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Nach Angriff auf Fest in Bad FreienwaldeDurchsuchung bei Neonazi

Wegen des Angriffs auf ein Vielfalts-Fest in Bad Freienwalde gibt es einen Verdächtigen. Er ist bei der Neonazi-Partei „III.Weg“ organisiert.

Ein Polizeifahrzeug steht am Rande des Marktplatzes von Bad Freienwalde Foto: Christoph Soeder/dpa

Berlin taz | Nach dem Angriff auf das Fest „Bad Freienwalde ist bunt“ hat die Polizei am Donnerstag Wohnräume eines Tatverdächtigen und von dessen Angehörigen im Landkreis Märkisch-Oderland durchsucht. Es seien Bekleidungsstücke und Mobilfunkgeräte sichergestellt worden. Nach Informationen der taz handelt es sich bei dem Verdächtigen um einen 21-jährigen Neonazi aus Bliesdorf, der mit der Kleinpartei III. Weg und ihrer Nachwuchsorganisation unterwegs ist.

Am Sonntag kurz vor Mittag hatten zehn bis fünfzehn vermummte Täter das Fest „Bad Freienwalde ist bunt“ unter anderem mit Schlaggegenständen angegriffen. Auf dem Fest waren auch Familien mit Kindern. Mindestens zwei Menschen wurden verletzt. Ord­ne­r*in­nen hatten sich den Angreifern entschlossen entgegengestellt und konnten sie vertreiben. Laut Veranstaltern war zu dem Zeitpunkt keine Polizei in Sicht – diese hätte die Gefahr unterschätzt, obwohl es bereits in den vergangenen Jahren zu Vorfällen mit Neonazis gekommen war.

Brandenburgs Innenminister René Wilke (parteilos) hatte noch am Sonntag das Fest besucht und den Überfall scharf verurteilt. Im Interview mit der taz hatte er erklärt, der Angriff in Bad Freienwalde habe eine „neue Qualität“. Wilke bestand darauf, dass Polizei vor Ort gewesen sei.

Bei dem Angriff am Sonntag hatten Zeugen den 21-jährigen Verdächtigen erkannt. Er hatte demnach bereits im vergangenen Jahr versucht, die gleiche Veranstaltung in Bad Freienwalde zu stören. Fotos von ihm am Rande der Veranstaltung vor einem Jahr liegen der taz vor. Laut einem Zeugen war der Neonazi bereits damals von Ord­ne­r*in­nen erkannt und vertrieben worden soll und mit Pfefferspray bewaffnet gewesen sein.

Fußballverein distanziert sich

Szene-Kenner beschreiben ihn als gefestigten, etablierten Aktivisten der „Nationalrevolutionären Jugend“ (NRJ), also der Nachwuchsorganisation der Neonazi-Partei „III. Weg“. Obwohl dessen rechtsextremes Engagement sein Monaten bekannt ist, solle er bis heute beim Fußballverein SV Hertha 23 Neutrebbin trainieren – wohl gemeinsam mit weiteren Kameraden. Spieler und Fans des SV Hertha 23 Neutrebbin fielen in der Vergangenheit mehrfach mit rassistischen Vorfällen auf. Der Verein erklärte auf Anfrage der taz:

„Wir als Betreiber und Nutzer des Neutrebbiner Sportplatzes distanzieren uns klar gegen extremistische und gewaltbereite Ansichten und Handlungen.“ Man sein daher „im engen und vertrauensvollen Austausch mit Behörden und Institutionen“.

Laut dem antifaschistischen Rechercheportal „Aus dem Weg“ ist der verdächtige Neonazi regelmäßig bei Veranstaltungen der neonazistischen Kleinpartei „III.Weg“ sowie der „Nationalrevolutionären Jugend“ (NRJ) zu beobachten. Mit diesem Umfeld soll er unter anderem an Kampfsport-Trainings in Rostock und Berlin teilgenommen haben.

Im August 2024 soll er in Zwickau gegen den dortigen CSD demonstriert haben. Fotos des 21-Jährigen sollen dessen Teilnahme auf Neonazi-Demos in Görlitz, Suhl und Hellersdorf dokumentieren, wo er unter anderem ein Megafon trug. Der junge Mann scheint zudem international unterwegs zu sein. So soll er dieses Jahr am 8. Februar zu dem jährlich stattfindenden Neonazi-Aufmarsch in Budapest gereist sein und Mitte Mai in einer Gruppe der NRJ aus Berlin und Brandenburg bei einer rechtsextremen Demonstration in Paris marschiert sein. Auf Fotos, die den Neonazi in Paris zeigen sollen, ist er mit einem Schal des III. Weg vermummt.

Rechte Jugendkultur in Bad Freienwalde im Aufwind

In Bad Freienwalde ist die rechte Jugendkultur laut Beobachtern in den vergangenen rund zwei Jahren stärker geworden. Neben III. Weg und NRJ seien Kader von „Deutsche Jugend Voran“, einer gewaltbereiten rechtsextremistischen Jugendgruppe, in der Kleinstadt aktiv.

Wie die taz am Montag berichtete, hatte die Nachwuchsorganisation der Partei „III. Weg“ bereits im Februar eine Veranstaltung des Bündnisses „Bad Freienwalde ist bunt“ im Visier. Auf ihrer Webseite hatte die Partei erklärt: „Genau diesem antideutschen Milieu muss das Handwerk gelegt werden“. Und weiter: „Wo sich die Möglichkeit ergibt, werden wir die unsäglichen Verhältnisse bekämpfen und für ein neues Deutschland streiten.“

Die Partei „III. Weg“ antwortete nicht auf mehrfache Anfrage der taz.

Die Staatsanwaltschaft hatte am Donnerstag die Orte der Durchsuchungen sowie den Namen des Verdächtigen nicht genannt und wollte dazu auch auf Nachfrage gegenüber der taz keine Angaben machen. Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft erklärte, es bestehe „eine konkrete Bedrohungslage für den Verdächtigen und seine Familie“. Der Name des Neonazis war bereits kurz nach dem Angriff von einem antifaschistischen Rechercheportal veröffentlicht worden.

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2 Kommentare

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  • Sind diese Leute demnächst als SA unterwegs. Das hatten wir doch alles schon mal. Es wird Zeit dem Einhalt zu gebieten bevor es zu spät ist.



    Da muss jetzt rigoros dagegen gehalten werden und die Justiz



    darf nicht mehr solche Alibiurteile fällen sonst sehe ich schon für die nahe Zukunft schwarz.

  • Was'n da los ? Müssen wir dem Herrn Innenminister etwa mal einen Karton mit Weckern schicken ? In seinem Interview mit der taz hatte er scheinbar noch keinerlei Informationen zu der Partei



    " III. Weg " ! Die vordringenste Aufgabe des Herrn Innenministers ist es, die Bevölkerung vor solchen Rechtsextremisten und deren Gewalttaten zu schützen.