Nach Freizug der Berliner Turnhallen: Senat gibt sich betont sportlich

Die letzten Flüchtlinge sind aus Turnhallen ausgezogen, jetzt soll zügig saniert werden, verspricht der Senat. Bislang hat das nicht geklappt.

Sozialsenatorin und Finanzsenator in Pankower Sporthalle

Sozialsenatorin Breitenbach (Die Linke) und Finanzsenator Kollatz-Ahnen (SPD) machen auf sportlich Foto: dpa

Die erste Hürde hat der Senat genommen – jetzt kommt die nächste. Am Freitag zogen, wie von Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) zu Jahresbeginn versprochen, die letzten Geflüchteten aus einer Turnhalle aus. Nun gilt es, die Sportstätten möglichst schnell wieder für ihren ureigenen Zweck nutzbar zu machen. Bis zum Beginn des neuen Schuljahres im September sollten möglichst alle Hallen wieder dem Sport zur Verfügung stehen, forderte der Präsident Landessportbund Berlin (LSB), Klaus Böger, im RBB Inforadio.

Rückblick: Als im Sommer 2015 die Zahl der Flüchtlinge rasant steigt und das damalige Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso), das heute Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) heißt, mit der Unterbringung nicht hinterherkommt, werden in der Not Turnhallen beschlagnahmt. Auf dem Höhepunkt der Unterbringungskrise, die viele „Flüchtlingskrise“ nennen, leben in Berlin mehr als 10.000 Geflüchtete in 62 Sportstätten.

Fehler und Verzögerungen

Je mehr sich das Provisorium in die Länge zieht, desto mehr Kritik gibt es – vor allem wegen der unhaltbaren Situation für die BewohnerInnen, die teils über ein Jahr auf Feldbetten ohne Privatsphäre hausen müssen. Aber die Behörden versagen auf fast jeder Linie: Erst kommt der Bau neuer Heime für die Flüchtlinge in Container- oder modularer Bauweise nur schleppend in Gang, vor allem weil Bezirke und Senat monatelang über Standorte streiten.

Dann verzögern fehlerhafte Ausschreibungen durch das LAF oder Baumängel den Bezug der Unterkünfte. Erst als der neue Senat im Dezember wieder den Notstand erklärt und damit seine rechtlichen Möglichkeiten ausweitet, etwa Interimsbetreiber einfach einsetzt, kommt Schwung in die Sache.

Doch ob der anhält? Bislang sind laut LSB nur fünf Turnhallen fertig saniert und wieder für den Sport nutzbar: die Jahnsporthalle in Neukölln, zwei in Friedrichshain-Kreuzberg (Tempelhofer Ufer und Geibelstraße) sowie zwei in Mahrzahn-Hellersdorf (Am Baltenweg und Carola-Neher-Straße).

Dagegen sind etwa das Horst-Korber-Zentrum und die Rudolf-Harbug-Halle am Olympiastadion, aus denen die Flüchtlinge bereits Anfang Mai 2016 ausgezogen waren, bis heute geschlossen. Eine Mitarbeiterin der Pressestelle des LSB erklärt dies damit, dass LAF und Finanzverwaltung erst im Oktober – fünf Monate nach dem Freizug – die 3,1 Millionen Euro Sanierungsmittel freigegeben haben.

Claudia Langeheine, LAF-Präsidentin

„Uns ist bewusst,dass noch vielArbeit vor uns liegt“

So soll es nicht weitergehen, betonen alle Beteiligten. Sportsenator Andreas Geisel (SPD) erklärte vor Kurzem, man werde beim Geld nun großzügig sein und nicht lange diskutieren, ob diese oder jene Kachel schon vor den Flüchtlingen kaputt war. Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) sagte am Freitag, man habe sich mit den Bezirken „bereits auf den erforderlichen Sanierungsbedarf verständigt“. Laut seiner Sprecherin gibt es eine Kostenplanung für rund 40 bereits überprüfte Hallen, die bei 15 Millionen Euro liegt. Dazu käme noch der „Sanierungsbonus“ von 50.000 bis 200.000 Euro, wenn es eine Bezirkshalle ist.

Trotzdem graust den Sportfunktionären vor dem Behördendschungel. „Wir brauchen vereinfachte Ausschreibungen, sie sind bisher zu bürokratisch“; sagt LSB-Vizepräsident Thomas Härtel. „Es steht zu befürchten, dass in manchen Fällen die Sanierung länger dauert als die Belegung mit Flüchtlingen.“

Umzug in Tempohomes

Für die wiederum ist die Odyssee ohnehin noch nicht vorüber. Viele Geflüchtete wurden aus ihrer Turnhalle in eine Containerunterkunft gebracht – die aber halten nur drei Jahre. Laut Sozialverwaltung sind fünf dieser Containerdörfer, auch Tempo­homes genannt, fertiggestellt, weitere zehn seien im Bau oder in der Planung. Andere Geflüchtete zogen in Gemeinschaftsunterkünfte, aus denen sie aber perspektivisch in eigene Wohnungen ziehen sollen.

Die eigentliche Dauerlösung für die Geflüchteten, die Modularen Unterkünfte (MUFs), also Häuser in Fertigbauweise, lassen dagegen großenteils auf sich warten. Erst drei davon stehen, zwei in Marzahn, eines in Reinickendorf, rund 1.150 Turnhallen-Bewohnerinnen kamen dort unter. 16 weitere MUFs sind im Bau beziehungsweise in der Planung.

Doch ob das reicht? Weiterhin leben rund 12.000 Flüchtlinge in Notunterkünften. Die größten und umstrittensten – die Hangars am Exflughafen Tempelhof, das ICC, die Knobelsdorff-Kaserne – freizumachen sei das nächste Ziel, erklärte Breitenbach am Freitag. Die Präsidentin des LAF, Claudia Langeheine, ergänzte: „Uns ist bewusst, dass auch in den kommenden Monaten beim Bau von neuen Unterkünften und der Umwandlung von Notunterkünften viel Arbeit vor uns liegt.“

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