Nach Luftangriffen in West-Mossul: US-General geht von Beteiligung aus
Das US-Militär bekennt sich zu einer möglichen Mitschuld am verheerenden Luftangriff auf die irakische Stadt. Man habe nicht absichtlich auf Zivilisten gezielt.
In Folge der gewaltigen Explosion im Westen der Metropole am 17. März waren verschiedenen Berichten zufolge mehr als 100 Menschen ums Leben gekommen. Kritiker werfen der neuen US-Regierung vor, die Luftangriffe verschärft zu haben und weniger Rücksicht auf Zivilisten zu nehmen. Townsend wies die Darstellung zurück, dass Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz Unbeteiligter gelockert worden seien.
Amnesty International erhob schwere Vorwürfe gegen die Konfliktparteien. Den irakischen Streitkräften und der sie unterstützenden US-geführten internationalen Militärkoalition warf die Menschenrechtsorganisation am Dienstag vor, das Leben von Zivilisten nicht ausreichend zu schützen. Sowohl bei Luftangriffen als auch bei Gefechten am Boden mit Kämpfern der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) würden erschütternd viele Zivilisten getötet.
„Sowohl die Luftangriffe als auch die Gefechte am Boden zwischen der irakischen Armee und IS-Kämpfern haben in den letzten Monaten zu einer erschütternden Zunahme an zivilen Opfern geführt“, erklärte Amnesty. „Bei einem der tödlichsten Luftschläge der US-geführten Koalition seit Jahren starben am 17. März laut Berichten 150 Menschen im Jadida-Viertel in West-Mossul“, schreibt die Organisation, die vor Ort Fakten sammelte.
Untersuchungen eingeleitet
Das irakische Verteidigungsministerium leitete zu den Luftangriffen eine Untersuchung ein. Am Samstag räumte auch die Militärkoalition Luftangriffe in West-Mossul ein und kündigte ebenfalls eine Untersuchung an. Das Pentagon erklärte, es werte derzeit mehr als 700 Video-Aufzeichnungen von Luftangriffen auf West-Mossul aus.
„Die hohe Zahl ziviler Opfer lasse vermuten, dass die an der Offensive in Mossul beteiligten Koalitionsstreitkräfte keine ausreichende Vorsorge treffen, dass zivile Tote vermieden werden“, kritisierte Amnesty. Das sei ein „eklatanter Verstoß gegen internationales Völkerrecht“.
Amnesty habe „dokumentiert, dass im Kampf um Mossul hunderte von Zivilistinnen und Zivilisten bei Luftschlägen in ihren Häusern oder an vermeintlich sicheren Orten getötet wurden“. Die irakische Regierung habe sie zuvor aufgefordert, an Ort und Stelle zu bleiben und nicht zu fliehen, wie Überlebende und Augenzeugen berichtet hätten, heißt es in dem Bericht weiter.
In zahlreichen Fällen hätten Überlebende und Nachbarn den Berichterstattern erzählt, dass sich IS-Kämpfer in zerstörten Häusern befanden oder sich in benachbarten Gebäuden verschanzt hätten, die nicht Ziel der Angriffe waren.
Bei US-geführten Luftangriffen seien „ganze Häuser mit vollständigen Familien darin zerstört“ worden, sagte Donatella Rovera, die für Amnesty in Mossul Fakten sammelt und Augenzeugenberichte dokumentiert. „Die Tatsache, dass die irakischen Behörden Zivilisten wiederholt geraten haben, in ihren Häusern zu bleiben statt aus dem Gebiet zu fliehen, belegt, dass die Koalitionsstreitkräfte gewusst haben müssen, dass diese Angriffe wahrscheinlich zu einer erheblichen Anzahl an zivilen Opfern führen würden. Übermäßige Angriffe und wahllose Angriffe verletzen internationales humanitäres Recht und können Kriegsverbrechen sein.“
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