NSU in Brandenburg: Ermittler ignorierten Hinweise
Der NSU-Untersuchungsausschuss in Brandenburg legt seinen Abschlussbericht vor. Demnach versandeten entscheidende Tipps.
Auf den Hinweis eines dortigen Spitzels zum NSU-Trio habe der Verfassungsschutz nur mit „Stückwerk“ reagiert, es habe „systematische Rechtsbrüche“ gegeben. Womöglich hätten „die Informationen aus Brandenburg die letztlich entscheidenden sein können, um das Bombenbauer-Trio zu finden“.
Seit Anfang 2016 hatte der NSU-Ausschuss die Brandenburger Verwicklung an der Terrorserie beleuchtet. Mord- oder Gewalttaten des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ gab es in Brandenburg nicht. Dafür aber „Piatto“, den Top-Spitzel des Verfassungsschutz, der früh einen Hinweis auf das Trio gab.
Eine gemeinsame Bewertung der Fraktionen gibt es nicht – nur einzelne Sondervoten. Doch im Fall Carsten „Piatto“ Szczepanski ist die Meinung einhellig: Dieser hätte „nie als Quelle geführt werden dürfen“. Sein Einsatz habe mehr Schaden als Ertrag beschert.
„Fall der Extreme“
Szczepanski war 1995 wegen eines Mordversuchs an einem Nigerianer zu acht Jahren Haft verurteilt worden. Noch im Gefängnis wurde er vom Verfassungsschutz als Informant angeworben. Aus der Zelle konnte er ein Neonazi-Fanzine herausgeben, wurde frühzeitig entlassen. 1998, kurz nach dem Abtauchen des NSU-Trios, verwies er den Geheimdienst auf die Untergetauchten. Er teilte mit, dass diese Überfälle begingen, benannte Kontaktleute. Hinweise, die versandeten.
Der Brandenburger Verfassungsschutz hätte darauf alles unternehmen müssen, um ihnen nachzugehen, urteilen die Grünen. Dies aber sei nicht passiert. Die Linke spricht gar von einem „rechtswidrigen Unterlassen“. Dem Geheimdienst sei es nur um Quellenschutz gegangen. Eine Ergreifung des Trios sei dadurch „zumindest erschwert“ worden.
Der kriminelle „Piatto“ hätte gar nicht erst angeworben dürfen, befindet auch die SPD. „Besonders kritisch“ sei zudem, wie er unter den Augen des Geheimdienstes die Szene mit Propagandamaterial belieferte. Die Grünen sprechen von einem „Fall der Extreme“.
Ähnlich fällt das Urteil zu einem weiteren Brandenburger V-Mann, Toni Stadler, aus. Dieser hatte neben seiner Spitzeltätigkeit die berüchtigte Neonazi-CD „Noten des Hasses“ produziert. Ein Ex-Abteilungsleiter des Verfassungsschutz nannte dies im Ausschuss selbst einen „veritablen Verfassungsschutzskandal“.
Laufender Streit
Nicht einigen konnten sich die Fraktionen, welche Schlussfolgerungen daraus zu ziehen sind. Der Verfassungsschutz habe sich nicht bewährt, auf V-Leute sei künftig zu verzichten, fordert die Linke. Die Koalitionspartnerin, die SPD, sieht dagegen die „Sicherheitsarchitektur nicht grundlegend infrage gestellt“. Das dürfte den laufenden Streit über eine Verfassungsschutzreform in Brandenburg weiter anheizen.
Mit dem Abschlussbericht schließt sich auch ein weiteres Kapitel der NSU-Aufklärung. Bereits vor einem Jahr endete der NSU-Prozess. Auch die Untersuchungsausschüsse in Bund und Ländern haben ihre Arbeit beendet oder stehen kurz davor. In Mecklenburg-Vorpommern startete dagegen erst Ende Januar ein neuer Ausschuss.
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