Nach Anschlag auf Weihnachtsmarkt: Angespannte Lage in Magdeburg
Migrantenorganisationen berichten: Nach Magdeburger Anschlag mehrten sich rassistische Übergriffe. Die vergiftete Stimmung bedrohe das Zusammenleben.

Beim Anschlag fuhr ein 50-jähriger Mann mit einem SUV durch die Menge auf dem Weihnachtsmarkt, tötete sechs Menschen und verletzte etwa 300 weitere. In der Folge thematisierten viele Politiker:innen vor allem die Herkunft des Täters. Der kam 1974 in Saudi-Arabien zur Welt, arbeitete ab März 2006 zunächst als Gastarzt in Deutschland und wurde zehn Jahre später als politischer Flüchtling anerkannt. Die CDU nannte den Fall Magdeburg etwa in ihrem Entschließungsantrag für erschwerte Migration, den sie mit den Stimmen der AfD-Fraktion Ende Januar im Bundestag durchbrachte. Parallel dazu häuften sich in Magdeburg rassistische Angriffe: In Türen geritzte Hakenkreuze, Beleidigungen, Pöbeleien, Schläge.
Mamad Mohamad berichtet: „Bis Ende Januar gab es jeden Tag einen Fall“, danach seien die körperlichen Übergriffe abgeebbt. Insgesamt wisse das Lamsa von 35 Vorfällen, der letzte davon ereignete sich Ende Februar. Doch Mohamad gehe von einer hohen Dunkelziffer aus. Das Innenministerium in Sachsen-Anhalt hatte zwar dazu aufgerufen, alles zur Anzeige zu bringen. Aber laut Mohamad scheuten sich Betroffene, „aus Angst vor weiteren Repressalien oder mangelndem Vertrauen in die Behörden, Vorfälle anzuzeigen“. Und verbale Anfeindungen gebe es weiterhin.
„Ausufernder Rassismus“
Fast drei Monate nach dem Anschlag haben am Dienstag mehrere zivilgesellschaftliche Organisationen bei einer Pressekonferenz zu mehr Zusammenhalt aufgerufen. Es gelte, Menschenfeindlichkeit und Gewalt gemeinsam zu bekämpfen.
Unter ihnen war auch die Landesleiterin des DGB in Sachsen-Anhalt, Susanne Wiedemeyer. Sie forderte von Politik und Gesellschaft, sich gegen „den ausufernden Rassismus“ zu stellen. „Wir nehmen nicht hin, dass Menschen mit Migrationserfahrung – darunter viele Kolleginnen und Kollegen – unter Generalverdacht gestellt, bedroht und angegriffen werden.“
Saeed Saeed, Mitglied im Syrisch-Deutschen Kulturverein und im Magdeburger Beirat für Integration, wurde selbst kurz nach dem Anschlag in einer Straßenbahn attackiert, wie die taz berichtete. Am Dienstag sagte er: „Magdeburg und Sachsen-Anhalt sind für viele zur neuen Heimat geworden, ein Ort, an dem sie Wurzeln geschlagen und Neues aufgebaut haben.“ Doch die vergiftete Stimmung bedrohe das Zusammenleben.
Zum Anschlag auf den Weihnachtsmarkt selbst haben die Mitglieder des Landtags Sachsen-Anhalt einen Untersuchungsausschuss gebildet. Dieser soll bis Jahresende 20 Mal tagen und dabei bis zu 150 Zeugen hören. Zur nächsten Sitzung am 24. März plant der Ausschuss, sich den Tatort in Magdeburg anzuschauen.
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