politikchefin der Zeitung The Sunday Telegraph of Sydney in Canberra, Annika Smethurst. Sie hatte 2018 über einen mutmaßlichen Vorstoß der Regierung berichtet, australische Bürger auszuspionieren.

In beiden Fällen waren sensible und potenziell als geheim eingestufte Materialien Gegenstand der Berichterstattung. Sie rückte die australischen Behörden und insbesondere die Sicherheitsdienste in ein schlechtes Licht.

„Höchst ungewöhnlich“

Regierungschef Scott Morrison versuchte, sich von den Durchsuchungen zu distanzieren und bezeichnete sie als Angelegenheit der Polizei und nicht der Regierung. „Australien glaubt fest an die Pressefreiheit“, erklärte er während eines Besuchs in London. Es gebe aber auch feste Regeln zum Schutz der nationalen Sicherheit. Die designierte Innenministerin Kristina Keneally verlangte eine Erklärung zu den Durchsuchungen.

Obwohl die australischen Medien weitgehend unabhängig berichten können, setzen strenge Verleumdungsgesetze, Gerichtsanordnungen zur Geheimhaltung oder staatliche Sicherheitsregeln der Berichterstattung Grenzen. Eine australische Mediengewerkschaft kritisierte das Vorgehen der Behörden als Einschüchterungsversuch. „Wenn die Wahrheit die Regierung beschämt, ist das Ergebnis, dass die Bundespolizei an deine Tür klopft“, teilte die Gewerkschaft mit. Dieses Vorgehen müsse aufhören.

Auch die betroffenen Medienunternehmen sahen in den Aktionen einen Angriff auf die Pressefreiheit. „Es ist höchst ungewöhnlich für einen nationalen Sender, auf diese Art durchsucht zu werden“, sagte ABC-Geschäftsführer David Anderson. „Das ist eine ernste Entwicklung und weckt berechtigte Sorgen bezüglich Pressefreiheit und richtiger öffentliche Kontrolle in Sachen nationaler Sicherheit und Verteidigung.“

Der Verlag News Corp. Australia, dem der Sunday Telegraph gehört, äußerte sich ähnlich besorgt. Die Polizeiaktion bei seiner Journalistin sei ein „gefährlicher Akt der Einschüchterung gegen jene, die unbequeme Wahrheiten sagen“, hieß es in einer Erklärung.

Anderson erklärte, die ABC stehe hinter ihren Journalisten, werde ihre Quellen schützen und weiterhin „ohne Furcht und Gefälligkeit“ über nationale Sicherheit und Geheimdienste berichten.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • 0G
    05654 (Profil gelöscht)
  • 0G
    05654 (Profil gelöscht)
  • Pressefreiheit hört auf, wo Militär und Waffenhandel beginnen. In der vergangenen Woche sind in Frankreich mehrere Journalisten (von Le Monde und vom Onlinemedia Disclose) durch den Inlandsgeheimdienst Direction générale de la sécurité intérieure (DGSI) / Generaldirektion für innere Sicherheit) verhört worden, weil sie angeblich Geheimdokumenten verwendet hatten die bewiesen, dass die von Frankreich Saudi-Arabien verkaufte Waffen (schwere Artillerie) in Jemen gegen Zivilbevölkerung in Einsatz waren.

    www.arte.tv/sites/...in-france/?lang=de

    www.lemonde.fr/soc..._5466004_3224.html

  • Liebe Taz



    Wenn ihr über so ein Dauerthema wie die Erosion der Pressefreiheit berichtet, dann solltet ihr vllt. darüber Nachdenken eine kleine Infobox zu ergänzen, in der dazu passende Ereignisse (bzw. die Berichte dazu) nochmal genannt bzw. verlinkt sind ... sonst entsteht der Eindruck "Ach, das ist doch nur ein Einzelfall... nicht so schlimm."



    Hier zB. Guardian&WikiLeaks, Indimedia, netzpolitik.org, usw.



    Menschen (inkl. mir) sind Vergesslich!

    Vllt. sollte man das sogar in den größeren Kontext der Bürgerrechte im Allgemeinen setzen ... dann kommt noch AKK&RegelFürYouTube, FusionFestival, Artikel13, Bundestrojaner, Alexa abschnorcheln usw. dazu.

    • @Franz Georg:

      Guter Vorschlag; eine genauere, sogar chronologische Darstellung würde einiges verdeutlichen.