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Nach Bruch des Kirchenasyls in ViersenDoch keine Abschiebung

Ein irakisches Paar, das für eine Abschiebung aus einem Kirchenasyl bei Viersen gezerrt wurde, wird nicht ausgewiesen. Die Stadt schaltete sich ein.

Viersens Bürgermeisterin Sabine Anemüller (SPD) schaltete sich in den Fall ein Foto: SPD

Düsseldorf/Viersen epd/dpa | Nach dem Bruch des Kirchenasyls in einer evangelischen Gemeinde im nordrhein-westfälischen Kreis Viersen wird das betroffene Ehepaar offenbar doch nicht nach Polen überstellt. Die Viersener Bürgermeisterin Sabine Anemüller (SPD) habe am Montagnachmittag die Ausländerbehörde der Stadt angewiesen, die Abschiebehaft des aus dem Irak geflüchteten Paars außer Vollzug zu setzen, bestätigte ein Sprecher der Kommune dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Da am Dienstag die durch das Dublin-Abkommen festgelegte sechsmonatige Frist für die Überstellung nach Polen abläuft, wird laut dem Anwalt der Flüchtlinge nun ein nationales Asylverfahren in Deutschland durchgeführt.

Noch kurz zuvor hatte das Verwaltungsgericht Düsseldorf einen Eilantrag gegen die Abschiebung abgelehnt, wie der Anwalt dem epd mitteilte. Die Überstellung sollte ursprünglich am Dienstag per Auto aus Darmstadt erfolgen, wo sich die beiden Iraker bislang in Abschiebehaft befanden.

Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl, das Ökumenische Netzwerk Asyl in der Kirche in NRW und die Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche hatten am Montagmorgen die Behörden aufgefordert, die Asylbewerber nicht nach Polen zurückzuführen und den Fall erneut zu prüfen.

Die Frau brach zusammen, das Paar spürt große Angst

Der Fall hatte Aufsehen erregt, weil die Behörden entgegen einer Vereinbarung zwischen dem Land NRW und der rheinischen Landeskirche die Eheleute bei einer unangekündigten Hausdurchsuchung am 10. Juli in der evangelischen Kirchengemeinde Lobberich/Hinsbeck in Haft genommen hatten. Das kurdische Paar sollte danach vom Flughafen Düsseldorf aus nach Polen gebracht werden. Wegen eines Zusammenbruchs der Frau wurde die Rücküberstellung damals aber abgebrochen.

Das kurdisch-irakische Paar war 2021 aus seiner Heimat geflohen und hatte ab Mai 2023 in der Gemeinde im Kirchenasyl gelebt, um nicht im Rahmen des Dublin-Abkommens nach Polen überstellt zu werden. In Polen seien die Eheleute bereits auf ihrer Flucht über Belarus in einem geschlossenen Lager festgehalten und „unmenschlich behandelt“ worden, erklärten die Organisationen um Pro Asyl. Das Paar habe Gewalt von polnischen Sicherheitskräften erlebt und sei nun in großer Angst.

Bei der Räumung des Kirchenasyls sei „völlig außer Acht gelassen worden“, dass das Paar bereits schwer traumatisiert gewesen und die Frau deswegen schon länger in psychiatrischer Behandlung sei, kritisierte die Pfarrerin der Gemeinde, Elke Langer. Die Initiativen betonten zudem, Kirchenasyle müssten auch künftig geschützte Räume bleiben, „die für die Behörden tabu sind“.

Gemeinden sollen vorher informiert werden

Die Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche, Dietlind Jochims, verlangte “eine gründliche Aufarbeitung“ des behördlichen Vorgehens. Die Vereinbarung zum Kirchenasyl in NRW sieht vor, dass Gemeinden möglichst vorher von den Ausländerbehörden über geplante aufenthaltsbeendende Maßnahmen informiert werden sollten.

Auch das nordrhein-westfälische Integrationsministerium begrüßte den Stopp der Rücküberstellung des betroffenen irakischen Ehepaars nach Polen. „Das Land hat sich hier aktiv eingebracht und stets betont, dass das Institut des Kirchenasyls einen wichtigen Beitrag leistet, um in schwierigen Einzelfällen Lösungen zu finden, die auf der einen Seite den rechtlichen Rahmen wahren und gleichzeitig besondere Härten verhindern können“, teilte das Ministerium am Montagabend mit.

