piwik no script img

Nach Erdoğan-SchmähgedichtBöhmermann droht Merkel mit Klage

Die Kanzlerin hatte Jan Böhmermanns Schmähkritik als „bewusst verletzend“ bezeichnet. Das sei rechtswidrig, meint Böhmermanns Anwalt.

Jan Böhmermann klagt vielleicht bald gegen die Bundeskanzlerin Foto: dpa

Berlin epd | Neue Runde in der Auseinandersetzung um das „Schmähgedicht“ von Jan Böhmermann: Der ZDF-Satiriker will Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) laut einem Bericht des Berliner Tagesspiegels verklagen, sollte sie ihre öffentliche Bewertung seines umstrittenen Werkes nicht zurücknehmen. In einem Schreiben seines Rechtsanwaltes Christian Schertz werfe Böhmermann Merkel vor, sie habe mit ihrer Kritik an seinem Auftritt eine juristische Bewertung des Werkes vorgenommen, „die einer Vorverurteilung gleichkommt“, schreibt das Blatt.

Der Satiriker hatte unter dem Titel „Schmähkritik“ in seiner ZDF-Sendung „Neo Magazin Royale“ am 31. März 2016 teils wüste Beschimpfungen gegen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan vorgetragen und ihm unter anderem Sex mit Tieren unterstellt und ihn in die Nähe von Kinderpornografie gerückt. Zur Begründung stellte der Moderator seinem Auftritt voran, er wolle den Unterschied zwischen erlaubter Satire und in Deutschland verbotener Schmähkritik erklären.

Bundeskanzlerin Merkel hatte die Satire unmittelbar nach der Sendung als „bewusst verletzend“ bezeichnet. Dieses Verhalten sei rechtswidrig gewesen, da Merkel für eine solche Einordnung nicht zuständig gewesen und damals bereits ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen Böhmermann wegen Beleidigung eingeleitet gewesen sei, argumentiert laut Tagesspiegel nun der Anwalt Böhmermanns. In dem Schreiben halte Schertz Merkel vor, sie habe den Grundsatz der Gewaltenteilung verletzt. Die Kanzlerin habe sich als „höchste Vertreterin der Exekutive“ zu dieser Rechtsfrage öffentlich geäußert „und damit erhebliche Folgen ausgelöst“. Schertz fordere binnen einer Woche eine Erklärung, wonach Merkel ihre Einschätzung in der Rückschau als rechtswidrig einstufen solle. Sonst werde er seinem Mandanten zur Klage raten.

Schon Mitte Juli war bekanntgeworden, dass die juristische Auseinandersetzung um das Gedicht andauert. Erdogans Kölner Anwalt Mustafa Kaplan hat demnach Berufung gegen eine Entscheidung des Landgerichts Hamburg eingelegt, das Böhmermanns Gedicht in weiten Teilen, aber nicht komplett verboten hatte. Böhmermanns Anwalt Christian Schertz hatte bereits im März Berufung gegen das Urteil eingelegt. Das Landgericht hatte dem ZDF-Satiriker im Februar untersagt, weite Teile des Gedichtes zu wiederholen. Von 24 Versen darf Böhmermann nur noch sechs vortragen. Die strittigen Passagen berührten das allgemeine Persönlichkeitsrecht Erdogans im Kernbereich, hieß es zur Begründung.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

27 Kommentare

 / 
  • J. B. droht - und alle, alle spuren!

    ...

  • 8G
    83379 (Profil gelöscht)

    Das ist eine logische Fortsetzung des Gedichts, zuerst zeigt Böhmermann Erdogan was Beleidigung im Gegensatz zu Satire ist. Dann zeigt Böhmermann Erdogan und Mutti wie Gewaltenteilung funktioniert. Chapeau!

    • @83379 (Profil gelöscht):

      Muss er damit nur noch Erfolg haben; Das bezweifle ich.

      • @lions:

        Das muss er gar nicht, damit es Gesellschaftliche Wirkung entfaltet.

        • @Arne Babenhauserheide:

          Ja, dass tut es gewiss, wenn Angie das erst höchstrichterlich sagen durfte.

  • Mann kann nicht genug klagen.

    • @Demokrat:

      ... sagt der Anwalt!

  • War es denn nicht bewusst verletzend oder anders, sollte es das etwa nicht sein? Ach Böhmi, du beflügelst doch die Mutti mit solcher Beinpisserei nur. Das ist ein Eigentor und dein Anwalt verdient so oder so daran.

    • @lions:

      Jau. "Mein Anwalt hätte dazu nicht geraten!" H.R.

    • 6G
      60440 (Profil gelöscht)
      @lions:

      Böhmermann hat sich um Deutschland verdient gemacht. Merkel nicht.

      • @60440 (Profil gelöscht):

        Ja, unzweifelhaft, doch muss er ja nicht mit dem Hintern alles wieder einreißen.

  • Böhmermann - ein Fall für die Satire!

    ...

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    "Satiriker", dünnhäutig...

  • Wir sollten wegen Herrn Erdogan im Inland nicht mit einander streiten bzw. auch keine juristischen Auseinandersetzungen führen. Das hätte Herr Erdogan nur allzu gern.

