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Nach Le Pen UrteilWer rennt für Le Pen auf die Straße?

Nach der Verurteilung von Marine Le Pen wollen Frankreichs Rechtsextreme gegen die Entscheidung mobilisieren. Das klappt nicht überall.

Doch nicht so viel los: Zur Demonstration nach Paris am Sonntag kamen rund 7.000 Menschen Foto: Gonzalo Fuentes

Montargis taz | Auf dem Marktplatz in Montargis, zwei Zugstunden südlich von Paris, verteilten Mitglieder des Rassemblement National, kurz RN, am Samstag Flyer und reichen Zettel für ihre Petition umher. Im Anschluss schmücken die strahlenden Parteigesichter Facebook.

Mit 15.000 Einwohnern ist Montargis eine klassische französische Kleinstadt, in der die rechtsextreme Partei von Marine Le Pen noch keine Mehrheiten erreicht hat. Die Parteichefin wurde am vergangenen Montag zu einer Geldstrafe über 100.000 Euro und vier Jahren Haft verurteilt – zwei auf Bewährung, zwei mit elek­tronischer Fußfessel. Bereits jetzt aber gilt das Verbot, in den kommenden fünf Jahren bei Wahlen anzutreten. Das würde auch bedeuten, dass sich die aussichtsreichste Kandidatin Frankreichs nicht bei den Präsidentschaftswahlen 2027 präsentieren kann.

Am Tag nach der Verkündung keimte zwar Hoffnung für Le Pens Un­ter­stüt­ze­r:in­nen auf: Ihre Berufung gegen das Urteil soll bereits im nächsten Sommer abgeschlossen sein, also deutlich vor der Wahl. Doch da hatte die Partei bereits zum Sturm geblasen. Gelingt ihnen die Mobilisierung? In den Gassen und an den Kanälen von Montargis findet sich niemand, den das Urteil gegen Le Pen wirklich politisch bewegt. Stattdessen trifft man auf Sichtweisen über den RN, die sich über Jahre etabliert haben.

Darunter ein Paar, das die Partei wählt, weil es meint, in Frankreich lohne sich die Arbeit nicht mehr. Für sie, sagen sie, sei der Unterschied im Geldbeutel zwischen den Ar­bei­te­r:in­nen und denen ohne Job zu gering und gerade diejenigen mit Migrationshintergrund würden nicht ihren Teil dazu beitragen, dass das Land wieder auf die Beine käme. Da ist auch die 70-jährige Chantal mit ihrem Hund, die sich wegen „der Ausländer“ nicht mehr sicher fühlt. Doch es gibt auch den 61-jährigen Frührentner Yves, der schon vor 40 Jahren Graffitis gegen Le Pens Vater sprühte.

Frankreich

Die Europawahl 2024 hat Frankreich in eine politische Krise gestürzt. Aus den vorgezogenen Parlamentswahlen ging das neue Linksbündnis als stärkste Fraktion hervor, gefolgt von Macronisten und RN. Keiner der Blöcke besitzt eine Mehrheit.

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Urteil gegen Le Pen überrascht kaum

Oder Mustafa, der die Politik insgesamt für korrupt hält – und sich nicht erinnern kann, wann er das letzte Mal gewählt hat. Sie alle eint: Das Urteil gegen Le Pen hat sie nicht überrascht. Und sie glauben auch nicht, dass es viel ändern wird. Ähnlich gibt sich auch der Bürgermeister von Montargis, Benoit Digeon, Mitglied der Mitte-rechts-Partei Les Républicains. „Ich bin nicht völlig entspannt, aber ich mache mir auch keine großen Sorgen“, sagt Digeon, der seit sieben Jahren im Amt ist. Für Montargis sei der RN keine große Gefahr, meint er. Zu wenig kenne man ihre Ver­tre­te­r:in­nen in der Region, um sie auf lokaler Ebene zu wählen.

