Nach Anschlag auf Ex-Spion: Gegen den Ball

Die Fußball-WM in Russland bietet sich für Sanktionen an. Ein Abstrafen der Oligarchen wäre sinnvoll, bleibt aber unwahrscheinlich.

Mehrere Männer in schwarzen Mänteln, ganz rechts Alischer Usmanow

Alischer Usmanow (r), Anteilseigner des FC Arsenal Foto: imago/Action Plus

Der Prinz wird nicht kommen. Eine erste Sanktion für die Vergiftung des ehemaligen Doppelagenten Sergej Skripal und dessen Tochter steht schon fest. Königinnenenkel William, der Duke of Cambridge, wird nicht nach Russland reisen, um das englische Team zu unterstützen. Das ist nicht nur deshalb interessant, weil eigentlich immer ein Mitglied des englischen Königshauses dabei ist, wenn sich die Nationalmannschaft bei einer WM blamiert. Nein, William ist Präsident der FA, des englischen Fußballverbands und als solcher eigentlich qua Amt zur Unterstützung der Auswahl verpflichtet. Auch wenn es keiner wirklich ausgesprochen hat, so gilt doch als sicher, dass William die WM boykottiert, um ein Zeichen des Protests gegen Russland in der Angelegenheit Skripal zu setzen.

Der ehemalige Doppelagent Sergej Skripal und dessen Tochter waren Anfang des Monats in London Opfer eines Anschlags mit Nervengift russischer Herkunft geworden. Nachdem Premierministerin Theresa May am Montag Russland dazu aufgefordert hat, sich schnellstmöglich zu dem Anschlag zu verhalten, wird spekuliert, welche Maßnahmen die Briten ergreifen könnten.

Eine der typischen Reaktionen wäre in der Tat ein WM-Boykott. Besonders schmerzen würde der die Russen wohl nicht. Denn niemand denkt daran, den Fußballern die Reise nach Russland zu verwehren. Eine derartige Aktion könnte den Ausschluss Englands vom Turnier 2022 zur Folge haben und wird alleine deshalb nicht ernsthaft diskutiert. Theresa May könnte anordnen, dass keine Regierungsvertreter zum Turnier in Russland reisen und versuchen, andere europäische Länder dazu zu bewegen, keine offiziellen Gesandten zum Turnier zu schicken.

Britisch-russische Sicherheitspartnerschaft

Auch wenn diese nicht gerade harte Keule geschwungen werden sollte, so werden die Briten den Kontakt zu russischen Sicherheitskräften vor der WM nicht abreißen lassen. Zu groß sind die Ängste vor erneuten Hooliganschlachten, so wie sie bei der EM 2016 in Frankreich zwischen durchtrainierten russischen Schlägern und englischen Suffköpfen stattgefunden haben. Was die Sicherheitslage in Russland rund um die WM betrifft, reagiert man in England traditionell hysterisch.

Das Schmierblatt Daily Star fragt, ob sich Fans überhaupt in die ständig abstürzenden russischen Flugzeuge setzen sollten. Nicht weniger aufgeregt wurde über die Hinrichtung mindestens eines IS-Dschihadisten auf einer Autobahn unweit des WM-Austragungsortes Saratow berichtet. Was die Sicherheit bei der WM betrifft, werden die Briten den Dialog mit Russland also kaum abreißen lassen.

Und der Boykott der WM durch Regierungsvertreter dürfte eine Sanktion sein, über die man sich im Kreml eher freuen dürfte. Das meint zumindest Alexej Nawalny, der russische Anti-Korruptionsaktivist, dem man nicht erlaubt hat, bei der Präsidentschaftswahl am kommenden Sonntag gegen Wladimir Putin anzutreten. Über den Messengerdienst Telegram teilte er mit, dass Putin eine derartige Maßnahme in seinem Sinne propagandistisch ganz gut auschlachten könne.

Andere Sanktionsmöglichkeiten schätzt Nawalny genauso ein: Der Entzug der Sendelizenz für den staatlichen Auslandssender Russia Today, die Ankündigung, der Ukraine mehr Unterstützung zukommen zu lassen und das Einschwören der NATO-Partner auf eine gemeinsame Linie gegen Russland seien alles Maßnahmen „nach Putins Szenario“, wie er schreibt.

Auf die Oligarchen!

Wirklich treffen würde das System Putin dagegen Einreiseverbote für ausgewählte Oligarchen und Staatsbedienstete. Drei Namen nannte er dabei. Igor Schuwalow, den Vize-Premier, der vor allem dadurch auffällt, dass er einen oligarchengleichen Lebensstil pflegt, Alischer Usmanow und Roman Abramowitsch. Die beiden Oligarchen sind vor allen Fußballfans in England ein Begriff. Usmanow ist Anteilseigner beim Premier-League-Klub FC Arsenal, Abramowitsch gehört der amtierende Meister FC Chelsea. Ihnen den Weg zu ihren Londoner Residenzen abzuschneiden, würde gewiss gut ankommen bei der russischen Bevölkerung, ist sich Nawalny sicher.

Statt über Abramowitschs dritte Scheidung, den Kauf eines Townhouses in London oder die möglicherweise bevorstehende Entlassung von Meistertrainer Antonio Conte würde über die Rolle des Oligarchen im System Putin nachgedacht. Seitdem Abramowitsch im Jahr 2000 den Übergang der Macht von Boris Jelzin zu Wladimir Putin mitorganisiert hat, gehört der Milliardär zum inneren Machtkreis des russischen Präsidenten.

Nawalny indes glaubt nicht an Maßnahmen gegen die Oligarchen. Er glaubt auch nicht an das Gute in der City of London. „Die riesige, korrupte Lobby aus Bankern und Anwälten wird den russischen Oligarchen und Beamten, die sich in London niedergelassen haben, nichts anhaben wollen“, schreibt er auf Telegram.

Am Mittwoch spielt der FC Chelsea in der Champions League beim FC Barcelona. Über das weitere Schicksal von Antonio Conte als Trainer beim Londoner Klub wird dabei sicher mehr gesprochen werden als über die Zukunft der britisch-russischen Beziehungen.

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