Davon losgelöst werde das Land die landesbezogenen Abläufe in Fällen des Kirchenasyls aktualisieren und den Erlass zum Kirchenasyl erneuern, so das Ministerium. Zudem wolle das Land den in Corona-Zeiten ausgesetzten Dialog mit Landeskirchen und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) zeitnah fortsetzen.

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10 Kommentare

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  • Dank geht an Frau Sabine Anemüller -



    - für die Floristen an @Jan Berger.



    Für den peinlichen Rest - Schweigen •

    • @Lowandorder:

      Schließe mich an

  • 6G
    687478 (Profil gelöscht)

    Das offensichtliche Problem ist doch die systematische Beschneidung des Menschenrechts auf Freizügigkeit, und vor allem, dass das weitgehend akzeptiert wird. Es ist doch widersinnig, Menschen feierlich die Ausreisefreiheit zu gewähren, aber die Einreisefreiheit zu verwehren. Wer sich an seinem Wunschwohnort sprachlich verständigen und einigermaßen benehmen kann, sollte nicht durch juristische Spitzfindigkeiten ferngehalten werden. Schließlich ist Migration grundlegender Bestandteil der menschlichen Natur, wie die Evolutionsgeschichte der Menschheit beweist.

  • Ich finde es nicht angemessen, dass die TAZ in einem Artikel (nicht als Kommentar gekennzeichnet) von "gezerrt" schreibt. Das ist nicht gerade sachlich.

    Inhaltlich: Es gibt rechtlich kein "Kirchenasyl".

    • @Graustufen:

      Ja, zum Glück leben wir nicht streng nach Gesetzen, sondern lassen gelegentlich auch mal Menschlichkeit und Augenmaß einfließen.

      Ich hoffe Sie halten sich ihr ganzes Leben streng an jedes einzelne Gesetz, so unsinnig es auch sein mag.

  • Ein Rechtsbruch der Bürgermeisterin, für den wir jetzt alle auf Jahre hinaus zahlen dürfen. Wenn wir geltendes Recht nicht durchsetzen - sowohl gegenüber den Zuwanderern als auch gegenüber anderen EU-Mitgliedstaaten - dann werden wir nie geordnete Verhältnisse bei der Zuwanderung bekommen und profitieren wird davon nur die AfD.

    • 6G
      687478 (Profil gelöscht)
      @Carsten Bittner:

      „dann werden wir nie geordnete Verhältnisse bei der Zuwanderung bekommen und profitieren wird davon nur die AfD“

      Irakische Migranten sind weitaus ordentlicher als die Krawallmacher von der AfD, bei denen das Konto gepfändet werden muss, weil sie den Rundfunkbeitrag nicht ordnungsgemäß zahlen.

    • @Carsten Bittner:

      Wir zahlen auch für unnötige Subventionen an Konzerne, aber das stört Sie offensichtlich nicht.



      Schon mal daran gedacht, dass das Paar vielleicht hier Fuß fasst und Arbeit findet? Nein....Migranten leben ja nur auf Kosten des Staates, nicht wahr?

  • Meines Wissens gibt es keine Ausnahmestellung der Kirche bzw. des Kirchengeländes gegenüber den Hoheitsrechtes den Staates. Und das ist auch gut so. Polizei oder Behörden können daher das Kirchenasyl auch nicht brechen. Es gibt ein solches im REchtssystem schlicht nicht. Ob die geplante Abschiebung der Iraker nach Polen (immerhin EU-Land) unter dem Aspekt der Menschlichkeit richtig ist, kann ich nicht beurteilen.

    • @mlevi:

      Schön für Sie, daß Sie zufällig in Deutschland geboren sind. Ein Verdienst ist das natürlich nicht. Die Kirchen erfüllen ihre Pflicht zur Nächstenliebe und ich bin ihnen dankbar dafür. Tatsächlich ist es so, wenn die Kirche Asyl gewährt ist es Kirchenasyl. Menschlichkeit können sie nicht beurteilen, wie sie sagen. Da sagen sie was!