Anders sieht es bei Abstimmungen auf nationaler Ebene aus. Im vergangenen Jahr gewann ein 33-Jähriger des rechtsextremen RN mit 63 Prozent den Wahlbezirk deutlich. Für eine Mehrheit im städtischen Montargis selbst reichte es aber auch für ihn nicht: Hier bekam der linke Herausforderer den meisten Zuspruch – am Ende vergeblich. „In Montargis, wie in allen Städten, ziehen Le Pen und ihre Partei einfach nicht“, sagte Digeon.

„Auf dem Land haben sie es deutlich leichter.“ Um 12 Uhr fährt aus Montargis am Sonntag aber dennoch ein Bus Richtung Paris. Einige Dutzende Un­ter­stüt­ze­r:in­nen wollen dem RN helfen, vor der Kuppel des Invalidendoms ein Zeichen gegen die Verurteilung Le Pens zu setzen. Sie sind damit Teil der rund 7.000 Demonstrant:innen, die die Polizei später in Paris zählt. Kurz vor Schluss steht ein 24-Jähriger aus Paris mit seinem Vater dort, wo noch Platz für mehr Par­tei­freun­d:in­nen gewesen wäre.

„Es sind weniger Leute, als ich dachte, aber trotzdem viele“, sagte der Sohn Jeff. „Wir Rechten haben einfach nicht so viel Erfahrung im Organisieren solcher Demos wie die Linken.“ Zum Wochenbeginn ist die Partei erst einmal im Verteidigungsmodus und stellt andere Zahlen in den Vordergrund: Seit den „gewalttätigen Attacken“ auf Marine Le Pen seien bereits weitere 25.000 „Patrioten“ in der Partei Mitglied geworden, schreibt der RN auf X.

Unklarheiten bleiben

„Sie wollen die Leute davon überzeugen, dass die Gegner des Rassemblement National mit allen Mitteln versuchen, die Partei und Marine Le Pen loszuwerden“, fasst der Politikwissenschaftler Jean-Yves Camus zusammen, der seit Jahrzehnten über extreme Parteien forscht. „Das ist eine Rhetorik, die sie schon immer benutzt haben.“ „Die Zahl der Mitglieder ist mit großer Vorsicht zu genießen“, sagt Camus. „Tatsächlich ist sie auch nicht besonders wichtig.“

Was zählt, ist die Anzahl der Stimmen. Doch bisher ist nicht klar, wie genau die Mobilisierung neuer Wäh­le­r:in­nen aussieht, wenn sich die Aufmerksamkeit legt und die Partei ein Jahr lang auf das Berufungsverfahren wartet. Und viele fragen sich, wie viele Stimmen auf die Partei entfallen, wenn ihr Zugpferd Le Pen in zwei Jahren nicht antreten darf. Laut ersten Umfragen macht es zwar wenig Unterschied, ob am Ende sie oder ihr möglicher Nachfolger Jordan Bardella antritt.

Denn der 29-Jährige ist spätestens seit der Europawahl im letzten Jahr Shootingstar der Rechten und Vorsitzender der Partei. Nach neuesten Umfragen würden beide Kandidaten die erste Präsidentenrunde mit über 30 Prozent gewinnen. Doch auch wenn Bardella die naheliegendste Lösung wäre, die einzige ist er nicht. Nicht nur im Rathaus von Montargis hofft man deshalb, dass ein Machtkampf innerhalb der Partei die Zustimmung zum RN noch einmal ändern könnte: „Bardella wird vom System zermalmt werden“, sagte Digeon. „Es gibt zu viele, die auf Le Pens Platz warten.“

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2 Kommentare

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  • Die Demos gab es, aber es waren nicht so viele Leute da, weil viele Franzosen verstanden haben, dass Marine le Pen einen Betrug begangen hat.

  • Marine Le Pen und ihre Konsorten haben betrogen. Das ist unstrittig. Die Franzosen wollen weg von den etablierten Polit-Eliten und wollen sie deshalb wählen. Sie wird sich weiter als Opfer darstellen, Stichwort witch hunt, siehe Trump. Das zieht und streut Zweifel die es am begangenen Betrug nicht gibt.



    Als nächstes kommt dann Lügenpresse und unfaire Judikative…



    Bekannte Muster!