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Nach Klage gegen FlüchtlingsunterkunftVillenbewohner gesprächsbereit

Das geplante Flüchtlingsheim in Harvestehude kommt vielleicht schon früher als gedacht – die Anwohner, die dagegen geklagt hatten, zeigen sich gesprächsbereit.

Muss der Staat wohl doch nicht mit Gewalt durchsetzen: Flüchtlingsheim an der Sophienterrasse. Foto: Axel Heimken/dpa

HAMBURG taz | Im Konflikt um das geplante Flüchtlingsheim im Villenviertel Harvestehude zeichnet sich eine Lösung ab. Die drei Anwohner, die erfolgreich gegen die Nutzung des ehemaligen Kreiswehrersatzamts als Unterkunft geklagt hatten, sind offenbar zu einem Kompromiss bereit. Der zuständige Eimsbütteler Bezirksamtsleiter Torsten Sevecke (SPD) sagte, er erwarte noch an diesem Wochenende eine Entscheidung.

„Wir werden das Verfahren durchbringen, egal was kommt“, sagt Sevecke. Klar scheint mittlerweile zu sein, dass 190 Flüchtlinge in die Unterkunft an der Sophienterrasse ziehen werden und nicht 220 wie ursprünglich geplant. Offenbar fordern die Anwohner aber noch weitere Zugeständnisse – so sei ihnen besonders wichtig, die Nutzung des Gebäudes als Flüchtlingsunterkunft auf maximal zehn Jahre zu beschränken. Auch darauf habe man sich bereits geeinigt, so das Bezirksamt.

Einen Zaun, der das Gebäude zur Straße abgrenzt, solle es allerdings nicht geben – das sagt zumindest die Vorsitzende des Vereins „Flüchtlingshilfe Harvestehude“ Hendrikje Blandow-Schlegel, die sich für die Unterkunft in ihrem Viertel stark macht. Sichtschutz sei nur für angrenzende Nachbarn erlaubt. Bezirksamtleiter Sevecke möchte sich zu dieser Frage nicht endgültig äußern.

Schon in diesem Frühjahr hätten Flüchtlinge in die Sophienterrassen einziehen sollen. Nach Protesten von Anwohnern des klagten im Januar dieses Jahres drei betroffene Nachbarn und setzten den vorläufigen Baustopp durch. Sie beriefen sich auf den Bebauungsplan aus den fünfziger Jahren, wonach das Haus in einem „besonders geschützten Wohngebiet“ liege. Dort dürfe kein Asylheim in dieser Größenordnung gebaut werden.

Nach Ansicht von Bezirksamtsleiter Sevecke hat der Gesinnungswandel der Kläger auch damit zu tun, dass eine Änderung des Bebauungsplans eingeleitet worden ist, um den gerichtlich verfügten Baustopp an der Sophienterrasse auszuhebeln. „Das, glaube ich, ist nicht ohne Eindruck geblieben“, sagt er dem Hörfunksender NDR 90,3. Im neuen Bebauungsplan ist das Gebiet als „allgemeines Wohngebiet“ gekennzeichnet. Ein Asylheim wäre dann erlaubt.

Blandow-Schlegel von der Flüchtlingshilfe Harvestehude sagt, sie könne manche Kritik der Anwohner verstehen. Noch im Juni hatten diese auf einer Bürgerversammlung vorgebracht, dass das Villenviertel nicht das richtige Umfeld für eine Flüchtlingsunterkunft sei, weil es für sie nicht die nötige Infrastruktur gebe. Für Bürger, die fehlender Einkaufsmöglichkeiten in Harvestehude vorschieben, fehle ihr allerdings das Verständnis, sagte Blandow-Schlegel. „Wir haben genug Möglichkeiten. Menschen, die von so weit herkommen, werden auch eineinhalb Kilometer zum Supermarkt laufen“, sagt die 53-jährige Rechtsanwältin und SPD-Politikerin.

Die Beschwerden kämen vor allem von einer kleinen Gruppe der Anwohner. Von diesen dürfte man sich „nicht dominieren lassen“. Die Mehrheit der Anwohner würden hinter dem Flüchtlingsheim stehen. Im Moment sammelt die Flüchtlingshilfe Harvestehude Kleiderspenden und organisiert Sprachkurse. Das Engagement sei groß, sagt Blandow-Schlegel. Zu letzten Infoveranstaltung seien rund 260 Menschen gekommen. „Das zeigt, dass die Bewohner bereit sind sich einzusetzen.“

Bezirksamts-Chef Sevecke glaubt, „dass die gegenwärtige gesamtpolitische Lage dazu beigetragen hat, einen Verständniswechsel bei den Klägern herbeizuführen.“ Es gebe keinen Grund, daran zu zweifeln, dass die Stadt ihre Pläne durchziehen werde. „Warum sollten wir bei 190 Menschen ein Problem haben? Wir müssen gerade Tausende von Menschen unterbringen.“

Ob das Ergebnis am Ende durch einen Vergleich zustande komme, sei letztlich gar nicht so wichtig. Das Flüchtlingsheim werde kommen, so oder so.

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