Nach Anschlägen in Moskau: Ein Blumenmeer für die Toten

Die Moskauer trauern, die Regierung droht und die Opposition äußert scharfe Kritik an der Staatsmacht. Bürgerrechtler befürchten einen Anstieg der Fremdenfeindlichkeit.

In der U-Bahnstation: Gedenken an die Opfer. Bild: dpa

Moskau trauert um die Toten der Terroranschläge vom 29. März. Am Dienstag starb das 39. Opfer in einem Moskauer Krankenhaus. Sämtliche Fahnen in der Stadt waren auf Halbmast gehisst, in den Kirchen gab es Andachten für die Toten. Viele Menschen legten an den Orten der Anschläge Blumen nieder.

Bislang gab es keinen Bekennerbrief zu den Anschlägen, dafür in allen Milizstationen Fotos der mutmaßlichen Selbstmordattentäterinnen. Auf Überwachungskameras konnten außerdem zwei weitere Frauen "slawischen Aussehens" und ein Mann herausgefiltert werden, die die beiden begleitet hatten. Dies berichtete die russische Internetzeitung Vsgljad.

So ganz unerwartet sind die Anschläge für die Moskauer Miliz wohl nicht gekommen. Wie die Tageszeitung Kommersant berichtete, sollen bei der Miliz kurz vor den Anschlägen Warnungen eingegangen sein. Deswegen hätten bereits kurz vor den Anschlägen intensive Personenkontrollen an Moskaus Metrostationen stattgefunden.

Der Journalist Sergej Dergatschew, der nur 30 Meter vom Ort der Explosion entfernt war, berichtet, das Erste, was ihm beim Einfahren des Zuges aufgefallen sei, sei die hysterische Stimme des Zugführers gewesen. Dieser hatte die Fahrgäste angeschrien, den Waggon unverzüglich zu verlassen. Ohne ihn, so Dergatschew gegenüber Vsgljad, wären die Folgen des Anschlags noch verheerender gewesen.

Präsident Medwedjew und der Moskauer Bürgermeister Luschkow legten in der U-Bahn-Station "Lubjanka" Blumen für die Getöteten nieder. Am Dienstag äußerte sich Putin vor Journalisten. Man werde die Terroristen noch vom Boden der Kanalisation kratzen, dies sei für die Rechtsorgane eine Frage der Ehre, sagte er in drastischen Worten.

Kommunistenführer Gennadij Sjuganow forderte, angesichts der Attentate müsse über eine Wiedereinführung der Todesstrafe diskutiert werden. Gleichzeitig sei die Wirtschaftspolitik der Regierung mitverantwortlich für die Misere, so Sjuganow. Im Kaukasus hätten mancherorts sieben von zehn jungen Männern keine Arbeit.

In Tschetschenien selbst befürchten viele Einwohner eine neue Fremdenfeindlichkeit in Russland. Dies berichtete der "Kawkaskij Usel", das Internetportal der Menschenrechtsorganisation Memorial. Auch Antifaschisten und Anarchisten warnten in einer auf dem Server der russischen Autonomen, avtonom.org, verbreiteten Erklärung vor einer neuen Fremdenfeindlichkeit. Bereits wenige Stunden nach dem Anschlag waren am Montag in Moskau zwei junge Frauen aus dem Kaukasus geschlagen und aus dem Waggon geprügelt worden.

Der Oppositionspolitiker Boris Nemzow übte scharfe Kritik an Regierungschef Putin. Dieser versuche seit 2005, das Problem im Kaukasus mithilfe von korrupten Banditen zu lösen, wird Nemzow vom Internetportal grani.ru zitiert. Solange Putin sich auf Banditen stütze, müsse das Land weiter mit Terror rechnen. Allein 2009 hätten die Anschläge russlandweit um 50 Prozent zugenommen. Als Folge der Attentate, befürchtet Nemzow verschärfte Repressionen gegen Vertreter der Opposition. All diese Maßnahmen, so Nemzow, würden die Bevölkerung aber nicht vor dem Terror schützen.

Für den heutigen Mittwoch droht Moskau ein weiterer Konflikt. Wie an jedem 31. eines Monats wollen Oppositionsgruppen und Menschenrechtler für die Einhaltung von Artikel 31 demonstrieren, der die Versammlungsfreiheit garantiert. Die Kundgebung ist nicht genehmigt.

Der Regierung nahestehende Jugendorganisationen wie die Junge Garde haben kein Problem, grünes Licht zu bekommen. Bei einer Gedenkveranstaltung wollen sie heute für die Opfer Blut spenden und Kerzen entzünden.

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