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Nach Personalabbau bei „SZ“Chefredaktion kritisiert Sparkurs

Vor zwei Jahren setzte die „Süddeutsche Zeitung“ einen Sparkurs um, 90 Mitarbeiter gingen. Nun kritisiert die Chefredaktion das Vorgehen öffentlich.

Das Verlagsgebäude des Süddeutschen Verlags im Stadtteil Zamdorf in München Foto: Hauke-Christian Dittrich/picture alliance

Die Stimmung bei der Süddeutschen in München war schon mal besser. Das soll jetzt anders werden. Im Interview mit dem Medium Magazin versprühen die Chef­re­dak­teu­r*in­nen Judith Wittwer und Wolfgang Krach gute Stimmung, versprechen mehr Personal – und legen sich nicht nur zwischen den Zielen mit ihrem Mutterkonzern, der Südwestdeutschen Medienholding (SWMH), an.

Zeit wird’s, denn der Sparkurs, den die SWMH der SZ 2020 verordnet hatte, zeigt dramatische Folgen. Da läuft der in Sachen Recherche wohl profundesten deutschen Zeitung mal eben die redaktionelle Speerspitze weg: Anfang März wurde bekannt, dass Bastian Obermayer, bislang Ressortleiter Investigative Recherche, geht. Seinen Stellvertreter Frederik Obermaier nimmt er gleich mit. Dass beide künftig für den Spiegel arbeiten, macht die Sache nicht besser. Schließlich hatte das Hamburger Nachrichtenmagazin in den letzten Jahren in Sachen große Geschichten eher mal vor sich hingedümpelt. Die SZ konnte dagegen auftrumpfen, gern auch im beliebten Rechercheverbund mit NDR und WDR, der gute Reichweiten in der ARD garantiert.

Netto rund 50 Stellen hat die SZ abgebaut und es dabei mehr als einmal an dem nötigen Fingerspitzengefühl fehlen lassen, heißt es in der Redaktion. Gegangen sind sogar knapp 90, durch ein freiwilliges Ausstiegs-Programm und besondere Anreize für Menschen über 60. Dem stehen laut Chefredaktion 35 Neueinstellungen gegenüber, weitere 25 soll es noch dieses Jahr geben. Gestärkt werden, so Krach, neben den Bereichen Investigative Recherche und Wissen vor allem die SZ am Wochenende, die erfolgreichen Podcasts und die digitale Distribution. Dazu gibt es reichlich optimistische Prognosen, die sich leicht als Pfeifen im Keller abtun ließen.

Doch das Interview ist aus anderem Grund bemerkenswert. Vor allem Krach zählt die SWMH direkt an. „Der Stellenabbau ist zu keiner Zeit von der Chefredaktion ausgegangen oder von ihr gutgeheißen worden“, heißt es da: „Das waren Entscheidungen der Geschäftsführung und der Gesellschafter“ – lies: der SWMH in Stuttgart, die im Januar auch ihren Stammblättern Stuttgarter Zeitung und Stuttgarter Nachrichten ein erneutes Spar-Diktat überhalf.

Krach spricht von „viel zu pessimistischen Prognosen“, die den Spar-Entscheidungen zugrunde lagen, auch die 2020 wegen der Corona-Pandemie ausgerufene redaktionelle Kurzarbeit war „eindeutig verkehrt“. Als Folge habe die SZ, die 2020/2021 eines ihrer besten Ergebnisse seit Jahren ablieferte, „heute definitiv zu wenig Leute, um all die Ideen umzusetzen, die wir in der Redaktion jeden Tag haben“. Für die diskrete Verlagswelt, vor allem die schwäbische, ist das eine schallende Ohrfeige.

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1 Kommentar

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  • 6G
    655170 (Profil gelöscht)

    Es ist ja nicht (nur) so, dass bei der SZ "nur" Mitarbeiter gingen.



    Es gingen statische Elemente.



    Und das waren die in mehrerlei Hinsicht:



    Journalistisch, liberal ("echt" liberal, nicht FDP-liberal), sprachlich, schriftstellerisch.



    Die SZ ist aus dem liberalen Spektrum nach rechts (demokratisch rechts) geruscht.



    Besser: Von den Eignern geruscht worden.



    Dass Beise mit seinem Team schon immer auf der radikal-kapitalistischen (also demokratisch rechten) Seite des journalistischen Spektrums agierte, war bekannt und konnte deshalb eingeordnet werden.



    Dass die gesamte SZ mit der "Neuordnung" in diese Richtung verschoben wurde und dann auch noch gefühlt drei Viertel der Beiträge hinter der Paywall eingemauert werden (ohne ein taz-Modell!), hat dazu geführt, dass die SZ im deutschen Journalismus beliebig geworden ist.



    Ich hab' sie früher regelmäßig gelesen, hatte ein Wochenend-Abo und Mo-Fr von der "Firma" auf dem Tisch.



    Jetzt meide ich sie - obwoh mir die Paywall, wie geschildert, nicht "weh tut".



    Und zwar deshalb, weil ich Pluralität und Journalismus erwarte (im Sinn von HaJo Friedrichs).



    Und den findet man dort kaum noch.



    Ähnlich übrigens wie bei den ör-(auch)Nachrichten-"Formaten" (Ausnahme Phoenix, ZAB); bei dem Polit-Talg-Shows sowieso, genauso bei Edelblättern wie FAZ (außer Feuilleton) oder Zeit (dto.), Provinz-Blätter wie AZ + Co.; und geh mir mit Bilderblättchen (Focus) oder Pseudo-Intellekties wie Cicero.



    Schade um die SZ.