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Nach Bahnchaos in MainzMehr Fahrdienstleiter sollen's richten

Die Deutsche Bahn will bis Ende des Jahres über 600 neue Fahrdienstleiter einsatzfähig machen. Damit reagiert der Konzern auf die massiven Probleme in seinen Stellwerken.

Nein, sie ist keine der 600 neuen Fahrdienstleiterinnen bei der Bahn Bild: dpa

BERLIN dpa | Mit hunderten neuer Fahrdienstleiter noch in diesem Jahr will Bahnchef Rüdiger Grube ein neuerliches Zugchaos wie unlängst am Mainzer Hauptbahnhof verhindern. „Wir werden deutlich mehr Fahrdienstleiter ausbilden und einstellen. Wir wollen bis Jahresende insgesamt über 600 zusätzlich qualifizieren“, sagte Grube dem Nachrichtenmagazin Focus.

In der Fünf-Jahresplanung seien weitere 1500 neue Stellen vorgesehen. Bislang beschäftige die Bahn 12 500 Fahrdienstleiter. Mainz war wegen Personalmangels im Stellwerk seit Anfang August teilweise vom Fernverkehr abgekoppelt, auch viele regionale Bahnen hielten nicht. Seit Freitagabend wird dort wieder nach Plan gefahren.

Die Wiederaufnahme des Fahrplanbetriebs bedeutet nach Einschätzung der Gewerkschaft EVG aber nicht, dass nun alle Probleme gelöst seien. „Für die Reisenden mag sich die Situation augenblicklich entspannt haben, für unsere Kolleginnen und Kollegen aber hält der Stress an, weil weiterhin nach wie vor nur der Mangel verwaltet wird“, kritisierte der Vorsitzende der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), Alexander Kirchner, in einer Mitteilung vom Samstag in Frankfurt. Erst in den nächsten Wochen werde sich zeigen, wie ernst es den Personalverantwortlichen wirklich sei, die Zahl der Beschäftigten am tatsächlichen Bedarf auszurichten.

Eine Sprecherin der Deutschen Bahn wies die Kritik der Gewerkschaft als pauschal zurück. „Es gibt kaum ein Unternehmen in Deutschland, das so viele neue Mitarbeiter eingestellt hat wie die Deutsche Bahn, Zehntausende alleine in den letzten Jahren.“ Sie verwies auf entsprechende Aussagen von Bahn-Personalvorstand Ulrich Weber vor einigen Wochen. Demnach sind aktuell im Bahnkonzern 247 Fahrdienstleiter mehr beschäftigt als 2012.

Mehr Geld für Tunnel und Brücken

Bahnchef Grube verlangt vom Bahneigentümer 1,2 Milliarden Euro mehr pro Jahr. „Wir brauchen mehr Geld für Tunnel und Brücken“, sagte der dem Focus. Von 34 000 Kilometern Schiene stammten mehr als die Hälfte noch aus dem 19. Jahrhundert. Von 25 000 Eisenbahnbrücken seien 9000 älter als 100 Jahre. 1400 Brücken müssten ganz dringend saniert werden. Zudem forderte der Bahnchef die Bundesregierung auf, die Bahn von der Ökostrom-Umlage zu befreien. „Wir beziehen über 75 Prozent des Stroms im Fernverkehr aus Öko-Energien“, sagte Grube. „Der Bund sollte uns als Vorreiter bei der Nutzung von Ökostrom aber eher belohnen als bestrafen.“

Die Bahn hatte am Freitag ihren Stammkunden für die wochenlangen massiven Zugausfälle am Mainzer Hauptbahnhof Reisegutscheine und Gutschriften angekündigt. Inhaber von Abo-, Jobticket- oder Zeitkarten aus dem Raum Mainz sollen so bis zu 50 Euro erstattet bekommen. „Mit dem Angebot einer freiwilligen Kulanzleistung wollen wir unseren Stammkunden etwas Gutes tun und verloren gegangenes Vertrauen wieder zurückgewinnen“, erklärte der Vorstand Personenverkehr, Ulrich Homburg.

Überfüllter ICE musste geräumt werden

Nach dem Mainzer Zugchaos waren die Züge seit Mitte August zunächst an den Wochenenden wieder nach dem üblichen Plan gefahren. Von diesem Montag an sollen sie dann auch wieder wochentags im Normaltakt fahren. Das Fahrplanchaos steht am gleichen Tag im Verkehrsausschuss des Bundestages auf der Agenda.

Neuen Ärger hat die Bahn derweil auch auf einer anderen Baustelle: Ein überfüllter ICE musste am Freitagmittag am Fernbahnhof des Frankfurter Flughafens von der Bundespolizei geräumt worden. Das sagte ein Bahnsprecher am Samstag in Berlin und bestätigte damit Berichte von hr-online und des Kölner Stadt-Anzeigers. Der ICE sei in Dortmund statt wie vorgesehen mit zwei nur mit einem Zugteil losgefahren, sagte der Sprecher. Ein Zugteil sei defekt gewesen, ein Ersatz kurzfristig nicht verfügbar gewesen.

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2 Kommentare

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  • Den Job will keiner machen; zu geringe Bezahlung, Lange Schichten, Überstunden, der pure Stress xD

  • UF
    Ulrich Frank

    Die aktuelle Situation zeigt doch nur ein einziges Debakel. Als Ausrede gilt jetzt ein veraltetes Netz. Das wurde vor allem in den letzten 20 Jahren kaputtgespart. Weichen werden nicht gewartet sondern es wird gewartet bis sie kaputt gehen weil dann der Bund zahlt (so berichtete der SPIEGEL). Das rollende Material ist neu und funktioniert genausowenig. Die Neueinstellung von Personal soll quasi über Nachforderungen für den Netzerhalt quersubvenioniert werden. Schönfärber Grube mit seinen Ausreden unterschlägt des weiteren, daß Mittel für fragwürdige Käufe ins Ausland flossen. Das Privatisierungexperiment, wie andere liberalisierende "Reformen" mit katastrophalen Folgen durchgeführt von ignoranten Parteipolitikern, ist gescheitert. Wahltag ist Zahltag.