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Nach Anschlag auf Kirche in SyrienWer ist die Miliz Saraya Ansar al-Sunna?

Eine ab Februar öffentlich aufgetretene dschihadistische Gruppe bekannte sich zu dem Anschlag mit 25 Toten. Viele bemühen sich in Syrien um Solidarität.

Trauernde bei der Beerdigung der 25 Opfer in der Mar-Elias-Kirche in Damaskus am 24. Juni Foto: Middle East Images/imago

Beirut taz | In Syrien ist die Solidarität und Anteilnahme nach dem Anschlag auf die Sankt-Elias-Kirche in Damaskus vor zwei Tagen groß. Am Abend des Anschlags und auch am Montag versammelten sich hunderte Menschen an der Kirche, um Kerzen anzuzünden und ihr Beileid zu bekunden. Auch in anderen Teilen des Landes zeigten Menschen ihre Solidarität: Etwa in Aleppo beteten Muslime und Christen gemeinsam, bekundeten ihre Koexistenz. „Wir sind alle eine Familie“, sagt eine Frau in einem Video in den sozialen Medien, während sie Blut für die Verwundeten spendete.

Am Sonntag hatte sich ein Attentäter mit einem Sprengstoffgürtel in die Luft gesprengt und mindestens 25 Menschen in den Tod gerissen. 63 Menschen wurden dabei verwundet. Die Attacke hat das öffentliche Sicherheitsempfinden in Syrien erschüttert.

Das Online-Medium Al Jumhuriya berichtet, die Angehörigen hätten in einem Protestzug am Montag ihre Angst und Wut geäußert, nicht ausreichend vor Anschlägen geschützt zu sein. Bei der Beerdigung der Opfer sagte Syriens führendes christliches Oberhaupt, der griechisch-orthodoxe Patriarch von Antiochia, Johannes Yazigi: Die Regierung trage die Verantwortung dafür, Minderheiten nicht ausreichend zu schützen. „Mit Liebe und allem gebotenen Respekt, Herr Präsident, Sie haben gestern am Telefon gesprochen, um Ihr Beileid auszudrücken. Das ist uns nicht genug“, zitiert ihn das Medium New Arab.

Wer ist für den Anschlag verantwortlich?

Während des ab 2011 anhaltenden Krieges in Syrien sind viele bewaffnete radikal-islamische Gruppierungen entstanden. Nur wenige von ihnen haben sich der Methode der Selbstmordattentate verschrieben, darunter vor allem Daesh, bekannt als sogenannter „Islamischer Staat“ (IS), oder auch Dschabhat al-Nusra. Die neue syrische Regierung unter dem ehemaligen Milizen-Anführer Ahmed al-Scharaa beteuert immer wieder, alle religiöse Gruppen schützen zu wollen.

Eine bisher wenig bekannte Gruppe namens Saraya Ansar al-Sunna („Brigade der sunnitischen Partisanen“) bekannte sich am Dienstag zu dem Anschlag. Eines ihrer Mitglieder, Mohammed Zain al-Abidin, habe den Anschlag verübt, weil sich die Gruppe von Christen provoziert gefühlt habe. Im März kam es vor der Elias-Kirche zu einem Streit, als ein Auto vorbeifuhr, aus dem islamische Gesänge aus Lautsprechern tönten und christliche Anwohnende sich dagegen wehrten.

Die radikale Gruppe hetzt gegen Alawiten, Schiiten und Druzen. In einer Erklärung auf ihrem Telegram-Kanal drohte sie mit weiteren Anschlägen. Ihr Sprecher Abu al-Fatah al-Schami gibt an, die Gruppe sei noch vor dem Sturz Assads gegründet worden, sie trat aber erst im Februar öffentlich auf. Laut al-Schami zähle sie 1.000 Kämpfer.

Verbindungen zur HTS

Saraya Ansar al-Sunna beschuldigt die syrische Übergangsregierung, vom Glauben abgefallen zu sein und Syrien zu säkularisieren. Ihr Anführer Abu Aisha al-Schami war zuvor Teil von Hayat Tahrir asch-Scham – der Miliz, der al-Scharaa angehörte. Sie hatte im Dezember 2024 Syrien vom Diktator Baschar al-Assad befreit. Anfang des Jahres gab HTS offiziell ihre Auflösung bekannt.

Abu Aisha al-Shami hatte die HTS verlassen, weil sie ihm zu „nachsichtig“ gegenüber Schiiten und Alawiten gewesen sei, berichtet die Zeitung The New Arab. Im Februar töteten Mitglieder der Gruppe mindestens 10 Alawiten im Dorf Arzah in Westsyrien. Sie sollen auch für die Tötung zehn schiitischer Menschen in Hama verantwortlich sein.

Das syrische Innenministerium wiederum sagt: Eine „offiziell“ dem IS nahestehende Zelle sei verantwortlich. Saraya Ansar al-Sunna sei eine erfundene Organisation und habe keinerlei Verbindung zum Anschlag, so das Ministerium bei einer Pressekonferenz. Am Montag verkündete die Regierung, Mitglieder der Zelle festgenommen zu haben.

Nach dem Angriff: massive Zerstörung, Blutflecken – und Mitglieder des Zivilschutzes, die die Toten bergen Foto: Omar Sanadiki/ap

Saraya Ansar al-Sunna sei möglicherweise ein IS-freundlicher Ableger oder eine IS-Tarnorganisation, erklärte der in Syrien ansässige Analyst Aymenn Jawad al-Tamimi der Nachrichtenagentur AFP. Die Gruppe bestünde größtenteils aus HTS-Überläufern und anderer Gruppierungen, operiere derzeit aber unabhängig vom IS. „Angesichts der offensichtlichen Abstammung aus Überläufern der HTS ist es verständlich, warum die syrische Regierung ihre Existenz herunterspielt und leugnet“, so al-Tamini.

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9 Kommentare

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  • Weil er sich von Christen provoziert fühlt tötet jemand 25 Menschen?



    Das ist absurd! Was für eine sinnlose Tat, gibt es wirklich Menschen die das als Begründung akzeptieren und auch noch gutheißen?

  • Die Frage ist doch, ob diese Gruppe durch die Unterstützung irgendwelcher westlichen Dienst gepäppelt wurde, weil sie ja offenbar beim Sturz des Assad-Regiems nützlich war.

    • @EffeJoSiebenZwo:

      Nein, die Frage ist, was geht im Kopf solcher Menschen vor. Wenn sie überhaupt denken. Dabei ging es ja nicht um Politik oder Macht sondern um einen nichtigen Streit über zu laute Musik.

  • Ich kann´s nicht mehr lesen und hören, diese idiotischen Aggressionen der Religioten...!! Gotteswahnsinnige!!

  • "In einer Erklärung auf ihrem Telegram-Kanal drohte sie"



    Warum haben solche Terroristen einen Telegram-Kanal?

    Wenn eine solche Plattform Terroristen egal aus welchem Land ein Sprachrohr bietet, gehört die ganze Plattform als terroristisch eingestuft.

  • Wer in solchen Ländern, wo zweifellos Despoten herrsch(t)en, eingreift um diese Despoten zu beseitigen oder zu stürzen, darf sich über die Nachfolger und deren Chaos nicht beschweren. Alles, wirklich alles, westliche Wertepolitik!

    • @Pico :

      "Alles, wirklich alles, westliche Wertepolitik"

      Also langsam glaube ich Sie betreiben Satire.

      Also hätte Assad unterstützt vom Iran (Russland lasse ich absichtlich raus, könnte ja "westlich" gelesen werden)



      Sein Volk munter mit Giftgas umbringen sollen, während der Westen das ignoriert?

      Hätte der Westen dann endlich richtig für Sie gehandelt?

      Eine islamistische Terrororganisation begeht ein abscheuliches Verbrechen und Sie kommen mit "Wertewesten"

      Ihr Leben muss so schön einfach sein...

      11. September = nieder mit dem Wertewesten

      7. Oktober = verfluchter Wertewesten

      Ihr Toast fällt auf die geschmierte Seite = na klar, der verdammte Wertewesten mal wieder

  • Die Geister, die er einst rief, wird er wohl auch als Präsident . nicht so schnell wieder los werden.

  • "Abu Aisha al-Shami hatte die HTS verlassen, weil sie ihm zu „nachsichtig“ gegenüber Schiiten und Alawiten gewesen sei"



    Was für kranke Hirne...steht irgendwo, dass sich unterschiedliche Religionen, bzw. unterschiedliche Gruppen innerhalb einer Religion bekriegen müssen? Dieser Absolutheitsanspruch von diesen Fanatikern ist tiefstes Mittelalter