Nach Cholera-Epidemie in Haiti: Uno will nicht zahlen
Die Uno weist die Forderungen der Cholera-Opfer in Haiti nach Entschädigung zurück. Dabei brachten wahrscheinlich Blauhelme den Erreger ins Land.
SANTO DOMINGO taz | Die Vereinten Nationen haben eine Klage von rund 5.000 Cholera-Opfern aus Haiti nach finanzieller Entschädigung zurückgewiesen. Sie hatten mithilfe des US-Instituts für Gerechtigkeit und Demokratie in Haiti die UN-Sicherheitstruppe in Haiti, Minustah, für den Ausbruch der Epidemie verantwortlich gemacht. Hinterbliebene der Todesopfer sollten 100.000, Erkrankte 50.000 US-Dollar erhalten, so die Forderung.
In New York erklärte UN-Sprecher Martin Nesirky, man habe den Klagevertretern mitgeteilt, dass die Ansprüche ungerechtfertigt seien. Aufgrund des von allen Mitgliedstaaten akzeptierten „Paragrafen 29 des Übereinkommens über die Privilegien und Immunitäten der Vereinten Nationen“ seien Schadenersatzansprüche ausgeschlossen, betonte Nesirky.
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon habe dem haitianischen Staatspräsidenten Michel Martelly telefonisch die Entscheidung mitgeteilt, gleichzeitig aber versichert, die UN werde weiterhin alles tun, um die Cholera in Haiti zu bekämpfen.
Der 1946 von der Generalversammlung beschlossene Passus des Artikels 8 soll Mitgliedstaaten vor gerichtlicher Verfolgung schützen, wenn sie sich an einem UN-Mandatseinsatz beteiligen. Unter die Immunitäts- und Privilegienregelung fallen aber auch UN-Beschäftigte, sofern sie im Rahmen des Mandats tätig sind.
Weitere Klagen möglich
Die Entscheidung der Vereinten Nationen hat bei Klägern und Unterstützern Empörung hervorgerufen. „Wenn dies eine Kapitalgesellschaft gewesen oder es um Umweltverschmutzung gegangen wäre, dann wäre die Haftung übernommen worden“, klagte die Sprecherin des IJDH Büros in Haiti, Nicole Philips, der britischen Tageszeitung The Guardian. Und der Anwalt Mario Joseph, der die Kläger vertritt, betonte: „Die Vereinten Nationen können nicht gleichzeitig Menschlichkeit und Straffreiheit reklamieren. Ich bin mir sicher, die Mehrheit der Kläger wird von uns fordern, weiter dagegen zu klagen.“
Alix MacGuffie, einer der infizierten Kläger, will auch weiterhin für eine Entschädigung streiten. Unterstützung findet er in einem anderen Betroffenen. Maximilien Saint Juste forderte: „Jedes Opfer hat ein Recht auf Entschädigung. Die UN hat nicht die Verantwortung für die Tatsache übernommen, dass sie die Cholera nach Haiti gebracht hat.“
Die Cholera war im Oktober 2010 ausgebrochen, neun Monate, nachdem ein schweres Erdbeben in Port-au-Prince und Umgebung rund 300.000 Menschenleben gefordert hatte. Aber nicht die unmöglichen hygienischen Zustände, unter denen mehr als 1,5 Millionen Menschen danach Leben mussten, sind für die Epidemie verantwortlich gewesen, sondern, so die naheliegende Schlussfolgerung aus den Untersuchungen, nepalesische UN-Soldaten, die mit diesem Erreger unwissentlich in ihrem Heimatland infiziert worden waren.
Über 8.000 Haitianer starben an der Krankheit
Zuerst brach die Krankheit – die in Haiti seit 50 Jahren als verschwunden galt – in St. Marc aus, einer Hafenstadt, knapp 80 Kilometer nördlich der haitianischen Hauptstadt Port-au-Prince gelegen, und entlang eines Zuflusses des Artibonite-Flusses, dessen Wasser die Cholera-Opfer konsumiert hatten.
Insgesamt erkrankten nach UN-Angaben seit Oktober 2010 bis Februar dieses Jahres mehr als 645.000 Personen, über 350.000 mussten tagelang stationär behandelt werden, 8.020 Haitianerinnen und Haitianer starben an der schweren Bakterienerkrankung.
Der Verdacht, woher die Erreger stammen könnten, richtete sich sehr schnell gegen eine Einheit der nepalesischen Streitkräfte, die im Rahmen der seit 2004 in Haiti stationierten UN-Mission kurz zuvor ins Land gekommen war. Ihr Camp in Mirebalais liegt in der Nähe des Flusses, und Augenzeugen berichteten, dass die Latrineninhalte regelmäßig im Fluss entsorgt wurden.
Untermauert wurden die Beobachtungen vom US-Zentrum für Seuchenkontrolle. Bei der Untersuchung von Stuhl-, Blut- und Wasserproben stellten die Wissenschaftler fest, dass die in Haiti aufgetauchten Cholera-Erreger mit Bakterienstämmen identisch waren, wie sie in Südasien und Nepal vorkommen.
Bereits damals hatten UN-Sprecher trotz der Kenntnis der Untersuchungsergebnisse jede Verantwortung für die Epidemie zurückgewiesen. Zwar räumten sie ein, dass die hygienischen Umstände in dem UN-Militärlager nicht „adäquat“ gewesen seien, es gebe aber keinen Beweis dafür, dass die Soldaten die Bakterien eingeschleppt hätten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Wirkung der Russlandsanktionen
Der Rubel rollt abwärts
Frauen in der ukrainischen Armee
„An der Front sind wir alle gleich“
Rauchverbot in der Europäischen Union
Die EU qualmt weiter
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag