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Nach Anschlag in StraßburgFrankreich appelliert an Gelbwesten

Nach der Attacke von Straßburg drängt Paris zur Mäßigung. Trotz Macrons Zugeständnissen mobilisieren einige ProtestlerInnen weiter.

Die Bewegung ist gespalten: Einige Gelbwesten rufen zum Einlenken auf, andere wollen weitermachen Foto: dpa

Straßburg/Paris taz | Auch am Donnerstag wurde im französischen Elsass sowie in der deutschen und schweizerischen Nachbarschaft mit einem hohen Polizeiaufgebot nach Chérif Chekatt gefahndet. Er wird verdächtigt, am Dienstagabend im Zentrum von Straßburg auf Passanten geschossen und dabei drei Menschen getötet und dreizehn verletzt zu haben. Um die Fahndung zu beschleunigen, hat die Polizei beschlossen, das Foto und den vollen Namen des mutmaßlichen Täters zu veröffentlichen. Zudem wurden mehrere Angehörige des mutmaßlichen Täters festgenommen.

Der Gesuchte war in der Vergangenheit 27 Mal wegen Diebstahls verurteilt worden, auch in Deutschland. Angeblich kam er in einer französischen Haftanstalt in Kontakt mit radikalen Islamisten. Die Behörden registrierten ihn daher als Fiche S. in der Datenbank für gefährliche Staatsfeinde. Dieses Täterprofil wirft in Frankreich viele Fragen auf. Von ganz rechts kommt der Ruf nach einer präventiven Inhaftierung und einer Abschiebung von registrierten ausländischen Sympathisanten des islamistischen Terrors.

Der Anschlag fällt in politisch schwierige Zeiten in Frankreich. Seit Wochen demonstrieren die Gilets jaunes (Gelbwesten) für Steuererleichterungen und geringer Lebenshaltungskosten. Die französische Regierung kann die Gleichzeitigkeit dieser beiden Extremereignisse – Terror und Proteste – nicht ignorieren.

Angesichts der Ereignisse müsse Bewegung nun enden

Manchmal entsteht gar der Eindruck, dass sie hofft, dass die Angst vor Attentaten die Spaltung der Nation verhindern kann. „Die französische Staatsführung hat zum jetzigen Zeitpunkt nicht beschlossen, die Demonstrationen (der Gelbwesten) zu verbieten“, erklärte Regierungssprecher Benjamin Griveaux. Zugleich appellierte er an die Protestierenden, nach dem Attentat von Straßburg vernünftig zu sein und auf weitere öffentliche Kundgebungen am Wochenende zu verzichten.

Vor allem in Paris. Dort kam es an den vergangenen zwei Wochenenden zu schweren Krawallen. Zudem mahnte er an, dass die Ordnungskräfte nach ihren Einsätzen bereits müde und angesichts der mutmaßlich terroristischen Attacke erneut gefordert seien.

Vor Griveaux hatte Justizministerin Nicole Belloubet die Ansicht geäußert, aufgrund der dramatischen Ereignisse in Straßburg müsse jetzt die Bewegung der Gelbwesten enden. Außerdem habe Präsident Emmanuel Macron mit seinen Zusagen die Voraussetzungen für Gespräche geschaffen. Es ist keineswegs sicher, dass diese Zugeständnisse ausreichen. Während einige bekannte Gelbwesten zum Einlenken aufrufen, mobilisieren andere im Netz für eine Großkundgebung am Samstag in Paris.

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11 Kommentare

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  • Merken die Taz-Redakterure eigentlich noch, was für Unsinn sie schreiben. "Frankreich apelliert an die Gelbwesten" Hä? Sind die Protestierer etwa keine Franzosen? Wer ist "Frankreich"? Begibt sich die taz jetzt in das volkspopulistische Fahrwasser?

  • @Christoph

    Sie stellen u.a. moralische Fragen, die sich ökonomisch nicht mehr miteinander vereinbaren lassen.

    Sie vergessen zB, dass sich Frankreich (RF) in einer Währungsunion befindet, in der man sich an seine Verhältnisse anpassen muss.



    Es kann daher hohe Mindestlöhne und frühe Verrentungen geben. Daneben müssen Sie aber auch die anderen Preise stellen.



    Was nutzen im Weltvergleich hohe Löhne, wenn die Güter (zu) teuer sind.

    Deutschland passt sich nicht an seine Verhältnisse an und erzielt dadurch viel zu hohe Exportüberschüsse. Das spüren die Franzosen, sowohl individuell, als auch gesellschaftlich.

    Es steht auch nicht der, der einen Laden eröffnen will, vor der Heiligsprechung. Der versucht aus der Arbeit von Menschen einen Mehrwert für sich herauszuholen. Das darf er natürlich. Den Mindestlohn beklagen muss man deswegen indes nicht.

    Viel eher ist Ihre relative Empörung darauf gegründet, dass die Gleichgewichte in der Gesellschaft, mE nachhaltig, gestört sind. Es fehlt schlicht an durch Kaufkraft untersetzter Nachfrage.

  • Es ist geschmacklos, dass man gegen soziale Missstände die Terror-Karte zückt.

    • @Gerhard Krause:

      Es ist auch geschmacklos, anderer Leute Autos anzuzünden. Mäßigung bedeutet ja nicht, soziale Missstände hinzunehmen.