     

    Es sind natürlich unterschiedliche Faktoren im Spiel.

     

    Einerseits ein Tyran wie Herr Erdogan verdient so ein (jedenfalls aus seiner Sicht) beleidigendes Gedicht. Andererseits aber ist ab und zu Vorsicht und Diplomatie geboten, um etwas Unerwartetes und Schlimmes nicht auf den Weg zu bringen. Von Herrn Erdogan kann man alles erwarten. Selbst einen militärischen Konflikt.

     

    Nun aber hatte Herr Erdogan als Reaktion auf das Gedicht den juristischen Weg eingeschlagen. Das ist gut. Und man kann aus seinem Verhalten strategische Schlüsse ziehen.

     

    Die rund um das Thema ausgelöste Debatte bringt uns wichtige Erkenntnisse ans Licht. Nicht alle Gesetze (wie z.B. die Majestätsbeleidigung) sind Grundgesetz konform und somit auch reaktionär. Und das Verhalten von Herrn Erdogan zeigt, dass er wenig Verständnis für die Menschenrechte und unser Grundgesetz hat und Autoritäre Konsequenzen (wie z.B. in Saudi Arabien) erwartet hatte.

     

    Nicht zu vergessen ist es, dass während der Flüchtlingskrise viele Klagen von Rechten gegen die Bundeskanzlerin erhoben wurden. Dabei sind bzw. waren diese schon deshalb gegenstandslos, weil das menschenschützende Vorgehen der Kanzlerin durch den Art. 1 GG voll und ganz zu begründen ist, war und immer sein wird.

     

    Was kann Herr Böhmermann am besten tun?

     

    Wenn er sieht, dass in Deutschland oder irgend wo im Ausland irgend welche Ungerechtigkeiten passieren, dann sind weitere Gedichte, Satire, künstlerische Kritik usw. gegen z.B. Herrn Trump, Herrn Erdogan, Herrn Putin, AfD, NPD, IS zu schreiben ... Selbst wenn demokratische Parteien Fehler machen wie HARTZ IV, dann können Künstler sich mit solchen Konzepten inhaltlich und mit Witz auseinander setzen sowie sich mit den Erfindern (Herr Hartz) solcher Konzepte verbal duellieren!

  • Ach Gottchen, der werte Herr Böhmermann setzt neuderdings auf den Rechtsweg. Der hatte wohl zu wenig Quote in letzter Zeit?

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Beleidigung als Straftatbestand gehört abgeschafft.

     

    Man stelle sich folgende Situation im Kindergarten vor:

    "Tante Gääärdaaa, der hat mich Arschloch genannt. Uuuääääääähhh!" - "Na gut, meine Kleine, dann üben wir mal schön, wie man Strafanzeige stellt."

     

    Mit Mobbing, Stalking, übler Nachrede, Verleumndung, falscher Verdächtigung, Vortäuschung einer Straftat, Volksverhetzung, Verwendung verfassungsfeindlicher Kennzeichen und Verherrlichung des NS gibt es jede Menge Möglichkeiten, einzugreifen, wenn es eskaliert. Bestimmt habe ich sogar noch etwas vergessen.

    (P.S. Ach, den Blasphemieparagraphen, gibt es ja auch noch bei uns. Dank GG Art. 2 - "Sittengesetz".)

     

    Brauchen wir wirklich noch so primitive Ehrdelikte wie Beleidigung oder Beamtenbeleidigung?

     

    Ist es nicht eher lächerlich, wenn Cem Özdemir genauso auf Beleidigungen reagiert wie Recep Erdogan - also mit einem Gerichtsverfahren, um die Stimme zum schweigen zu bringen? Was ist eigentlich so schlimm am Hundefriedhof, wenigstens sind da keine Erdogan-Anhänger? Zumindest ist es nicht in Sachsen, denn da wäre Sargpflicht angesagt - also keine Bestattung für Muslime! Auch dank GG Art. 2 - "Sittengesetz".

    (Klar, ich weiß, Muslime und Hunde geht gar nicht, aber hey, hat schon mal jemand einen Punk gesehen, der einen Nazi wegen eines "Zecke"-Rufes vor den Kadi zerrt?)

     

    Da sollte eher die Battle beim Hip-Hop das Vorbild sein, wo jede*r es mit Fassung trägt und wer die beleidigte Leberwurst spielt, kann eigentlich gleich einpacken!

     

    Ständig ist von einem Mangel an Polizeibeamt*innen, Staatsanwält*innen und Richter*innen die Rede - wenn die nicht ständig mit sinnlosen Beleidungsklagen (und der Drangsalierung von Kiffer*innen etc.) ihre Zeit verplempern müssten, wären sie für andere Aufgaben frei.

     

    Wer in sozialen Medien beleidigt wird und es nicht verträgt - dafür gibt es diese Schaltfläche mit der Aufschrift: "ignorieren"!

    • @85198 (Profil gelöscht):

      Warum schreiben Sie über Sachverhalte die Sie nicht verstehen?

