Nach Massaker in Orlando: Wie der Hass in Amerika tötet
Das Verbrechen von Florida ist ein weiterer Fall von Hasskriminalität. Es verweist auf das gesellschaftliche Problem des freien Waffenbesitzes.
Aus einzelnen Informationen setzt sich allmählich ein Bild zusammen, das auf einen islamistisch motivierten Überfall hindeutet. Ein Hinweis darauf war auch, dass, direkt nachdem die Polizei erste Informationen über den Täter öffentlich gemacht hatte, ein Vertreter einer muslimischen Gemeinde vor „vorschnellen Schlüssen“ warnte.
Sollte sich das Motiv des Täters tatsächlich als islamistisch herausstellen, dürfte dieser Appell wenig helfen. Der potenzielle republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump nahm das Attentat zum Anlass, seine Forderung nach einem Einreiseverbot für Muslime zu bekräftigen. Im Dezember 2015 hatte ein islamistisch radikalisiertes Ehepaar 14 Menschen erschossen und 21 verwundet. Auch damals konnte Trump ein solches Attentat in seinem rassistisch geprägten Wahlkampf nutzen.
Mindestens 50 Tote bei einem Überfall oder einem Amoklauf sind selbst für die USA eine verstörende Größenordnung. Schießereien, Mehrfachmorde und Überfälle an öffentlichen Orten indes sind nicht selten. In den Vereinigten Staaten gibt es deshalb Sparten in der Statistik, die in Deutschland relativ unbekannt ist: Sie heißen „Mass Shooting Tracker“ (Monitor der Massenschießereien) oder auch „Timeline of Mass Killings“ (Zeitschiene von Mehrfachmorden).
Vier Schusswaffenanschläge im vergangenen Jahr
Die Kriterien, nach denen ein Vorfall zu den Massenschießereien oder zu Mehrfachmorden gezählt wird, variieren. Entsprechend unterscheiden sich auch die Gesamtzahlen, mit denen hantiert wird. Nach der Definition des Trackers von mindestens vier Toten oder Verwundeten gab es im Jahr 2015 372 Massenschießereien, mit 475 Toten und 1870 Verwundeten.
Das Magazin Mother Jones dagegen spricht eher von dem, was man in Deutschland unter einem Schusswaffenanschlag versteht. Dazu gehörten Schießereien, bei denen Einzeltäter mindestens vier Menschen an einem öffentlichen Ort töten. In den vergangenen 30 Jahren gab es in den USA demnach etwa 80 Schusswaffenanschläge, vier davon im vergangenen Jahr.
Seit der Nacht auf Sonntag steht auch Orlando in Florida auf jenen Listen von „Tracker“ und Mother Jones, zusammen mit San Bernardino in Kalifornien, Charleston in South Carolina, Newtown in Connecticut oder Aurora in Colorado. Diese Städtenamen haben sich ins öffentliche Bewusstsein eingebrannt. Sie stehen zugleich stellvertretend für Konflikte in der US-Gesellschaft. Und die meisten zeigen ein ums andere Mal das massiv Problem des freien Waffenbesitzes.
Willkürliche, öffentliche Morde
Bis zu der Tat von San Bernardino hatte zuletzt die Diskussion über rassistische Gewalt viele Debatten in den USA bestimmt. Insbesondere nachdem in Ferguson, Missouri, im Sommer 2014 der junge Schwarze Michael Brown von einem Polizisten erschossen worden war, folgten bei weiteren solchen Fällen Proteste und Demonstrationen im ganzen Land. Im Juni vergangenen Jahres dann hatte ein Anhänger des Ku-Klux-Klan neun Afroamerikaner in einer Kirche in Charleston erschossen.
Städte wie Aurora und Newtown stehen für willkürliche öffentliche Morde aus anderen, nicht politischen Motiven. In Newtown hatte im Dezember 2012 ein 20-Jähriger 27 Menschen erschossen.
Obama und Vizepräsident Joe Biden hatten nach Newtown eine Initiative für strengere Waffengesetze angekündigt. Angesichts des Widerstands im US-Kongress reichten die dann beschlossenen Maßnahmen aber nicht weit.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Rekordhoch beim Kirchenasyl – ein FAQ
Der Staat, die Kirchen und das Asyl
Preise fürs Parken in der Schweiz
Fettes Auto, fette Gebühr