piwik no script img

Nach Indiens Absage an FacebookSchlechte Witze aus Silicon Valley

Marc Andreessen ist Miterfinder des Webbrowsers und Facebook-Investor. Mit seinen Ansichten zur indischen Geschichte bescherte er Facebook jetzt ein PR-Debakel.

Mark Zuckerberg weist den Facebook-Investor nach seiner Indien-Entgleisung zurecht. Foto: dpa

Menlo Park dpa | Facebook-Chef Mark Zuckerberg hat sich in der Diskussion um den in Indien untersagten kostenlosen Internet-Service des Online-Netzwerks von einem seiner wichtigsten Investoren distanziert. Webbrowser-Pionier und Risikokapitalist Marc Andreessen hatte nach der Entscheidung in einem schnell wieder gelöschten polemischen Tweet geschrieben: „Anti-Kolonialismus war für das indische Volk über Jahrzehnte wirtschaftlich katastrophal.“ Vor allem dieser Satz löste neben weiteren Vorwürfen Andreessens an die indische Regierung einen Sturm der Kritik aus.

Zuckerberg nannte Andreessens Äußerungen am Mittwoch „sehr bestürzend“ und betonte, sie entsprächen nicht den Ansichten von Facebook oder von ihm persönlich. Andreessen gehört dem einflussreichen Verwaltungsrat von Facebook an. Er entschuldigte sich bei Twitter für seinen Kommentar und versicherte, er sei „zu 100 Prozent gegen Kolonialismus“.

Der 44-jährige Andreessen gehört zur Elite des Silicon Valley als Miterfinder des ersten Web-Browsers. Als Mitgründer der Risikokapital-Firma Andreessen Horowitz investierte er frühzeitig unter anderem in Facebook und Twitter sowie in die Spielefirma Zynga oder die Schnäppchen-Website Groupon.

Indische Behörden hatten Facebooks Projekt für den kostenlosen Zugang zu einigen Online-Diensten am Montag einen Riegel vorgeschoben. Die Regulierer untersagten Telekom-Anbietern grundsätzlich Ausnahmeregelungen für einzelne Services. Davon ist auch Facebooks Angebot „Free Basics“ betroffen, das neben dem weltgrößten Online-Netzwerk auch Zugang zu ausgewählten Bildungs-, Gesundheits- und Job-Diensten bot.

Netzneutralität geht vor

Die Branchenaufsicht TRAI verwies auf eine strikte Umsetzung der Regeln zur sogenannten Netzneutralität, nach denen alle Daten in den Netzen gleich behandelt werden müssen. Für Facebook war es eine schmerzhafte Niederlage – der US-Konzern hatte in den vergangenen Wochen angesichts des drohenden Verbots eine massive PR-Kampagne in dem Land organisiert.

Andreessen hatte der indischen Regierung unter anderem vorgeworfen, es sei „moralisch falsch“, der ärmeren Bevölkerung aus ideologischen Gründen kostenlose Internet-Zugänge zu verweigern. Vor allem sorgte aber sein Satz zur indischen Geschichte für Ärger – Indien war bis 1947 eine britische Kolonie. Er werde künftig Kommentare zu diesen Themen Leuten mit mehr Wissen und Erfahrung überlassen, schrieb Andreessen nun.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Sicherlich hat sich Indien nach Ende des Kolonialismus zu einer stabilen Demokratie entwickelt, mit allen Konflikten.

     

    Was für ein Quatsch, wenn solche unreifen Meinungen opportunistisch negiert werden, statt ihre Dummheit zu entlarven.

  • Super zu wissen, dass das Land der "untouchables" wo nichtmal jeder ein WC hat, in der Demokratie weiter ist als die BRD und die EU und die Netzneutralität gegen FB durchsetz. Ich bin entzückt.

  • Wie jetzt? Wenn Marc Andreessen "zu 100 Prozent gegen Kolonialismus" aber überzeugt ist, dass "Anti-Kolonialismus [..] für das indische Volk über Jahrzehnte wirtschaftlich katastrophal" war (nicht: ist?), dann lässt das eigentlich nur einen Schluss zu: Andreessen es gut findet, wenn "das indische Volk" ökonomisch in der "Katastrophe" steckt.

     

    Die erste Äußerung war dämlich. Mit der zweiten hat Andreessen aus einer dämlichen Äußerung eine ausgesprochene Gemeinheit gemacht. Wenn so Entschuldigungen aussehen, könnte ich als Inder gut darauf verzichten, denke ich. Dass ich mich allerdings zufrieden geben würde damit, dass von nun an Leute mit mehr "Wissen und Erfahrung" die Kommentare abgeben im Namen von Marc Zuckerberg, glaube ich nicht. "Mehr Wissen und Erfahrung" kann man schließlich auch im Lügen haben, nicht nur im Hinblick auf die indische Geschichte.

     

    Übrigens: Einem wie diesem Marc Andreessen, der offensichtlich keine Ahnung hat von Moral, würde ich seine „Ansage“, es sei „moralisch falsch“, der ärmeren Bevölkerung aus ideologischen Gründen kostenlose Internet-Zugänge zu verweigern“, glatt um die Ohren hauen als Teil der ärmeren Bevölkerung. Wie schade, dass der ärmere Teil der indischen Bevölkerung ganz überwiegend andere Sorgen haben dürfte als das tägliche taz-Studium.