      • @Jakob Bauer:

        Das eine richtig, das andere falsch. Es ist/bleibt unbenommen, sich gegen Sachbeschädigung pp. auszusprechen und/oder diese behördlich zu verfolgen, Verfolgung gut zu finden und ggf hohe Strafen ggf zu beklatschen. Passt völlig in meinen Wertekanon.

        Nebenbei: Recht glücklich bin ich aber auch darüber, dass sich Menschen für die Hintergründe solcher Taten interessieren und danach fragen.

        Falsch, aber nat. nicht unberechtigt, finde ich hingegen die Annahme, es würde im Zuge von Empörung nichts zu Bruch gehen.

        Wir wissen aus der Soziologie und der Psychologie sehr genau, dass sich Menschen, u.a. wenn man sie ökonomisch an die Wand drängt, radikalisieren. Ich hoffe stets, dass Menschen keinen Schaden nehmen und verachte moralisch diese Eliten, die solche brenzligen Situationen herbeiführen.

        Für mich ist das Zücken der Terror-Karte der jämmerliche Abklatsch des Versuches, die Motive, nicht die Taten, der Gelbwesten, soweit sie sozialökonomischen Ursprunges sind, zu diskreditieren.

        Man geht damit ganz nah an die neoklassische Sicht heran, dass angeblich jeder den Wohlstand hätte, den er verdiene. Damit wird erdrückende Ungleichheit entpolitisiert und entgegen der Wahrheit als unabwendbares natürliches Grundgesetz dargestellt. Ich gehe auch soweit, obwohl ich "de jure" wohl selbst Elite bin, dies sehr nahe an den Faschismus zu rücken.

  • Frage 1: Der Mindestlohn in Frankreich zählt bereits heute zu den höchsten der Welt. Welche Auswirkungen hat es, wenn jemand in einer Kleinstadt oder einem Dorf einen Laden, eine Apotheke, ein Restaurant, eine Arzpraxis usw. einrichten möchte ? - Frage 2: Das Renteneintrittsalter in F liegt ungefähr sechs (!) Jahre niedriger als in D. - Wieviele Milliarden kostet den Staat jedes einzelne dieser Jahre (Geld, das für andere Zwecke fehlt, zum Beispiel für die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und der URSACHEN der Kriminalität in den Banlieus. ) ? - Übrigens: Ein Trost, nicht alle in Frankreich haben den Verstand verloren. Einer der am meisten angeklickten Artikel bei LeMonde heute: Vier Bürger berichten, wie sie weniger konsumieren wollen, um die Umwelt zu entlasten. -



    www.lemonde.fr/cli...96712_1652612.html

    • 8G
      82236 (Profil gelöscht)
      @Christoph :

      Man muss den Mindestlohn in Verhältnis zu den Lenbenshaltungskosten setzen. Frankreich ist teuerer als Deutschland. Und es gibt auch Berufe, die in Frankreich wesentlich schlechter bezahlt werden als in Deutschland, Lehrer z.B.



      Die vier Bürger sind ein gutes Beispiel für abgehobene Ökologie und da wundern Sie sich, das Arbeiter und Sozialhilfeempfänger nicht die Grünen wählen. So einen Lebensstil muss man sich erst leisten können.

    • 8G
      88181 (Profil gelöscht)
      @Christoph :

      Und die ganze Wut fällt also einfach so vom Himmel?

      Die Gelbwesten sind einfach gierig? Vermag ich kaum zu glauben, auch wenn ich nicht übertrieben mit ihnen sympathisiere.

      Und die vier wackeren Bürger gehen mutig voran und demonstrieren, dass man verzichten kann, wenn man genug hat.

      Erinnert mich an die deutsche Bürgerin, die einen Monat Hartz IV spielte und zeigte, wie prima man damit seine Familie ernähren kann.

      Solche Vorbilder brauchen wir.

      Die Gelbwesten sind allerdings auch nicht ganz koscher:

      www.ynetnews.com/a...AvkJtdH_jnPqWEUkAY

      • 8G
        82236 (Profil gelöscht)
        @88181 (Profil gelöscht):

        " Die Gelbwesten sind allerdings auch nicht ganz koscher", bedeutet, dass alle Gelbwesten antisemitisch sind, wofür weder Sie noch Yewish World Beweise liefern. Dass es antisemitische Elemente bei den Gelbwesten gibt, steht ausser Frage, dass diese Elemente im Net besonders aktiv sind, ist auch zweifellos richtig, dass es sich dabei um die Mehrheit der Gelbwesten oder gar um die Totalität handelt, entbehrt jeder Grundlage und ist schlicht und einfach im besten Falle Manipulation im Extremfall Verschwörungstheorie.

        • 8G
          88181 (Profil gelöscht)
          @82236 (Profil gelöscht):

          Das ist mir schon klar, das wollte ich ja auch gar nicht behaupten. Das war wohl missverständlich formuliert.

          Es scheinen ja vielmehr sehr unterschiedliche Akteure dabei zu sein.

          Ich habe ein Video gesehen, dass zeigt wie Pariser Antifaschisten Leute von der Action Francaise aus einer Demo prügeln.

  • Also, wenn das eine Ereignis mit dem anderen nichts zu tun hat, wovon ich einfach mal ausgehen will (obwohl man schon mal auf dumme Gedanken kommen könnte...), gibt es keinen Grund dafür die Proteste auszusetzen. Achja: Die Polizisten sind müde... Was ist das? Eine Party bei der ab 23.00 Uhr die Musik aus sein muß, damit der arme kanke Onkel Herbert schlafen kann?