      Die "Beamtenbeleidigung" existiert strafrechtlich nicht und eine Beleidigung überschreitet nun mal die Grenzen der freien Meinungsäußerung, weil damit die persönlichen Recht Dritter verletzt werden.

      Es mag ja für Sie in Ordnung sein. sich auf dem Niveau von Fäkalsprache und Verbalinjurien zu artikulieren, gesellschaftlichen Konsens ist das nicht.

      Beleidigungen sind auch keine Meinung bzw. deren Äußerung sondern bewusste Herabsetzungen der Persönlichkeit Dritter.

      • @Saccharomyces cerevisiae:

        Na ehe Ihnen die Cervesa -

        Alt wird - wa!

         

        Das die Grenzen der Meinungsfreiheit

        Auch nich so ehern in Stein -

        Eher wohl in Pudding -

        Gemeißelt - have a look at -

        Trump-Land - dürfte doch auch

        Ihnen mehr als ein müder -

        Faaaarts - alllang -

        Geläufig & nich koa Ahnung sein - hm?!

        Na. Newahr.

      • @Saccharomyces cerevisiae:

        "gesellschaftlichen Konsens ist das nicht."

         

        Alles im Wandel. Don Maßens Kampf gegen Beleidigungen im Internet ist ein Kampf gegen Windmühlen. Die hohe Kunst der Beleidigung ist es so zu beleidigen, dass es gerade noch nicht justiziabel ist. Man sollte das ganz abschaffen und die persönliche Ehre nicht so wichtig nehmen.

    • 8G
      85198 (Profil gelöscht)
      @85198 (Profil gelöscht):

      Zitat Wikipedia:

      'Am 24. Mai 2002 stellt die Kommission für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (U.S. Helsinki Commission) in ihrem Memorandum[2] fest:

      „Strafgesetze gegen Beleidigung und Diffamierung werden häufig als nötige Abwehr gegen angeblichen Missbrauch der Meinungsfreiheit gerechtfertigt. Sie sind aber mit OSZE-Normen nicht konform und deren Anwendung bildet einen Verstoß gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung.“

       

      [...]

       

      In ähnlicher Weise setzt sich auch der Europarat für eine Entkriminalisierung der strafrechtlichen Verfolgung von Ehrdelikten ein. Der Lenkungsausschuss Medien und neue Kommunikationsdienste (CDMC) hat Untersuchungen zur Anpassung der Verleumdungsgesetze an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte unter Berücksichtigung der Frage der Entkriminalisierung der Verleumdung durchgeführt.[4]

       

      Am 25. Juni 2007 hat das Komitee für Recht und Menschenrechte der Parlamentarischen Versammlung einen Resolutionsvorschlag Entkriminalisierung der Beleidigung[5] eingebracht. Am 4. Oktober 2007 wurde die Empfehlung 1814 (2007) über Entkriminalisierung der Beleidigung in der Parlamentarischen Versammlung verabschiedet.'

      https://de.wikipedia.org/wiki/Ehrdelikt

       

      15 Jahre die OSZE zu ignorieren und 10 Jahre lang das EU-Parlament - so stehen die deutschen Parteien hinter dem Recht auf freie Meinungsäußerung?!

       

      Die meisten bei der taz finden es ja anscheinend auch toll, dass Beleidigung ("Hass") jetzt überall im Netz verfolgt wird. Wie ist diese Position mit der linken Verpflichtung auf die Menschenrechte vereinbar, die Lalon Sanders erst heute bei der Linkspartei vermisst hat in seinem Artikel über die Partei DIE PARTEI?

       

      Wie war das noch mit dem Glashaus und den Steinen?

      Muss das auch irgendein*e Satiriker*in richten, weil der taz genauso nicht zu vertrauen ist, wie den Parteien auch?

      Muss man ein Arschloch nicht auch mal "Arschloch" nennen können, wie man eine Lüge auch "Lüge" nennen können muss?

      • @85198 (Profil gelöscht):

        Jau. Gibs ehna!;))

    • @85198 (Profil gelöscht):

      Brauchen wir wirklich noch so primitive Ehrdelikte wie Beleidigung oder Beamtenbeleidigung?

       

      Auf jeden Fall!

       

      Was meinen Sie was hier abgehen würde wäre das nicht der Fall.

       

      Ich bin der Meinung das Beleidigungen gleich Geld kosten sollten.

       

      Respekt in Teilen der Gesellschaft ist zum Glücksfall geworden...

    • 8G
      81331 (Profil gelöscht)
      @85198 (Profil gelöscht):

      ...auch wenn es manchmal so aussieht, wird sind hier nicht im Kindergarten und Frau Merkel sollte es tunlichst unterlassen, Menschen vorzuverurteilen.

  • Der kleine Unterschied...

     

    J. B. hält doch sonst die Meinungsfreiheit immer so hoch...

    Ach so, wenn es um seine Meinung geht.

    • @Hartz:

      Dann eben auch. Wieso sollte darin ein Problem liegen?

  • Eigenwerbung

     

    Meistersatiriker J.B. muss wieder mal Reklame für sich selbst machen, um im Geschäft zu bleiben. So ist das in der Medienbranche...

    Machen doch alle.