Nach Brand in Berlin-Kreuzberg: Verschleppung rechtmäßig
Der Bezirk ist machtlos: Zweieinhalb Jahre nach einem Brand in Berlin-Kreuzberg können Mieter nicht in ihre Wohnungen zurück.
Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) ging von einer bewussten Verschleppung und einem „extremen Beispiel durch Spekulation“ durch den Münchener Eigentümer und dessen Hausverwaltung aus – mutmaßlich um die Wohnungen zu entmieten und günstige alte Mietverträge mit neuen zu ersetzen. Die Bezirskverordnetenversammlung beschäftigte sich mit dem Fall, und zuletzt forderten die Linken-Abgeordneten Gaby Gottwald und Pascal Meiser das Einschreiten der Wohnungsaufsicht.
Die war nun am Mittwoch vor Ort, um den Baufortschritt zu kontrollieren, und stellte fest, dass es keine Rechtsgrundlage für ein Eingreifen gebe. Bei der Begehung seien in allen Wohnungen Sanierungsarbeiten in unterschiedlichen Stadien zu erkennen gewesen, heißt es auf taz-Anfrage an das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg.
Glaubhaft sei dargestellt worden, dass bei der Brandsanierung weitere Schäden wie asbesthaltige Baustoffe und morsche Balkenköpfe aufgefallen seien, die neue Maßnahmen rechtfertigten. In der Summe heißt es aus dem Amt: „Der hier vorgelegte Bauablaufplan kann als schlüssig angesehen werden.“ Leerstand sei genehmigt und eine Verlängerung beantragt.
Sollen Mieter mürbe gemacht werden?
Fast schon zähneknirschend heißt es nun vom als mieternah bekannten Stadtrat Schmidt: „Die Eigentümerin plant und führt die Sanierung durch, wenn auch sehr langsam, und befindet sich damit im Rahmen der Gesetze.“ Er gehe allerdings trotz Einhaltung der Vorschriften weiter von einer Verzögerungstaktik aus, mit der Mieter*innen mürbe gemacht und zur Kündigung getrieben werden sollen.
„Es besteht eine Diskrepanz zwischen den schwachen gesetzlichen Möglichkeiten, einzugreifen, die die Behörden ausbremsen, wenn Investoren sich geschickt, minimal an die Regeln halten, und dem offensichtlichen Handlungsbedarf aufgrund des existenziellen Missstandes“, sagte Schmidt. Er werde den politischen Druck auf die Eigentümerin aufrecht erhalten – gemeinsam mit den Mieter*innen.
Die Wohnungsaufsicht will in sechs Monaten erneut kontrollieren und gegebenenfalls Zwangsmaßnahmen prüfen. Wenn Eigentümer nachweislich nicht sanieren, hat der Bezirk Eingriffsmöglichkeiten, um die Wohnungen wieder bewohnbar zu machen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Netzgebühren für Unternehmen
Habeck will Stromkosten senken