Nach Fabrikeinsturz in Bangladesch: Das Ziel sind einklagbare Rechte
Nach den Katastrophen in den Textilfabriken von Bangladesch diskutieren Experten, wie die deutschen Händler am besten in die Pflicht genommen werden können.
Uwe Kerkeritz hat die Initiative ergriffen. Am Montag reichte der grüne Bundestagsabgeordnete beim Bundeswirtschaftsministerium OECD-Beschwerde gegen KiK, C & A und Karl Rieker. Anlass ist der Brand in der Tazreen-Textilfabrik in Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesch, im November 2012. Kerkeritz wirft den Textilhändlern vor, seitdem keine ernsthaften Versuche unternommen zu haben, die Arbeitsbedingungen und die Sicherheit in ihren Zulieferbetrieben zu verbessern.
Bei dem Feuer waren 112 Menschen ums Leben gekommen. Seitdem hatte es mehrere neue Brände in Unternehmen in Bangladesch gegeben, die für westliche Handelsunternehmen fertigen. Ende April stürzte ein ganzes Fabrikgebäude zusammen, das offenbar illegal um mehrere Stockwerke erhöht worden war. Bis Montag wurden mehr als 1.100 Tote geborgen.
Kekeritz wirft KiK und Co. in seiner Beschwerde vor, dass sie eine Teilverantwortung am Tod der Arbeiterinnen und Arbeiter in Dhaka trügen, indem sie ihre „Schutzpflicht“ verletzt hätten. „Sie sind selbst verantwortlich, ihre Lieferketten zu kontrollieren“, so Kekeritz.
Eine OECD-Beschwerde kann jeder einreichen, der vermutet, dass Unternehmen gegen die Leitsätze der Industrieländerorganisation verstoßen. Die OECD muss das überprüfen und gegebenenfalls ein Vermittlungsverfahren einleiten. Wirklich durchschlagkräftig ist das Instrument nicht: Gerichtlich durchsetzen lässt sich die Befolgung der Grundsätze nicht.
Nachweis verlangen
Deshalb wird auch auf anderer Ebene über Möglichkeiten diskutiert, international operierende Unternehmen für ihre gesamte Lieferkette in die Verantwortung zu nehmen. Christian Lahnstein vom Rückversicherer Munic Re regt beispielsweise an: „Firmen wie KiK sollten von ihren Zulieferfirmen einen Nachweis verlangen, dass diese eine lokale Betriebshaftpflichtversicherung in ausreichender Höhe abgeschlossen haben.“
Zwei Varianten bieten sich an: Entweder verlangen die Unternehmen freiwillig, dass ihre Zulieferer Versicherungsverträge unterschreiben. Oder der Bundestag beschließt eine Gesetzesänderung, die dies erzwingt. Geschädigte Arbeiter hätten damit eine Grundlage, Schmerzensgeld und Entschädigungen zu erstreiten.
Dass der Vorschlag ausgerechnet von einem Versicherungskonzern kommt, der genau mit derartigen Risiken sein Geld verdient, muss nicht gegen ihn sprechen. Lahnstein argumentiert beispielsweise: Wenn obligatorische Betriebshaftpflichtversicherungen existierten, würden die lokalen Versicherungsunternehmen eher darauf achten, dass die Fabriken die Sicherheits- und Arbeitsschutzregeln einhalten – allein schon, um finanzielle Belastungen aus Schadensfällen so gering wie möglich zu halten. Illegale Aufstockungen oder unpassierbare Notausgänge kämen dann womöglich seltener vor.
Juristin Miriam Saage-Maaß von der Menschenrechtsorganisation ECCHR sieht den Handlungsbedarf dagegen stärker bei der deutschen Politik. Sie fordert, dass Bundestag und Bundesregierung die Unternehmen stärker in die Pflicht nehmen.
„Die Sorgfaltspflicht des ordentlichen Kaufmanns ist bereits ein Bestandteil des deutschen Rechts“, sagt Saage-Maaß und verweist auf das Bürgerliche Gesetzbuch. Sie schlägt vor, diese Pflichten für Firmen zu erweitern. Als Bezugspunkt bieten sich unter anderem die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) an, sagt die Juristin.
Die ILO-Konventionen sichern den Arbeitnehmern überall auf der Welt beispielsweise zu, dass sie Löhne erhalten, die die Existenz einer Familie sichern. Bestimmte Anforderungen an den Arbeitsschutz lassen sich daraus ebenfalls ableiten. Und sehr wichtig: Die Beschäftigten dürfen sich in unabhängigen Gewerkschaften organisieren, um mit deren Hilfe bessere Arbeitsbedingungen und Löhne zu erstreiten. In vielen Ländern dieser Welt stehen diese Grundsätze bislang aber nur auf dem Papier.
Das würde sich vielleicht ändern, wenn deutsche Unternehmen zu größerer Sorgfalt verpflichtet wären. Denn auch hiermit bekämen die Arbeiter der Zulieferfabriken die Möglichkeit, ihre Rechte vor deutschen Gerichten einzuklagen.
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