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Nach Flaschenwürfen beim G20-GipfelBewährung für die Liebe

Der Prozess nach der G20-Randale geht für einen jungen Franzosen glimpflich aus. Er überzeugt den Richter mit einer rührenden Geschichte.

Wollte eigentlich gar nicht zum G20-Gipfel, suchte nur ein Mädchen: 21-jähriger Angeklagter vor Gericht Foto: Daniel Reinhardt

Hamburg taz | Der Andrang ist groß, als am Freitagmittag die Türen zum Saal 201 im Amtsgericht Hamburg-Altona für die Zuschauer geöffnet werden. Auf der Anklagebank sitzt ein schüchtern wirkender junger Mann in Turnschuhen und kariertem Hemd.

Es ist der dritte Prozess rund um die G20-Ausschreitungen und das Urteil lautete: ein Jahr und fünf Monate Freiheitsstrafe, ausgesetzt zur Bewährung. Dazu eine Bußgeldauflage von 500 Euro, die der 21-jährige Franzose an die Witwen- und Waisenkasse der Polizei Hamburg zahlen muss. Nach acht Wochen Untersuchungshaft ist der junge Mann nun wieder auf freiem Fuß. Ihm wurde vorgeworfen, am Rande der „Welcome to Hell“-Demo am 6. Juli mehrere Glasflaschen in Richtung Polizisten geworfen und sich dann massiv gegen seine Festnahme gewehrt zu haben.

In einer Erklärung, die sein Anwalt verlas, räumte der Angeklagte die Taten ein und führte dann persönlich aus: „Ich wollte eigentlich gar nicht zu G20“, dieser Gipfel sei ohnehin sinnlos. Er sei nur in Hamburg gewesen, weil er ein Mädchen suchte, das er wenige Tage zuvor auf einem portugiesischen Festival kennengelernt hatte. Darum trug er ein T-Shirt, auf dem stand: „I want to find Naomi“.

Am Fischmarkt habe er dann beobachtet, wie Polizisten mit Pfefferspray und Schlagstöcken auf Demo-Teilnehmer losgegangen seien. Nachdem er die Beamten aufforderte, damit aufzuhören und selbst mit Pfefferspray besprüht wurde, habe er vor Wut Flaschen geworfen. Das bereue er heute.

Der Richter glaubte ihm und blieb mit dem Urteil noch etwas unter der Forderung der Staatsanwaltschaft. Die hatte ein Jahr und sechs Monate gefordert.

Vergleichsweise mildes Urteil

Im ersten Prozess gegen G20-Gegner war ein 21-jähriger Niederländer für ähnliche Taten zu zwei Jahren und sieben Monaten Haft verurteilt worden. Die im Vergleich milde Strafe begründete das Gericht am Freitag mit der frühen und glaubhaften Reue des Angeklagten, die gegen ein generalpräventives, also abschreckendes Urteil spreche. Er wirke nicht wie ein „herumreisender Chaot“, der nach Hamburg gekommen sei, um sich an Krawallen zu beteiligen. Außerdem belegten Fotos, die den 21-Jährigen in dem Naomi-Shirt zeigten, sein ursprüngliches Anliegen, so der Richter.

Das gesuchte Mädchen hat der 21-Jährige bisher noch nicht wiedergefunden. Vielleicht könne ihm die mediale Aufmerksamkeit ja helfen, sagte der Richter.

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3 Kommentare

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  • 6G
    60440 (Profil gelöscht)

    Man könnte die Tat des Niederländers auch als Nothilfe einstufen (§32 Abs.1, Abs. 2 Alt. 2 StGB), wodurch die Rechtswidrigkeit und somit die Strafbarkeit entfiele. Man könnte auch gegen die prügelnden und giftspritzenden Polizeibeamten ermitteln und sie ihrer gerechten Strafe zuführen.

    In Unrechts(stadt)staaten wie Hamburg aber gibts für den U-Häftling bei ner satten Freiheitsstrafe nen Monat Rabatt und die echten Straftäter machen einfach weiter.

    Irre.

  • Also, liebe Krawalltouristen, denkt dran, bevor es zur nächsten Demo geht:

    -Hübsche Legende von gefundenem und wieder verlorenem Mädchen ausdenken

    -Sie irgendwo auf der Welt suchen.

    -Als Beweis: Dazu passendes T-Shirt anziehen (z. B. beschriftet mit „Ich will XXX finden“ )

    -Nur „rein zufällig“ in die Demo geraten

    -Polizei auffordern, mit Polizeibrutalität aufzuhören

    -Als Bekräftigung ein paar Flaschen nach ihnen schmeißen

    -Bei der Gerichtsverhandlung: Dieses bereuen

    -Outfit im Gerichtssaal: Turnschuhe, kariertes Hemd. Schüchtern wirken.

    Denn dann gibt’s mildernde Umstände!

  • Wieso hält man es bei der taz nicht nötig, in einem Artikel über ein Gerichtverfahren die angeklagten Tatbestände zu nennen? Das geringere Strafmaß ergibt sich schon aus der Tatsache, dass er sich nicht des schweren Landfriedensbruchs schuldig gemacht hat.